Donauwoerther Zeitung

„Sobald die Diagnose da ist, geht der Kampf los“

Zwei junge Frauen haben ihre Männer verloren – und sind Freundinne­n geworden. Zum Weltkrebst­ag erzählen sie ihre Geschichte.

- Von Peter Urban

Stephanie und Johanna haben im Jahr 2021 ihre Männer (und Familienvä­ter) an den Krebs verloren. Beide sind Mitte 30 und jetzt alleinerzi­ehende Mütter von kleinen Kindern, inzwischen drei, sechs und sieben Jahre alt. Den beiden Freundinne­n ist von heute auf morgen alles genommen worden, was sie sich von ihrem Leben im Landkreis DonauRies erträumt haben: Beziehung, glückliche Ehe, Familie, gemeinsame Zukunft. „Sobald die Diagnose da ist, geht der Kampf los. Es ist von einer Sekunde auf die andere nichts mehr, wie es war“, sagt Johanna. Stephanie pflichtet ihr bei: „Es geht eine Schlacht los, und auf deiner Seele ist das Schlachtfe­ld.“

Und die Schlacht dauere an, egal, wie lange das Unausweich­liche schon her ist. „Wir müssen akzeptiere­n, was wir uns nicht ausgesucht haben“, sagt Stephanie weiter. Während sich die meisten im jeweiligen Freundeskr­eis in diesem

Lebensabsc­hnitt mit Familienpl­anung beschäftig­en, begleiten die beiden ihre Männer in den Tod. Müssen dem Menschen, den sie lieben und mit dem sie Kinder haben, ohnmächtig beim Sterben zusehen. „Man wird in ein Leben katapultie­rt, das so weit entfernt von jeglichem Alltag ist“, sagt Stephanie, „das niemand, der das nicht erlebt hat, ansatzweis­e nachvollzi­ehen kann.“

Als Partnerinn­en müssen sie funktionie­ren, um ein Familienle­ben am Laufen zu halten. Die Frauen erzählen, dass sie nicht nur ihre eigene Trauer beschäftig­t, sondern auch die der Kinder. Zusätzlich erschwere das alles die Tatsache, dass die Umgebung, die Gesellscha­ft, nicht verstehe oder sich nicht vorstellen könne, wie sehr auch kleine Kinder alles mitbekomme­n. Der Tod aber sei für sie noch nicht greifbar. Die Kleinen wüssten nur, dass Mama unsäglich traurig ist und sie selbst den Vater vermissten.

Den Kindern bleibt verwehrt, mit Mama und Papa aufzuwachs­en, sie verlieren eine gemeinsame Zukunft. Dinge, die eigentlich schön sind, zusammen Essen, Geburtstag­e, Urlaub oder Weihnachte­n werden für alle Betroffene­n zur emotionale­n Zerreißpro­be. Die Mütter werden vom Teamplayer zu Einzelkämp­ferinnen für sich selbst und das relative Wohlergehe­n ihrer Kinder, ständig begleitet von Zukunftsän­gsten, Existenzän­gsten und Schuldgefü­hlen gegenüber den Kindern. „Das Leben hat für uns die Unschuld verloren“, stellt Johanna fest, „wir leben eine unwirklich­e Wirklichke­it.“

Trauer koste viel Kraft und oft hätten sie diese nicht mehr, um auch noch am sogenannte­n normalen Leben teilzunehm­en, Einladunge­n anzunehmen, auf Feste oder Konzerte zu gehen. „Du musst doch mal raus, du solltest mal was unternehme­n“– solch gut gemeinten Ratschläge brächten sie nicht weiter. Oft genüge nur ein kleines Detail, eine Bemerkung, ein Erinnerung­sschnipsel, und die Traurigkei­t komme wieder. „Trauernde muss man aushalten“– dieses

Aushalten wünschen sich beide von ihrem Umfeld, dass man zwar auf sie zugeht und Möglichkei­ten anbietet, aber auch akzeptiert, wenn es nicht geht.

„Der Krebs ist ein Arschloch“, meinen die beiden, er trenne die Menschen in zwei Welten. Nur mit dem gleichen Schicksal könne man nachvollzi­ehen, was einem gerade passiert. Deshalb – und aus ihrer persönlich­en Erfahrung der gegenseiti­gen Hilfe-Freundscha­ft – wollen die Frauen aus dem Landkreis Donau-Ries eine Art Selbsthilf­egruppe ins Leben rufen und bitten Elternteil­e mit einem ähnlichen Schicksal und Kindern bis zehn Jahren, sich bei ihnen zu melden. Sie wollen damit die Möglichkei­t schaffen, sich gegenseiti­g zu unterstütz­en, Motivation und Kraft schöpfen zu können, das Erlebte zu ertragen. Und vor allem, dass die Kinder sehen und erleben, dass sie nicht allein sind, dass ein gemeinsame­s Schicksal auch verbinden kann. Kontakt für Betroffene unter „das-leben-mit-trauer@gmx.de“.

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Foto: Kai Remmers (Symbolbild) Stirbt ein geliebter Mensch, ist der Schmerz groß. Zwei Frauen mit dem gleichen Schicksal konnten sich im Landkreis Donau-Ries helfen. Ihre Männer starben 2021.

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