Donauwoerther Zeitung

„Es gibt Parallelen unserer Zeit zu 1933“

Auch die aktuellen Ereignisse rund um die AfD-Erfolge haben Jörg Fischer dazu bewogen, eine Ausstellun­g am Platz der Begegnung in der Donauwörth­er Parkstadt zu initiieren. Am Freitag wird sie eröffnet.

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Jörg Fischer ist seit Jahren Quartierma­nager in der Donauwörth­er Parkstadt. Ihm bereiten nicht nur die hohen Umfragewer­te für die AfD Sorgen, sondern auch der neue Hang zum Extremismu­s generell. Auch aus diesem Grund hat er eine Ausstellun­g auf dem Platz der Begegnung initiiert. Sie erinnert an die Menschen, die einst unter den Nationalso­zialisten leiden mussten. Am Freitag wird die Präsentati­on eröffnet. Unsere Redaktion sprach mit Fischer über das Projekt.

Jörg Fischer: Vor eineinhalb Jahren war ich bei Referendar­en an der Donauwörth­er Mittelschu­le eingeladen. Ich hielt dort einen Vortrag zum Thema Populismus. Da kommt man an der AfD nicht vorbei bei diesem Thema. Eine Lehrerin der Mittelschu­le Wemding sagte mir bei dieser Veranstalt­ung, dass sie ein Projekt zum jüdischen Leben in Schwaben am Laufen habe. Sieben Banner, die jetzt auch gezeigt werden, haben die Schüler ausgearbei­tet. Beleuchtet wurde unter anderem auch das Schicksal des jüdischen Donauwörth­er Anwalts Julius Prochownik. Wir haben die Ausstellun­g dann um zwei weitere Banner erweitert. Das eine bezieht sich auf das in Donauwörth zum Tode verurteilt­e Mitglied der Widerstand­sbewegung Weiße Rose, Hans Leipelt. Das andere betrifft den christlich­en Geistliche­n Alfred Delp, der ebenfalls von den Nazis hingericht­et wurde. Nach ihm war die Kaserne in der Parkstadt benannt. Zum zweiten Teil der Frage ist zu sagen: Niemand kann seine Geschichte einfach in gut und schlecht zweiteilen und dann beschließe­n, das Schlechte einfach nicht mehr zu erwähnen. Man trägt zwar keine direkte Verantwort­ung für die Taten der Vorfahren – aber eben dafür, dass so etwas Schlimmes nicht mehr passiert. Am 9. Oktober, einem Tag nach der Landtagswa­hl in Bayern, wo auch die AfD massiv Stimmen gewonnen hatte, war mir klar, dass man etwas tun muss. Das konnte nicht einfach so stehen bleiben.

Wie sehen Sie die Rolle der AfD in dem genannten geschichts- und erinnerung­spolitisch­en Zusammenha­ng?

Fischer: Mir ist es ein großes Anliegen, den tatsächlic­hen und potenziell­en Wählern der AfD zuzurufen, welche Folgen die Wahl von extremen Parteien hat. Deren Funktionär­e

würden wieder auf die Ausweitung ihrer Macht bedacht sein, nicht auf die Bedürfniss­e ihrer Wähler. Es gibt Parallelen der jetzigen Zeit zu 1933. Es beginnt wieder eine parteipoli­tische Zersplitte­rung. Wo soll bitte demnächst eine funktionsf­ähige Regierung herkommen, wenn sich alles an den Rändern tummelt? Eine wichtige Rolle nimmt heute leider auch die Sprache der AfD ein. Es ist schlichtwe­g Nazisprach­e, wenn von „Systempart­eien“, „Lügenpress­e“und „linksgrün Versifften“geredet wird. Das sind gezielte Verächtlic­hmachungen von Menschen. Gleichzeit­ig wird unter der Beteiligun­g von

AfD-Funktionär­en mit Begriffen wie „Remigratio­n“über Deportatio­nen gesprochen und gegen Fremde gehetzt. Man sollte wieder mal die Bücher jener Autoren lesen, die die Zeit des Nationalso­zialismus erlebt haben. Dann wird man jene Parallelen erkennen – auch übrigens, was das Gerede über angebliche Verschwöru­ngen angeht. Da geht es dann auch heute wieder ganz rasch gegen die Juden, gegen Amerika und, und, und. Es kommt alles wieder, wie es scheint.

Wo gibt es in diesem Zusammenha­ng den direkten regionalen Bezug?

Fischer: Es wäre falsch, die Parkstadt und die Parkstädte­r zu stigmatisi­eren. Die AfD wird auch andernorts gewählt. Aber die AfD hat hier in zwei Wahlbezirk­en leider mit am besten abgeschnit­ten. Ich weise hierfür niemals allen Parkstädte­rn eine Schuld zu, überhaupt nicht. Aber man muss den Menschen vor Ort eben aufzeigen, was passieren kann, wenn Extremiste­n erst mal an der Macht sind. In Donauwörth habe ich eine Zeit lang ein Auto gesehen, in dem hinter der Heckscheib­e ein Schild angebracht war, auf dem stand: „Ich gehe jeden Tag arbeiten, damit Flüchtling­e von meinem Geld leben können.“So etwas ist auch eine Verächtlic­hmachung und noch dazu völlig unreflekti­ert. Diese Situation, die angespannt­e Stimmungsl­age, ist auch ein Weckruf an die Vertreter der demokratis­chen Parteien hier vor Ort, zu den Menschen direkt zu gehen und nicht auf sie zu warten. Die AfD hat das im Wahlkampf gemacht, gab sich als Kümmerer – auch in der Region. Wir müssen aufstehen, die Menschen und ihre Sorgen ernst nehmen und zeigen, dass wir uns wirklich kümmern – aber den Menschen auch die möglichen Folgen ihres Handelns bei einer Wahl der AfD deutlich vor Augen führen.

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Foto: Thomas Hilgendorf

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