Wie man sich Wundheilungsprinzipien zunutze macht
Beim Schneiden oder Kappen von Bäumen gibt es entscheidende Punkte zu beachten. Ein Pomologe hat Tipps parat.
Donau-Ries Während der Winterschnittphase wird die Vegetationsruhe genutzt, um Bäume zu pflegen. Kommunale Arbeitstrupps sorgen für die Verkehrssicherheit von Bäumen oder „putzen sie aus“. In vielen Gärten werden Sägen und Scheren in die Hand genommen.
Mancherorts sind z.B. Kappungen mit sehr großen Wunden zu beobachten, so als hätten sich die Verursacher von der Köpfung König Ludwigs XVI. zur Zeit der Französischen Revolution inspirieren lassen. Bei jenem König war das Leben sofort beendet, bei den Bäumen wird die Lebensdauer zumindest deutlich herabgesetzt.
„Dia Köpf müaßat ra!“, lautete schon ein Spruch alter Baumpfleger. Doch nicht nur die „Köpfe“, nein: An Straßenrändern ist immer wieder zu beobachten, welch große Wunden Bäumen am Stamm zugefügt werden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Irgendwann entstehen große Löcher, die Umwallung schließt nie und es entstehen Baumhöhlen, die immerhin Tieren Freude bereiten.
Es war Alex Shigo (1930–2006), ein Amerikaner, der während einer Baumpflegetagung in Heidelberg 1984 die üblichen Methoden der Baumpflege gründlich auf den Kopf stellte. Der Baumbiologe war Wegbereiter des „Codit“-Prinzips. „Codit“steht heute in der Baumpflegefachwelt für „compartmentalizations of damage in trees“, zu Deutsch: „Kompartimentierung von Schäden an Bäumen“.
Was ist der Vorgang bei der Wundheilung? Nach dem Schnitt dringt Luft in die Wunde ein. Schadstofferreger wie z. B. holzzerstörende Pilze haben Zugang und breiten sich immer mehr aus. Ist die Wunde nicht zu groß, sodass sie zuheilen kann, werden die Schaderreger eingekapselt, sodass die holzzerstörenden Pilze tatsächlich absterben. Handelt es sich jedoch entweder um eine zu große Wunde oder eine Baumart, die schlecht abschottet, wird der Schaden nie eingekapselt, die Schaderreger treiben weiter ihr Werk und bleiben mindestens schleichend eine Gefahr für den Baum und damit auch für die Verkehrssicherheit. Ein eher schwacher Heilungsverlauf ist etwa bei Birke, Pappel, Weide, Obstgehölzen oder Fichten zu erwarten. Effektiver „kompartimentieren“etwa Buche, Eiche, Hainbuche, Linde, Platane und Kiefer. Stieleichen schotten besser ab, Rot-Eichen dagegen weniger. Auch unter den Ahorn-Arten gibt es Unterschiede. Schnittzeitpunkt (Jahreszeit), Schnittführung und besonders die Wundgröße spielen eine entscheidende Rolle.
Pauschal gesagt können Wunden ab fünf Zentimetern für schwach abschottende Bäume bereits
Große Löcher im Stamm
gefährlich werden, bei anderen mögen bis zu zehn Zentimeter die Grenze sein. Was Obstgehölze betrifft, so ist der Apfelbaum besser dran als ein Birnbaum, noch kritischer sind Pflaumenbäume. Dieses komprimierte Basiswissen soll ermutigen, Entwicklungen im Wuchs vorherzusehen und vorausschauend zu schneiden.