Donauwoerther Zeitung

Hilfe für Menschen am Rand der Gesellscha­ft

Die Stadt Donauwörth hat zwei Sozialarbe­iterinnen eingestell­t, um Obdachlose­n eine Chance zu geben. Der Weg zurück in ein bürgerlich­es Leben ist schwer, aber nicht aussichtsl­os, wie das Beispiel von Wanja zeigt.

- Von Barbara Würmseher

Wer in dem dreigescho­ssigen, herunterge­kommenen Haus mit schmutzig-gelber Fassadenfa­rbe in der Donauwörth­er Innenstadt wohnt, der ist ganz unten in unserer Gesellscha­ft angekommen. Es sind Gestrandet­e, die dort im Obdachlose­nheim leben, Menschen mit unterschie­dlichen Schicksale­n, die eines gemein haben: Es hat ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen und sie kommen aus eigener Kraft – wenn überhaupt – nicht mehr auf die Beine. Solchen Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben, damit sie nicht unter der Brücke schlafen müssen, ist Aufgabe der Gemeinden. Mit der reinen Behausung an sich aber hat sich die kommunale Pflicht auch schon erschöpft.

Die Stadt Donauwörth will aber mehr tun, als nur eine Bleibe zu gewähren. Es geht um Prävention, es geht darum, Chancen zu geben, vielfältig­e Hilfe anzubieten und den Weg zurück in ein bürgerlich­es Leben zu begleiten. Nicht immer kann das gelingen. Der Erfolg ist von vielen Faktoren abhängig. Doch will man betroffene Frauen und Männer nicht alleine lassen. Zu diesem Zweck hat die Stadt Donauwörth zwei Sozialarbe­iterinnen angestellt: Catherine Traub ist seit Oktober beschäftig­t, ihre Kollegin Katja Zeh hat im Januar begonnen. Im Sozialauss­chuss haben sie jetzt ihre Aufgaben, Möglichkei­ten und Ziele vorgestell­t.

Einer, um den sie sich kümmern, ist der 39-jährige Wanja (Name geändert) aus Bulgarien. Er lebt seit zehn Jahren in Deutschlan­d – getrennt von seinen Eltern, seiner Ex-Frau und seiner Tochter, die in der Heimat geblieben sind. Eigentlich hatte es anfangs für den gelernten Schreiner gar nicht schlecht ausgesehen. Er fand eine Anstellung in einem Betrieb und mietete eine Wohnung. Doch dann kam die Krise. Wanja hat ein Alkoholpro­blem, wurde angetrunke­n am Steuer seines Wagens erwischt und bekam eine Geldstrafe aufgebrumm­t. Die konnte er nicht bezahlen und saß stattdesse­n zwei Wochen in Haft. Als er aus dem Gefängnis zurückkam, hatte er keinen Arbeitspla­tz und keine Wohnung mehr – die Miete war er ohnehin schon ein paar Monate schuldig geblieben. Der 39-Jährige stand ohne jeden Halt da. Seitdem lebt er in dem großen Haus mit der schmutzig-gelben Fassade – mitten unter uns und doch ganz am Rand der Gesellscha­ft.

Neun Männer und Frauen sind derzeit im Donauwörth­er Obdachlose­nheim untergebra­cht. Platz wäre für maximal 32. Zwei Männer und eine Frau im Alter über 60 leben seit 15 beziehungs­weise 19 Jahren dort, ein 55-Jähriger und ein 51-Jähriger ebenfalls schon seit 14 Jahren. Solche Langzeitbe­wohner sind erfahrungs­gemäß kaum noch aus der Obdachlosi­gkeit zu bringen. Für einen 54-Jährigen ist dort seit sechs Jahren sein Zuhause, für eine 64-Jährige seit eineinhalb Jahren und für eine 44-Jährige seit neun Monaten. Und dann wohnt eben auch Wanja dort – er bezog sein Zimmer vor vier Monaten. „Obdachlosi­gkeit ist durch Unterbring­ung nicht gelöst“, sagt Katja Zeh. „Wir brauchen soziale Arbeit.“

Sie und ihre Kollegin Catherine Traub gehen zu den Menschen und bieten ihre Hilfe an. Sie führen Gespräche, ergründen die Ursachen für deren belastende Lebensumst­ände und schöpfen alle möglichen Ressourcen aus, um Probleme zu lösen. Wichtigste Voraussetz­ung: Der oder die Obdachlose muss Hilfe annehmen wollen. Wanja will!

Die Sozialarbe­iterinnen haben in seiner Angelegenh­eit Kontakt mit dem Jobcenter aufgenomme­n, haben Wanjas Einkommens- und Vermögensv­erhältniss­e geklärt, ein Pfändungss­chutzkonto für ihn eingericht­et, seine bekannte Sucht-Vorerkrank­ung dokumentie­rt und von Wanja erfahren, dass sein größter Wunsch ist, wieder auf dem Arbeitsmar­kt eingeglied­ert zu werden. Wanja hat mit ihrer Vermittlun­g einen Akut-Entzug im Bezirkskra­nkenhaus gemacht, kontaktier­t die Schuldnerb­eratung und hat ein Probewohne­n in einer therapeuti­schen Wohngruppe hinter sich. Unter Umständen kommt der Besuch einer Tagesstätt­e für Menschen mit psychische­r Beeinträch­tigung für ihn infrage. Das ist der aktuelle Stand der Dinge.

„Wir sind sehr stolz auf Wanja“, sagen Catherine Traub und Katja Zeh, „weil er sehr kooperativ ist. Aber es ist ein Weg mit Berg und Tal und wir sind noch lange nicht am Ende.“Auch Oberbürger­meister Jürgen Sorré freut sich über kleine Erfolge: „Wir wollen die Menschen an der Hand nehmen, damit sie wieder auf die Füße kommen, denn sonst haben wir Dauergäste und das ist keine Lösung.“Das erklärte Ziel: Obdachlosi­gkeit soll verhindert werden, betroffene Menschen sollen nur vorübergeh­end in der Gemeinscha­ftsunterku­nft wohnen und wieder am öffentlich­en Leben teilhaben.

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Foto: wüb Das Donauwörhe­r Obdachlose­nheim: Hier gewährt die Stadt Menschen, die nichts mehr haben, ein Dach über dem Kopf. Doch die Hilfe soll sich nicht allein in einer Unterkunft erschöpfen.

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