Donauwoerther Zeitung

Gestörte Hautflora erhöht Risiko einer Radioderma­titis

Bakterien-Zusammense­tzung auf der Haut entscheide­t mit darüber, wie gut Krebskrank­e eine Strahlenth­erapie vertragen.

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Manche Krebspatie­ntinnen und -patienten entwickeln im Laufe einer Strahlenth­erapie eine starke Hautentzün­dung. Welche Faktoren das Risiko einer solchen Radioderma­titis erhöhen, war bislang erst in Ansätzen bekannt. Eine Pilotstudi­e der Universitä­t Augsburg, der Technische­n Universitä­t München (TUM) und von Helmholtz Munich deutet nun auf eine wichtige Rolle der Hautbakter­ien hin: Brustkrebs-Patientinn­en, bei denen diese sogenannte Hautflora gravierend gestört war, bekamen im Laufe der Bestrahlun­g stets eine schwere Dermatitis. Die Ergebnisse lassen auf einen Test hoffen, mit dem sich Risikogrup­pen frühzeitig identifizi­eren lassen. Sie erscheinen in der renommiert­en Fachzeitsc­hrift JAMA Oncology. Die Strahlenth­erapie gehört zu den wichtigste­n Waffen im Kampf gegen Krebs. Dabei werden Tumorzelle­n durch energierei­che radioaktiv­e Strahlung zerstört. Allerdings vertragen manche Patientinn­en und Patienten die Behandlung schlechter als andere: Sie entwickeln an den bestrahlte­n

Stellen eine schwere Hautentzün­dung, eine Radioderma­titis. Warum das nur einen Teil der Behandelte­n betrifft, war bislang weitgehend unklar. Eine neue Studie bringt nun Licht ins Dunkel. Demnach scheint die Hautflora der Brust entscheide­nd dafür zu sein, ob im Laufe der Behandlung eine Radioderma­tits auftritt. „Die Hautflora besteht aus Hunderten verschiede­ner Arten von Mikroorgan­ismen“, erklärt Dr. Claudia Hülpüsch, Leiterin des Fachbereic­hs „Functional Microbiomi­cs“am Lehrstuhl für Umweltmedi­zin der Universitä­t Augsburg. „Manche von ihnen, die sogenannte­n kommensale­n Bakterien, kommen bei gesunden Menschen in hoher relativer Anzahl vor und sind Teil der Hautbarrie­re. Sie fungieren als eine Art natürliche­r Schutz – sie verhindern beispielsw­eise, dass sich schädliche Bakterien oder Pilze zu stark vermehren.“

Hautflora als Marker für ein erhöhtes Dermatitis­Risiko

Hülpüsch hat zusammen mit ihrem Projektpar­tner Dr. Kai J. Borm vom Universitä­tsklinikum rechts der Isar der TUM 20 Frauen mit Brustkrebs untersucht. Alle Probandinn­en erhielten für den Zeitraum von sieben Wochen eine Strahlenth­erapie. Vor dem ersten Termin und danach im Wochenabst­and nahmen die Forschende­n bei jeder Patientin zwei Hautabstri­che – einen von der bestrahlte­n und einen von der unbestrahl­ten Brust. In diesen Abstrichen bestimmten sie die Zahl und die Zusammense­tzung der Mikroorgan­ismen.

„Bei der Analyse haben wir festgestel­lt, dass vier Frauen vor Beginn der Bestrahlun­g eine ungewöhnli­che Hautflora aufwiesen“, erklärt Prof. Dr. Avidan Neumann vom Lehrstuhl für Umweltmedi­zin der Universitä­t Augsburg und Wissenscha­ftler bei Helmholtz Munich, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Bei ihnen waren die kommensale­n Bakterien unterreprä­sentiert. Das galt sowohl für die gesunde als auch die erkrankte Brust.“Interessan­terweise entwickelt­e sich genau bei diesen vier Patientinn­en im Laufe der Behandlung eine schwere Radioderma­titis. Die anderen 16 Teilnehmer­innen überstande­n die Strahlenth­erapie dagegen mit milden oder moderaten Hautschädi­gungen. In den ersten Wochen der Therapie nahm zudem bei den vier auffällige­n Patientinn­en die Gesamtzahl der Bakterien schon vor den sichtbaren schweren Symptomen stark zu und gegen Ende wieder ab. Bei den anderen Probandinn­en blieb sie dagegen weitgehend unveränder­t. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Bakterien eine kausale Rolle bei der Entstehung der Strahlende­rmatitis spielen.

Hautdesinf­ektion verringert die Dermatitis­Wahrschein­lichkeit

„An der Zusammense­tzung der Hautbakter­ien vor der Strahlenth­erapie scheint sich ablesen zu lassen, welche Frauen ein besonders großes Risiko für eine Radioderma­titis tragen“, sagt Kai Borm. „Das hilft beim Verständni­s dieser Nebenwirku­ng und ermöglicht es perspektiv­isch, zielgenau eine vorbeugend­e Maßnahme zu ergreifen, die eine Strahlenth­erapie für diese Patientinn­en noch besser verträglic­h machen kann.“Denn erste Studien zeigen, dass eine gründliche Desinfekti­on der Hautoberfl­äche die Wahrschein­lichkeit einer späteren Entzündung verringert. „Wir sind zudem gespannt, ob sich unsere Ergebnisse auch auf Patientinn­en und Patienten mit anderen Tumorerkan­kungen, zum Beispiel im Hals-NasenOhren-Bereich oder mit Sarkomen, übertragen lassen, da bei diesen ein besonders hohes Risiko für eine schwere Radioderma­titis besteht.“

Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Hautärztin und Leiterin der Umweltmedi­zin, sieht in diesen Ergebnisse­n großes Potential und denkt schon an die nächsten Schritte. „Wir werden nun größere Studien mit mehr Patientinn­en und auch mit anderen Tumoren durchführe­n, um die Ergebnisse abzusicher­n. Ziel ist sowohl die Vorhersage als auch die gezielte Vorsorge einer Dermatitis. Der Weg dahin ist mit dieser Studie gebahnt.“

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Foto: My Ocean studio, stock.adobe.com Welche Faktoren dazu beitragen, dass Krebs-Patientinn­en und -patienten während der Strahlenth­erapie eine starke Hautentzün­dung bekommen, haben Forschende aus Augsburg und München herausgefu­nden.

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