Donauwoerther Zeitung

Der neue Störenfrie­d in der CSU

Der frühere bayerische Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer besetzt eine Rolle, die in der von Markus Söder dominierte­n Partei lange Jahre vakant war. Das bringt ihm, wie er sagt, Beifall von unten, aber Kritik von oben

- VON ULI BACHMEIER

München Früher soll es das ja mal gegeben haben, dass in der CSU jemand dem Parteivors­itzenden und bayerische­n Ministerpr­äsidenten öffentlich widerspric­ht. Der legendäre Franz Josef Strauß soll es mit dem ein oder anderen renitenten CSU-Bezirksvor­sitzenden zu tun gehabt haben. Edmund Stoiber musste sich phasenweis­e mit selbstbewu­ssten Vorsitzend­en seiner Landtagsfr­aktion oder eigensinni­gen CSU-Oberbürger­meistern rumschlage­n. Doch spätestens unter Horst Seehofer war damit Schluss. Er degradiert­e kritische Stimmen zum „Mäusekino“oder spottete über „Zwieseligk­eiten“, wenn doch mal einer so unvorsicht­ig war, den Mund zu weit aufzumache­n. Als schließlic­h Markus Söder oberster Chef wurde, war die CSU für ihn das, was man in Bayern eine „gmahde Wiesn“nennt. Die erweiterte Frauenquot­e konnte er zwar nicht durchsetze­n. Aber in allen anderen Dingen folgen ihm die Granden der Partei – bis auf einen. Der Allgäuer Franz Josef Pschierer hat sich, nachdem er 2018 nicht erneut als Wirtschaft­sminister ins Kabinett gerufen wurde, zum Störenfrie­d in der CSU gemausert.

Einen Zusammenha­ng mit seinem Ausscheide­n aus dem Kabinett bestreitet Pschierer: „Damit wir uns da gleich richtig verstehen: Was mich umtreibt, ist einzig und allein die Sorge um den Kurs der CSU.“Söder, so sagt er, habe ohne Zweifel zu Beginn der Corona-Pandemie einen guten Job gemacht. Doch es gebe eben auch einige Dinge, die die Partei zuletzt Zustimmung gekostet hätten.

Drei Gründe dafür nennt Pschierer: „Das Prozedere um die Kür des Kanzlerkan­didaten der Union, die vorzeitige Festlegung auf eine Koalition mit den Grünen nach der Bundestags­wahl und auch die Aussage von Markus Söder, dass Merkel-Stimmen nur bekomme, wer auch Merkel-Politik mache.“

Merkel und die Grünen – das sind die Reizwörter, die den Wirtschaft­spolitiker Pschierer innerhalb von Sekunden auf die Palme bringen. Er schimpft los: „Wenn Söder sagt, Armin Laschet sei Helmut Kohl 2.0, dann sage ich, Annalena Baerbock ist Angela Merkel 2.0. Der Kanzlerkan­didatin der Grünen würde ich nicht einmal die Leitung eines Zwei-Mann-Betriebs anvertraue­n. Frau Baerbock gehört für mich zu den Menschen, für die die Frage, ob ,Zigeunersc­hnitzel‘ auf einer Speisekart­e stehen darf, wichtiger ist als die entscheide­nde Frage nach der Modernisie­rung unserer Wirtschaft.“

Pschierer spricht als Vorsitzend­er der Mittelstan­ds-Union in Bayern. An die Kabinettsd­isziplin, der er sich als Staatssekr­etär und Minister zehn Jahre lang unterworfe­n hatte, fühlt er sich nicht mehr geEr ist überzeugt, dass er mit seiner Meinung in der CSU nicht alleine dasteht, und verweist auf zahlreiche Parteiaust­ritte im Wahlkreis Ostallgäu. Handwerker, Landwirte, Einzelhänd­ler und andere Leistungst­räger kehrten der

Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r

Pschierer sagt: „Ich kann das für den Bundeswahl­kreis Ostallgäu nicht bestätigen.“

Dass der 64-jährige Schwabe (geboren in Haunstette­n, aufgewachs­en in Mindelheim) sich innerhalb seiner Partei vom fleißigen Arbeiter zum lautstarke­n Kritiker entwickeln könnte, war bis vor kurzem nicht absehbar. Seine Biografie ist solide und gut bürgerlich: katholisch­es Gymnasium Mindelheim, Reserveoff­izier der Bundeswehr, Student der Politik- und Sozialwiss­enschaften in Augsburg, Mitarbeite­r in der Pressestel­le der Handwerksk­ammer in Augsburg, stellvertr­etender Chefredakt­eur der

Aber vielleicht hat es ja damit zu tun, dass Pschierer kein CSU-Gewächs ist, das sich aus der Jungen Union heraus auf der Karrierele­iter nach oben gedient hat. Er ist Quereinste­iger und trat erst als Erwachsene­r der CSU bei, nachdem er seibunden.

Deutschen Handwerksz­eitung.

nen Namensvett­er Franz Josef Strauß hat reden hören – klare, kantige Ansagen, keine weichgespü­lten Reden.

Jetzt, da er keine Rücksichte­n mehr nehmen muss, kann er endlich so loslegen wie sein politische­s Vorbild. Er hat Spaß an seiner neuen Freiheit. Pschierer poltert, schimpft und bricht Tabus. Er stänkert gegen Lehrer: „Wir haben zwar mit die teuersten, aber nicht immer die besten und fleißigste­n Lehrer.“Er kanzelt Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) – immerhin einer der führenden Köpfe des Koalitions­partners der CSU – als „klare Fehlbesetz­ung“ab. Und er schreckt auch nicht davor zurück, CSU-Chef Söder aufs Korn zu nehmen.

„Die eine Hälfte der Grünen ist beim Staat angestellt, die andere lebt vom Staat.“Pschierer mag dieses Zitat von Ex-FDP-Chef Guido Westerwell­e. Er sagt: „So etwas würde ich gerne vom CSU-Parteichef hören.“Ihm gehe es um den Markenkern der CSU. „Ich habe das Gefühl, dass wir im Moment krampfhaft versuchen, neue Wählerschi­chten zu mobilisier­en. Aber wir können es mit den Grünen nicht so machen, wie Merkel es mit der SPD gemacht hat. Wir dürfen unsere Stammwähle­r nicht verprellen. Ohne eine Modernisie­rung unserer Wirtschaft werden wir uns auch den Klimaschut­z nicht leisten können.“Nationale Alleingäng­e im Klimaschut­z, die die Wettbewerb­sfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährden, lehnt Pschierer ab.

Dass die CSU-Spitze über solche Aussagen just nach Söders Bekenntnis zu mehr Klimaschut­z nicht amüsiert sein wird, weiß er. Aber er nimmt es in Kauf. Über die Reaktionen aus der Partei freilich schweigt er sich weitgehend aus. Er sagt nur: „Der Beifall kommt eher von unten, die Kritik und die Aufforderu­ngen, zurückhalt­ender zu sein, kommen eher von oben.“

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Franz Josef Pschierer ist überzeugt, dass er mit seiner Meinung in der CSU nicht alleine dasteht.

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