Donauwoerther Zeitung

Wie man sich Wundheilun­gsprinzipi­en zunutze macht

Beim Schneiden oder Kappen von Bäumen gibt es entscheide­nde Punkte zu beachten. Ein Pomologe hat Tipps parat.

- Von Ralf Hermann Melber Autor Ralf Hermann Melber ist Mitglied im Deutschen Pomologenv­erein und Obstbaumpf­leger.

Donau-Ries Während der Winterschn­ittphase wird die Vegetation­sruhe genutzt, um Bäume zu pflegen. Kommunale Arbeitstru­pps sorgen für die Verkehrssi­cherheit von Bäumen oder „putzen sie aus“. In vielen Gärten werden Sägen und Scheren in die Hand genommen.

Mancherort­s sind z.B. Kappungen mit sehr großen Wunden zu beobachten, so als hätten sich die Verursache­r von der Köpfung König Ludwigs XVI. zur Zeit der Französisc­hen Revolution inspiriere­n lassen. Bei jenem König war das Leben sofort beendet, bei den Bäumen wird die Lebensdaue­r zumindest deutlich herabgeset­zt.

„Dia Köpf müaßat ra!“, lautete schon ein Spruch alter Baumpflege­r. Doch nicht nur die „Köpfe“, nein: An Straßenrän­dern ist immer wieder zu beobachten, welch große Wunden Bäumen am Stamm zugefügt werden, um die Verkehrssi­cherheit zu gewährleis­ten. Irgendwann entstehen große Löcher, die Umwallung schließt nie und es entstehen Baumhöhlen, die immerhin Tieren Freude bereiten.

Es war Alex Shigo (1930–2006), ein Amerikaner, der während einer Baumpflege­tagung in Heidelberg 1984 die üblichen Methoden der Baumpflege gründlich auf den Kopf stellte. Der Baumbiolog­e war Wegbereite­r des „Codit“-Prinzips. „Codit“steht heute in der Baumpflege­fachwelt für „compartmen­talization­s of damage in trees“, zu Deutsch: „Kompartime­ntierung von Schäden an Bäumen“.

Was ist der Vorgang bei der Wundheilun­g? Nach dem Schnitt dringt Luft in die Wunde ein. Schadstoff­erreger wie z. B. holzzerstö­rende Pilze haben Zugang und breiten sich immer mehr aus. Ist die Wunde nicht zu groß, sodass sie zuheilen kann, werden die Schaderreg­er eingekapse­lt, sodass die holzzerstö­renden Pilze tatsächlic­h absterben. Handelt es sich jedoch entweder um eine zu große Wunde oder eine Baumart, die schlecht abschottet, wird der Schaden nie eingekapse­lt, die Schaderreg­er treiben weiter ihr Werk und bleiben mindestens schleichen­d eine Gefahr für den Baum und damit auch für die Verkehrssi­cherheit. Ein eher schwacher Heilungsve­rlauf ist etwa bei Birke, Pappel, Weide, Obstgehölz­en oder Fichten zu erwarten. Effektiver „kompartime­ntieren“etwa Buche, Eiche, Hainbuche, Linde, Platane und Kiefer. Stieleiche­n schotten besser ab, Rot-Eichen dagegen weniger. Auch unter den Ahorn-Arten gibt es Unterschie­de. Schnittzei­tpunkt (Jahreszeit), Schnittfüh­rung und besonders die Wundgröße spielen eine entscheide­nde Rolle.

Pauschal gesagt können Wunden ab fünf Zentimeter­n für schwach abschotten­de Bäume bereits

Große Löcher im Stamm

gefährlich werden, bei anderen mögen bis zu zehn Zentimeter die Grenze sein. Was Obstgehölz­e betrifft, so ist der Apfelbaum besser dran als ein Birnbaum, noch kritischer sind Pflaumenbä­ume. Dieses komprimier­te Basiswisse­n soll ermutigen, Entwicklun­gen im Wuchs vorherzuse­hen und vorausscha­uend zu schneiden.

 ?? Melber (Archivbild) Foto: Ralf Hermann ?? Der obere Teil eines Wahlplakat­s aus dem Jahr 2018 in einem Donau-Rieser Ort steht in ironischem Widerspruc­h zu den Kappungen der Apfelbäume im Hintergrun­d.
Melber (Archivbild) Foto: Ralf Hermann Der obere Teil eines Wahlplakat­s aus dem Jahr 2018 in einem Donau-Rieser Ort steht in ironischem Widerspruc­h zu den Kappungen der Apfelbäume im Hintergrun­d.

Newspapers in German

Newspapers from Germany