Ein Prosit auf die Zuversicht
Bei einer Inzidenz unter 100 öffnet die Gastronomie im Freien. Dann folgen Hotels. Die Betreiber bereiten sich auf einen Ansturm der Gäste vor – und stellen sich viele Fragen
München Es ist die Aussicht auf ein Stück Normalität bei einem Radler im Biergarten, auf ein paar Tage Urlaub: Ab Montag dürfen Biergärten und andere Außengastronomie wieder öffnen – bis 22 Uhr, unter strengen Vorgaben und auch nur in Regionen, in denen die Sieben-TageInzidenz eine Woche lang unter 100 liegt. Zu Beginn der Pfingstferien soll dann auch Tourismus wieder möglich sein.
„Wir freuen uns, dass es wieder losgeht“, sagt Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Hotelund Gaststättenverbands Dehoga in Bayern. Einen wirklich wirtschaftlichen Betrieb werde man in der Gastronomie so zwar nicht erreichen, „aber ich hoffe, dass die Gemeinden jetzt pragmatische Lösungen finden, um die Außenflächen der Betriebe zu erweitern“. Masken- und Abstandsregeln gelten weiterhin, gebucht werden muss im Voraus. Außerdem soll es eine Testpflicht geben. Die genauen Regeln werden noch ausgearbeitet, laut der aktuellen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung ist ein Negativ-Nachweis nötig, wenn an einem Tisch Personen aus mehreren Hausständen sitzen.
Zoran Culibrk, Geschäftsführer des Landgasthofs Mariaberg in Kempten, freut sich über die Lockerungen. Auf beinahe 850 Metern Höhe ist Mariaberg der höchstgelegene Biergarten Kemptens. Doch acht Monate lang konnte niemand die Aussicht genießen, die Bänke waren leer. „Es war wirklich hart.“Ob sich das Öffnen lohne, müsse er abwarten. Ein Hygienekonzept hat er schon erarbeitet. Ein Testzentrum am Landgasthof kann sich der Geschäftsführer aber nicht vorstellen. „Das kostet viel. Es reicht, wenn die Menschen einen Test beim Eintritt vorweisen.“
Sebastian Priller-Riegele, Betreiber des Riegele-Biergartens in der Augsburger Innenstadt, ist nicht ganz so euphorisch. Noch kann er nicht zusagen, dass er definitiv die Tore öffnet, sobald die Zahlen in Augsburg das zulassen. „Wir hoffen es.“Die Testpflicht kann PrillerRiegele nicht nachvollziehen. „Im Außenbereich findet laut der Wissenschaft fast keinerlei Ansteckung statt.“Zusammen mit dem organisatorischen Aufwand und rechtlichen Fragestellungen werde das dazu führen, dass viele Gastronomen nicht aufmachen können. Durch die AHA-Regeln verliere ein Gastronom mehr als 50 Prozent seiner Plätze. Priller-Riegele fordert „eine wirklich planbare Perspektive, die ein wirtschaftliches Arbeiten zulässt“. Die Dehoga setzt sich daher für inzidenzunabhängige Öffnungen ein. Die Schutz- und Hygienekonzepte aus dem vergangenen Sommer hätten sich bewährt, sagt Geppert – auch in Innenräumen.
Für Hotels hingegen sieht er durch die neuen Regeln „eine echte Perspektive“. Aber finden sie so schnell genügend Personal? Schließlich sind sie auch auf Saisonkräfte angewiesen. „Man fährt so einen Betrieb nicht hoch, wie man einen Lichtschalter anmacht“, sagt Geppert. „Durch das Instrument der Kurzarbeit standen die Betreiber ständig in Kontakt mit vielen ihrer Mitarbeiter. Ich bin zuversichtlich, dass sie ihr Personal bekommen.“Im Hotel Oberstdorf im Allgäu rechnet die stellvertretende Leiterin Magdalena Sturm schon seit Wochen mit Lockerungen. Ihr Team fängt deswegen nicht bei null an. „Die Mitarbeiter waren abwechselnd vor Ort, keiner ist vollkommen raus. Wir wollten parat stehen, sobald etwas öffnen darf“, sagt Sturm. Täglich findet eine Besprechung statt, um zu klären, wie weiter verfahren wird. „Wir freuen uns sehr auf unsere Gäste. Da nimmt man den Stress gern in Kauf.“Jetzt häufen sich die Buchungsanfragen. Lebensmittel müssen bestellt, der Wellnessbereich hergerichtet werden – auch wenn Sturm noch nicht weiß, welche Hotelbereiche wieder geöffnet werden dürfen.
Olya Linnberg betreibt mehrere Hotels im Berchtesgadener Land. Seit der Pressekonferenz von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag steht das Telefon für Buchungen nicht mehr still. Für Linnberg heißt das: „Action, Action, Action. Ich telefoniere überall herum, dass ich meine Leute, auch die aus dem Ausland, für den Start wiederbekomme.“Die Hotelchefin überlegt, eine Schnellteststation einzurichten. „Wir haben im vergangenen Jahr gesehen, dass nicht jeder so diszipliniert ist und sich an die Hygieneregeln hält. Wenn die Gäste bei der Ankunft einen Schnelltest machen, hätte ich ein gutes Gefühl.“
Bedenken hat Linnberg allerdings, was die Grenze der 100er-Inzidenz anbelangt. „Ich würde mir wünschen, dass nicht die Werte des Landkreises zählen, sondern dass man sich an den Inzidenzwerten der einzelnen Städte und Gemeinden orientiert.“Diese seien viel aussagekräftiger. Für die Planungen könnte die Orientierung an der 100er-Marke zur Herausforderung werden. „Wenn ein Gast für zehn Tage bucht, der Wert dann aber überschritten wird, was dann? Soll ich ihn rausschmeißen?“
Auch für das Hotel Platzl in München sind noch viele Fragen ungeklärt – zu viele. Die Betreiber denken an die Situation im März. Damals hatte die Politik Lockerungen in Aussicht gestellt – und sich doch dagegen entschieden. „Wir haben alle Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückgeholt und auf unsere Serviceabläufe und Hygienestandards geschult. Wir haben Ware eingekauft, Karten geschrieben, Promoaktionen vorbereitet. Wir haben alle Bereiche gereinigt und dekoriert.“Umsonst. „Um den gleichen Fehler nicht erneut zu machen und in kein Kostenrisiko zu gehen, beobachten wir die Entscheidungen der Politik und warten eine verbindliche Entscheidung der Stadt ab.“