Hilfe für Menschen am Rand der Gesellschaft
Die Stadt Donauwörth hat zwei Sozialarbeiterinnen eingestellt, um Obdachlosen eine Chance zu geben. Der Weg zurück in ein bürgerliches Leben ist schwer, aber nicht aussichtslos, wie das Beispiel von Wanja zeigt.
Wer in dem dreigeschossigen, heruntergekommenen Haus mit schmutzig-gelber Fassadenfarbe in der Donauwörther Innenstadt wohnt, der ist ganz unten in unserer Gesellschaft angekommen. Es sind Gestrandete, die dort im Obdachlosenheim leben, Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen, die eines gemein haben: Es hat ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen und sie kommen aus eigener Kraft – wenn überhaupt – nicht mehr auf die Beine. Solchen Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben, damit sie nicht unter der Brücke schlafen müssen, ist Aufgabe der Gemeinden. Mit der reinen Behausung an sich aber hat sich die kommunale Pflicht auch schon erschöpft.
Die Stadt Donauwörth will aber mehr tun, als nur eine Bleibe zu gewähren. Es geht um Prävention, es geht darum, Chancen zu geben, vielfältige Hilfe anzubieten und den Weg zurück in ein bürgerliches Leben zu begleiten. Nicht immer kann das gelingen. Der Erfolg ist von vielen Faktoren abhängig. Doch will man betroffene Frauen und Männer nicht alleine lassen. Zu diesem Zweck hat die Stadt Donauwörth zwei Sozialarbeiterinnen angestellt: Catherine Traub ist seit Oktober beschäftigt, ihre Kollegin Katja Zeh hat im Januar begonnen. Im Sozialausschuss haben sie jetzt ihre Aufgaben, Möglichkeiten und Ziele vorgestellt.
Einer, um den sie sich kümmern, ist der 39-jährige Wanja (Name geändert) aus Bulgarien. Er lebt seit zehn Jahren in Deutschland – getrennt von seinen Eltern, seiner Ex-Frau und seiner Tochter, die in der Heimat geblieben sind. Eigentlich hatte es anfangs für den gelernten Schreiner gar nicht schlecht ausgesehen. Er fand eine Anstellung in einem Betrieb und mietete eine Wohnung. Doch dann kam die Krise. Wanja hat ein Alkoholproblem, wurde angetrunken am Steuer seines Wagens erwischt und bekam eine Geldstrafe aufgebrummt. Die konnte er nicht bezahlen und saß stattdessen zwei Wochen in Haft. Als er aus dem Gefängnis zurückkam, hatte er keinen Arbeitsplatz und keine Wohnung mehr – die Miete war er ohnehin schon ein paar Monate schuldig geblieben. Der 39-Jährige stand ohne jeden Halt da. Seitdem lebt er in dem großen Haus mit der schmutzig-gelben Fassade – mitten unter uns und doch ganz am Rand der Gesellschaft.
Neun Männer und Frauen sind derzeit im Donauwörther Obdachlosenheim untergebracht. Platz wäre für maximal 32. Zwei Männer und eine Frau im Alter über 60 leben seit 15 beziehungsweise 19 Jahren dort, ein 55-Jähriger und ein 51-Jähriger ebenfalls schon seit 14 Jahren. Solche Langzeitbewohner sind erfahrungsgemäß kaum noch aus der Obdachlosigkeit zu bringen. Für einen 54-Jährigen ist dort seit sechs Jahren sein Zuhause, für eine 64-Jährige seit eineinhalb Jahren und für eine 44-Jährige seit neun Monaten. Und dann wohnt eben auch Wanja dort – er bezog sein Zimmer vor vier Monaten. „Obdachlosigkeit ist durch Unterbringung nicht gelöst“, sagt Katja Zeh. „Wir brauchen soziale Arbeit.“
Sie und ihre Kollegin Catherine Traub gehen zu den Menschen und bieten ihre Hilfe an. Sie führen Gespräche, ergründen die Ursachen für deren belastende Lebensumstände und schöpfen alle möglichen Ressourcen aus, um Probleme zu lösen. Wichtigste Voraussetzung: Der oder die Obdachlose muss Hilfe annehmen wollen. Wanja will!
Die Sozialarbeiterinnen haben in seiner Angelegenheit Kontakt mit dem Jobcenter aufgenommen, haben Wanjas Einkommens- und Vermögensverhältnisse geklärt, ein Pfändungsschutzkonto für ihn eingerichtet, seine bekannte Sucht-Vorerkrankung dokumentiert und von Wanja erfahren, dass sein größter Wunsch ist, wieder auf dem Arbeitsmarkt eingegliedert zu werden. Wanja hat mit ihrer Vermittlung einen Akut-Entzug im Bezirkskrankenhaus gemacht, kontaktiert die Schuldnerberatung und hat ein Probewohnen in einer therapeutischen Wohngruppe hinter sich. Unter Umständen kommt der Besuch einer Tagesstätte für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung für ihn infrage. Das ist der aktuelle Stand der Dinge.
„Wir sind sehr stolz auf Wanja“, sagen Catherine Traub und Katja Zeh, „weil er sehr kooperativ ist. Aber es ist ein Weg mit Berg und Tal und wir sind noch lange nicht am Ende.“Auch Oberbürgermeister Jürgen Sorré freut sich über kleine Erfolge: „Wir wollen die Menschen an der Hand nehmen, damit sie wieder auf die Füße kommen, denn sonst haben wir Dauergäste und das ist keine Lösung.“Das erklärte Ziel: Obdachlosigkeit soll verhindert werden, betroffene Menschen sollen nur vorübergehend in der Gemeinschaftsunterkunft wohnen und wieder am öffentlichen Leben teilhaben.