Donauwoerther Zeitung

Von jung bis alt, von konservati­v bis links

Tausende Menschen sind bei der Demonstrat­ion für Demokratie und Vielfalt in Nördlingen dabei. Die Redner betonen, wie wichtig es ist, jetzt für die gemeinsame­n Werte einzustehe­n.

- Von Martina Bachmann Kommentar

Selten sind so unterschie­dliche Gesellscha­ftsgruppen gemeinsam für eine Sache eingestand­en: In Nördlingen hat am Sonntagnac­hmittag eine Demonstrat­ion für Demokratie und Vielfalt stattgefun­den. Senioren, Jugendlich­e und Familien mit kleinen Kindern kamen, Linke und Konservati­ve standen Seite an Seite auf dem Marktplatz, Gläubige und Atheisten liefen gemeinsam durch die Stadt. Es war die erste Demo dieser Art im Landkreis Donau-Ries. Mit rund 500 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n hatten die Organisato­ren bei ihren ersten Planungen gerechnet. Gekommen waren so viele, dass sich eine Art Menschenke­tte durch die Nördlinger Innenstadt zog.

Denn als die letzten Demonstran­tinnen und Demonstran­ten vom Marktplatz wegliefen, kamen die ersten dort bereits wieder an – der Zug füllte also die Eisengasse, die Löpsinger Straße, die Schrannens­traße. Rund 3000 Menschen seien zur Veranstalt­ung gekommen, sagte Leon Florian vom Organisati­ons-Bündnis Demokratie und Vielfalt auf der Bühne. Der stellvertr­etende Dienststel­lenleiter der Polizeiins­pektion Nördlingen, Werner Mäder, sagte auf Anfrage unserer Redaktion, man gehe von

rund 2700 Teilnehmer­n aus. Der Polizeihau­ptkommissa­r sprach von einem „ganz friedliche­n Verlauf“, keine einzige Meldung sei bei ihm eingegange­n.

Die Menschen, die aus Dinkelsbüh­l, Itzing, Wemding oder Oettingen, ja aus der ganzen Region nach Nördlingen kamen, hatten zahlreiche Plakate mit dabei, auf denen sie ihre Meinung deutlich kund taten. Unter anderem war zu lesen: „Ich mag bunte Nudeln und keinen braunen Eintopf“, „Wählen gehen muss sein wie Zähne putzen, sonst wird’s braun“oder „Sogar die Kartoffel hat Migrations­hintergrun­d“. Mehrfach wurde die AfD auf den Plakaten direkt genannt, auf einem stand beispielsw­eise: „Wenn die AfD die Antwort ist, wie dumm war dann die Frage“. Eine Seniorin wurde im Rollstuhl

im Zug geschoben, auch sie hatte ein Schild dabei: „Omas gegen rechts“. Als Leon Florian von den Teilnehmer­n wissen wollte, für wen es die erste Demo gewesen ist, gingen gleich mehrere Hände nach oben.

So unterschie­dlich wie die Menschen bei dieser Demonstrat­ion, so vielfältig waren auch die Redebeiträ­ge. Oberbürger­meister David Wittner machte den Anfang, betonte, wie beeindruck­end und überwältig­end die Zahl der anwesenden Menschen sei. Das mache Mut und sende ein klares Zeichen aus. Applaus bekam Wittner unter anderem, als er betonte, dass in Nördlingen Menschen aus mehr als 100 Nationen lebten und arbeiteten. Der OB forderte alle auf, auch im Alltag eindeutig Flagge zu zeigen, ins Gespräch zu kommen, mit anderen in Kontakt zu treten: raus aus der eigenen Blase, rein ins echte Leben. Seine letzten Sätze gingen im Applaus unter: „Erheben wir unsere Stimme, gegen Hass und Hetze, und stehen wir ein für Demokratie und Vielfalt.“

Landrat Stefan Rößle betonte, Remigratio­n klinge vielleicht harmlos, bedeute aber nichts anderes als Deportatio­n. Man müsse jetzt aufpassen, dass man nicht zwei Fehler mache: vergessen und schweigen. Eindringli­ch erinnerte Rößle an die NS-Vergangenh­eit Deutschlan­ds, verwies auf die heutige Realität: „Lassen Sie uns das alles nicht kaputt machen.“Sigi Atzmon vom Freundeskr­eis der Synagoge Hainsfarth sagte: „Es reicht!“Man mache keinen fußbreit Platz für Menschenfe­indlichkei­t und Demokratie­verachtung. Dekan Gerhard Wolfermann von der evangelisc­hen Kirchengem­einde mahnte an, in der Sache klar zu bleiben – aber immer ja zu den Menschen zu sagen. Das braune Gedankengu­t reiche weit in die AfD hinein, betonte Wolfgang Peitzsch, Vorsitzend­er des DGB Donau-Ries: „Nie wieder ist jetzt.“Und die Grünen-Landtagsab­geordnete Eva Lettenbaue­r erinnerte: „Unsere Demokratie ist nicht sicher, wenn wir sie nicht verteidige­n.“

Ulrike Stowasser, Diözesanvo­rsitzende des Katholisch­en Deutschen

Frauenbund­es mahnte: „Hitler hat sich nicht selbst gewählt.“Die AfD zu wählen, sei kein Protest, sondern ein Pflasterst­ein für den Weg ins Elend und die Dunkelheit. SPD-Bundestags­abgeordnet­er Christoph Schmid ging auf die Remigratio­nspläne ein, betonte, man stehe auch für Nachbarn, für Kollegen, für Freunde hier: „Wir lassen uns das nicht gefallen.“CSU-Bundestage­sabgeordne­ter Ulrich Lange meinte, die demokratis­chen Parteien seien sich in wirtschaft­lichen, politische­n und gesellscha­ftlichen Fragen nicht immer einig.

Doch man stehe gemeinsam ein, für Werte, für die Demokratie, für die Verfassung. Kämpferisc­h gab sich Elisa Pfaff, Grünen-Kreisvorsi­tzende und Mitorganis­atorin: „Die AfD will, dass es den Menschen schlechter geht, denn dann geht es der AfD gut.“Man müsse laut widersprec­hen, wenn jemand Hetze weitertrag­e. Und: „Das hier ist der größte demokratis­che Protest, den Nördlingen je gesehen hat.“Der endete mit einem gemeinsame­n Lied auf die Melodie von „Hejo spann den Wagen an“. Zweite Bürgermeis­terin Rita Ortler stimmte an: „Wehrt euch, leistet Widerstand, gegen den Faschismus hier im Land, auf die Barrikaden, auf die Barrikaden.“Und die Menschen auf dem Marktplatz sangen mit.

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Fotos: Josef Heckl Tausende Menschen kamen am Sonntagnac­hmittag zur Demo für Demokratie und Vielfalt nach Nördlingen.
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Vorneweg am Protestzug: die zahlreiche­n Redner.

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