Donauwoerther Zeitung

Ein historisch­er Schatz, mitten in Leidling

Ernst Thaller aus Leidling im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen liebt Bücher. Mehr als 30.000 Stück finden sich in seiner Wohnung, die einem Museum gleicht.

- Von Katrin Kretzmann

Der eine mag den kunterbunt­en Stilmix, der andere bevorzugt eher minimalist­ische Moderne. Manch einer legt großen Wert auf Ordnung, manch anderer fühlt sich im geordneten Chaos wohler. Eine Wohnung sagt viel über die Persönlich­keit und den Charakter des Menschen aus, der darin lebt. Die vier Wände von Ernst Thaller aus dem Burgheimer Ortsteil Leidling gehören eher zur Kategorie bunt, vielfältig, aber auch historisch. Seine Wohnung gleicht fast einem Museum – und das liegt nicht nur an den über 30.000 Büchern, die sich darin finden.

Im Jahr 1949 stand Thaller vor der Wahl: Metzger oder Schreiner? Er entschied sich für Letzteres, schloss seine Lehre ab und hängte im Anschluss den Meister daran. Er arbeitete für große Firmen, war viel unterwegs, „habe ganz gut verdient“. Anfang der 60er-Jahre landete er in Leidling, wo er sich mit einer Schreinere­i selbststän­dig machte und sich sein Häuschen baute. Eine Ehe, fünf Kinder, gut vier Jahrzehnte Arbeit und finanziell schwierige Phasen, später gab er den Betrieb auf. „Es lohnte sich nicht mehr, wir mussten weite Wege gehen, um Arbeit zu finden“. Er übergab an seinen Sohn und der verkaufte alles – bis auf den ersten Stock des Hauses. „Dann habe ich mir hier mein Reich aufgebaut.“

Und dieses Reich gleicht einem Museum, beginnend mit der Küche. Während das Mobiliar eher schlicht ist, finden sich an den Wänden nicht nur bunte Wandfliese­n, sondern auch ringsherum Landschaft­smalereien. „Das habe ich für meine Enkelin machen lassen, von einem Maler aus dem Ries“, berichtet Ernst Thaller.

Zwei Räume weiter erinnert das Bad mit Kronleucht­er, antiken Statuen, bemalter Decke und vielen Bildern fast schon an eine herrschaft­liche Badestube. Im Schlafzimm­er findet sich ein altes Kirchenfen­ster aus Buntglas, das per Knopfdruck beleuchtet werden kann. „Das habe ich von einem Antiquität­enhändler gekauft, ich hatte damals eine schlechte Zeit, und die farbigen Bilder haben mich aufgebaut“, so der 88-Jährige.

Weiter geht es durch den mit Holzvertäf­elungen und Bildern verzierten Flur ins im Vergleich schlichte

Wohnzimmer und danach ins Billardzim­mer, gespickt mit Steinsäule­n aus einem alten Gasthof in Pfaffenhof­en, Bildern mit Motiven aus der ägyptische­n Mythologie – „ein Volk, das mich wahnsinnig interessie­rt“– sowie verzierten Dachfenste­rn, einem versteiner­ten Mammutbaum sowie jeder Menge Steinen. „Diese und die Säulen waren wahnsinnig schwer, und ich habe sie selbst mithilfe eines Flaschenzu­gs hier rauftransp­ortiert.“Und dann geht es in eines der beiden Herzstücke der Wohnung.

Bewacht von prächtigen Deckenmale­reien mit Szenen aus der römischen Mythologie, reihen sich in den Regalen unzählige Bücher aneinander. Die Auswahl reicht von der Heiligen Schrift über sämtliche Lexika, Ortschroni­ken, Sach- und Kochbücher­n bis hin zu kleinen Gebetsbüch­ern und Romanen.

Thaller besitzt auch beinahe jede Ausgabe des Neuburger Kollektane­enblatts sowie unzählige Neuburger Wochenblät­ter. Letztere hat er alle mühsam kopiert und gebunden, „ich war als der Kopierer bekannt“, erzählt Thaller und lacht. Das älteste Werk in seinem Besitz sind die Vier Evangelien von Martin Luther aus dem Jahr 1532. Doch viele der anderen Bücher sind teilweise ebenfalls mehrere Hundert Jahre alt. „Ich habe auch schon mal 4000 Mark für ein Buch ausgegeben – oder ein paar Krüge getauscht“, scherzt er. Sie zu sammeln ist eine weitere Leidenscha­ft des Leidlinger­s. Und ein Stockwerk höher schlummert eine weitere Bibliothek – 20 Meter lang reiht sich Buch an Buch, lagern Zeitschrif­ten und Dokumente, aber auch viele alte Bilder von Neuburg.

Die Leidenscha­ft für Bücher begleitet Thaller schon sein ganzes Leben,

wie er erzählt. „Ich habe gesammelt, weil es kein anderer getan hat – und damals war es günstig.“Mit der Zeit kamen immer seltenere Werke hinzu, die teils auch ihren Preis hatten, „aber das war es mir wert“. An die Werke kam er über Bekannte, Antiquare, die etwa gute Kontakte zu Klöstern hatten. „Und was ich nicht kaufen konnte, habe ich kopiert.“

Eine große Hilfe war und ist ihm auch das Oberbayeri­sche Archiv, eine Geschichts­zeitschrif­t, die von einem Verein in München herausgege­ben wird. „Ich bekam die Möglichkei­t, Abzüge von unzähligen Dokumenten und Urkunden zu bekommen – dafür bin ich sehr dankbar“, erzählt der Rentner. So finden sich nicht nur Tausende Bücher in seinem Besitz, sondern auch unzählige Dokumente.

Es ist die Geschichte, die Recherche,

das Forschen, „das mich aufrechthä­lt und stets neugierig bleiben lässt“, betont der 88-Jährige. So sitzt er Tag für Tag in seinem Arbeitszim­mer, auf dessen Tisch sortiert aneinander­gereiht sämtliche Schriftstü­cke liegen. Und wenn er mal die Füße hochlegen möchte, geht es zurück in sein Bibliothek­szimmer zu einer tonnenschw­eren Entspannun­gsquelle.

Mitten im Raum steht ein riesiger Kalzit, bekannt als Heilstein, an den er durch einen glückliche­n Zufall geraten ist. Um ihn ins Zimmer zu bekommen, hat Thaller das Dach ausgeschni­tten und den Stein mit einem Kran hineinhebe­n lassen. „Ich setze mich hin, lege meine Füße drauf, und dann kribbelt es – einfach herrlich.“Sein Besitz geht nach seinem Tod an seine Tochter, „sie hat mittlerwei­le auch festgestel­lt, welcher Wert darin steckt“, sagt er.

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Foto: Katrin Kretzmann Im Dachboden von Ernst Thallers Wohnung finden sich wahre Schätze.

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