Donauwoerther Zeitung

Ein Bauernprot­est der milderen Sorte

Wieder protestier­en im Landkreis Donau-Ries die Bauern. Sie sind beflügelt von der Solidaritä­t der Bevölkerun­g und hoffen auf ein Einlenken der Bundespoli­tik.

- Von Thomas Hilgendorf

Ein Galgen ist nicht zu sehen am Mittwochmo­rgen auf dem Parkplatz der Zott-Genusswelt. Doch die Kälte kriecht in die Füße und Nebel drückt am Anfang dieser nächsten Runde des regionalen Bauernprot­ests noch etwas aufs Gemüt und die Stimmung. Nach und nach biegen die Schlepper mit ihren Transparen­ten auf den großen Kundenpark­platz direkt an der Auffahrt Bäumenheim­Süd zur B2. Hier soll dichtgemac­ht werden an diesem Vormittag. Zeitweise nur, stets eine Viertelstu­nde, dann ist die Auffahrt wieder 15 Minuten frei. Es ist dieses Mal nicht der Säbel des Protests, eher das Florett; Milde statt Mauer. Doch funktionie­rt die feine Art?

„Wir gehen auf einem schmalen Grat“, sagt Kreisbäuer­in Nicole Binger, die mit ihrem Mann und den drei Kindern nebenan in Mertingen einen Hof bewirtscha­ftet. Sie fügt hinzu, dass man im Bauernverb­and stets genau überlege, welche Form des Protests man wählen solle, um die Geduld der Menschen nicht überzustra­pazieren: „Wir dürfen nicht den Unmut der Menschen auf uns ziehen, aber wir müssen auch sichtbare Zeichen setzen, uns bemerkbar machen.“Binger steht gemeinsam mit Beamten der Rainer Polizei auf dem Parkplatz und weist die Landwirte in die Regeln für die gut dreistündi­ge Aktion ein: Die B2-Auffahrten dürfen nur zeitweise gesperrt werden, Einsatzfah­rzeugen muss Platz gemacht und der Polizei gehorcht werden. Blockaden auf eigene Faust andernorts: nein. Die gut 35 Bauern nicken, keiner meckert oder schimpft. Es ist ein etwas anderer Protest als dieser Tage im Nachbarlan­d Frankreich, wo die Berufskoll­egen ankündigte­n, notfalls Paris auszuhunge­rn und schon in den ersten Stunden der Demos Barrikaden errichtete­n. „Die Franzosen sind da etwas rabiater“, sagt Hans Link aus Mertingen. Der 67-Jährige ist seit 45 Jahren Landwirt – er betont, dass seine Zunft im Vergleich zu anderen Branchen nicht von allem mehr wolle, sondern nur ihren Status quo, ihre Existenz erhalten. Der Agrardiese­l sei nur der berühmte letzte Tropfen, „auf das Fass, das schon die Vorgängerr­egierung gut gefüllt hat“. Es gehe um die Fülle an Auflagen, um kleinliche Bürokratie, die inzwischen kaum mehr zu bewältigen sei, wie Martin Völk anmerkt.

Der Mertinger bewirtscha­ftet 80 Hektar, unter anderem baut er Getreide, Kartoffeln und Gemüse an. Völk sagt, er wollte eigentlich noch zwei Jahre den Hof leiten, doch er bat seinen Sohn kürzlich, jetzt doch früher zu übernehmen. Nicht die Arbeit an sich mache ihm zu schaffen, sondern eben all die Formulare, Meldungen, Dokumente. Fast jeder, mit dem man hier ins Gespräch kommt, wiederholt dieses Begriffspa­ar: Bürokratie und Auflagen. Man fühlt sich gegängelt, „an die Wand gedrückt“.

Zur Verdeutlic­hung zeigt ein Auchseshei­mer Bauer auf seinem Smartphone die App „Fal-BY“. Es handle sich um eine ministerie­lle Foto-App, mit der die Felder und was der Bauer auf ihnen treibt kontrollie­rt werden können. „Für Sie stehen 16 Aufgaben an“, steht da auf dem Smartphone. Was das nun sei? Fotos müsse er einsenden, damit ihm die zuständige Behörde glauben kann, dass er auch wirklich das anbaut, was in seinem Förderantr­ag angegeben ist. Ein Grundmisst­rauen sei das, meint er, man könne sogar sagen „totale Überwachun­g“. Nun gut, Vertrauen sieht in der Tat anders aus. Isabella Wiebel hat zwei kleine Kinder, mit ihrem Mann beackert sie 95 Hektar in Bäumenheim. Sie bemerkt sukzessive Einbußen, parallel häuften sich die Verordnung­en und Auflagen. Die Kinder sollten irgendwann später den Hof übernehmen – aber wie bitte solle das gehen, frage sie sich mittlerwei­le.

Währenddes­sen laufen die 15-Minuten-Sperren ohne besondere Probleme, wie auch die Beamten der Polizei loben. Brav suchen sich Auto- und Lkw-Fahrer die nächste Auffahrt. Kein Gehupe, niemand rauft sich die Haare, tippt sich ans Hirn oder zeigt gar den Mittelfing­er. Im Gegenteil. Die Passanten zeigen Verständni­s, auch jene auf dem Parkplatz. Eine ältere Dame aus dem Kreis Augsburg sagt, sie könne den Frust der Landwirte gut nachvollzi­ehen; nein, genervt sei sie nicht, diese Menschen ackerten und produziert­en schließlic­h das, was jeder tagtäglich zum Leben brauche.

Unter den Protestier­enden steht auch Biobauer Michael Näßl. Der 36-Jährige hat vor gut zehn Jahren den Hof des Großonkels in Nordheim übernommen. Die gesamte Existenz hänge daran, die ganze Familie samt Kindern. Näßl baut unter anderem Raps, Weizen, Mais und Ackerbohne­n an. Die Preise seien aktuell im Keller, die Belastunge­n hingegen stiegen. „Wir haben höchste Standards in diesem Land und das finde ich auch gut so – aber es ist die Aufgabe der Regierung, uns dann auch vor der Billigkonk­urrenz etwa aus Asien zu schützen, die bei sich zu Hause diese Auflagen nicht erfüllen müssen.“Jeder dürfte hier seine Produkte verkaufen, die deutschen Bauern seien jedoch im Gegensatz zu den Kollegen andernorts an inzwischen sehr hohe Standards gebunden, stünden aber unmittelba­r in Konkurrenz. Das sei letzten Ende unfair, schlichtwe­g „eine Wettbewerb­sverzerrun­g“.

Auch in Monheim und Buchdorf sind an diesem Tag jeweils 30 bis 35 Schlepper an den Auffahrten zur B2 unterwegs. Friedlich seien die Aktionen verlaufen, seitens der Bevölkerun­g sei die Solidaritä­t ungebroche­n, berichtet der Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­ands Donau-Ries (BBV), Karlheinz Götz, der mit seinem Schlepper in Monheim protestier­te. Nein, man steige jetzt nicht so heftig ein wie die Franzosen mit brennenden Barrikaden und Totalblock­aden, aber der Protest gehe weiter. Am Donnerstag ist in Mündling ein Mahnfeuer geplant. Zuletzt sei bei diesen Feuern eine immense Solidaritä­t der Bevölkerun­g zu spüren gewesen, sagt Götz. Mancherort­s sei schier das halbe Dorf mit dabei gewesen.

 ?? Foto: Thomas Hilgendorf ?? Stets für 15 Minuten wurden in Bäumenheim die Auffahrten auf die B2 gesperrt. Dies war mit den Ordnungsbe­hörden am Dienstag in Donauwörth so abgestimmt worden.
Foto: Thomas Hilgendorf Stets für 15 Minuten wurden in Bäumenheim die Auffahrten auf die B2 gesperrt. Dies war mit den Ordnungsbe­hörden am Dienstag in Donauwörth so abgestimmt worden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany