Kriterien für Qualität und Effizienz im Englischunterricht
Gelingender Fremdsprachenunterricht hängt nicht von der Lehrpersönlichkeit ab.
Auch wenn sich Erwachsene in der Rückschau gerne an eine charismatische Lehrerin oder den einen mitreißenden Lehrer erinnern, ist es an der Zeit, gründlich mit der weitverbreiteten Meinung aufzuräumen, dass für gelingenden Unterricht die Persönlichkeit der Lehrkraft entscheidend sei.
Prof. Dr. Petra Kirchhoff, seit knapp einem Jahr Inhaberin des Lehrstuhls für Didaktik des Englischen an der Universität Augsburg, widerspricht dem entschieden: „Die ideale Lehrpersönlichkeit gibt es nicht. Vielmehr verstehen wir Lehrkräfte als Expertinnen und Experten, die sowohl in ihrem jeweiligen Fach, in der Fachdidaktik als auch in der Klassenführung über fundiertes Wissen verfügen. Der entscheidende Unterschied ist: Persönlichkeit kann man nicht lernen, die hat man. Aber Expertise kann man lernen. Und hier kommt die Didaktik ins Spiel.“
Guter Unterricht beginnt bei der Ausbildung
Zu einer guten Klassenführung gehört beispielsweise eine breite Aufmerksamkeit für das, was in der Klasse abläuft. Ebenso sind der Einstieg in eine Stunde oder sich wiederholende Routinen ausschlaggebend. „Das sind unglaublich komplexe Prozesse“, sagt Kirchhoff. Aufgrund dieser Komplexität sei es wichtig, den Studierenden des Lehramts Schritt für Schritt Kompetenzen zu vermitteln und ihnen ausreichend Raum zur Aneignung zu geben. „Deshalb halten wir es auch für falsch, angehende Lehrkräfte zu früh und mit vollen Verträgen in die Praxis zu schicken. Das kann nur zur Überforderung führen – nicht selten mit der fatalen Folge des Studienabbruchs.“Den idealen Weg lässt das Bayerische Bildungsministerium mit einer Expertenkommission erarbeiten, die Empfehlungen für die Lehrkräftebildung der Zukunft liefern wird. Erkenntnisse der Augsburger Forschung fließen dabei mit ein.
Fachliche Korrektheit – ein wichtiges Kriterium unter vielen
Zu den drei Basisdimensionen guten Unterrichts zählt die bereits erwähnte Klassenführung. Dann, dass die Kinder sich in der Klasse unterstützt und wahrgenommen fühlen, und schließlich ihre kognitive Aktivierung. Konkret für den Englischunterricht geschieht dies beispielsweise durch einen hohen Sprechanteil der Schülerinnen und Schüler in der Fremdsprache. Auch ein konstruktiver Umgang mit Fehlern und Feedbackmethoden sind nachweislich Stellschrauben für die Unterrichtsqualität, einem der Forschungsschwerpunkte von Petra Kirchhoff.
Im Frühjahr wird sie im Verbund mit den Universitäten
Erfurt und Regensburg eine interdisziplinäre Arbeit zu evidenzbasierten Gütekriterien veröffentlichen. Anders als im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich gibt es für die fremdsprachlichen Schulfächer bislang kaum umfassende Ansätze, die Kriterien definieren. „Natürlich gibt es sehr gute erfahrungsbasierte Vorstellungen davon, wie erfolgreicher Fremdsprachenunterricht aussehen kann. Zudem haben wir Erkenntnisse aus den wichtigsten Bezugsdisziplinen, der allgemeinen Lernpsychologie, der Pädagogik und der pädagogischen Psychologie, etwa zum kooperativen Lernen oder zum Einsatz von verschiedenen Medien. Aber es gibt noch zu wenig Transfer in beide Richtungen“, sagt Kirchhoff.
Effizienter Unterricht zeigt sich im Lernerfolg
Eine weitere Ebene, die für den Sprachunterricht noch
nicht gut erforscht ist, sind Effizienzmerkmale, also wie Lernziele erreicht werden. „Da legen wir gerade nach“, meint Kirchhoff. „Wir wissen, dass das fachliche Wissen der Lehrkräfte in Kombination mit Wissen über deren Vermittlung absolut entscheidend für den Lernerfolg ist. Die Ziele Qualität und Effizienz muss jede Lehrkraft in ihrer Unterrichtsplanung und -durchführung zusammenbringen.“Deshalb werden die
Studierenden in Augsburg vom ersten Semester an umfassend vorbereitet.
Als Absolventinnen und Absolventen gehen sie später mit einem breiten Repertoire an Handlungsmöglichkeiten in die Schule. Dort finden sie allerdings oft keine idealen Bedingungen vor. Kirchhoff hat ein Wunschziel: „Dass Fachlehrkräfte den Rücken freihaben von organisatorischen und sozialen Aufgaben, um ein hohes Maß an Unterrichtsqualität
realisieren zu können. Um Problemstellungen außerhalb des Fachunterrichts zu lösen, sollten sie Unterstützung von anderen Fachkräften aus IT-Administration, Sozialarbeit oder Schulpsychologie bekommen. Derzeit muss zu viel von den Lehrkräften aufgefangen werden. Fachdidaktisch guter Unterricht steht unter den aktuellen Voraussetzungen oft vor großen Herausforderungen.“