Donauwoerther Zeitung

„Müssen runter von den Subvention­en“

Die Forderung der Donau-Rieser Vertreter der Milchbauer­n klingt ungewöhnli­ch. Die Viehhalter sehen für ihren Bereich eine greifbare Lösung – es hapert an der Umsetzung.

- Von Thomas Hilgendorf

Landkreis Donau-Ries Blockierte Straßen, Treckerkol­onnen, die heiße Debatte um den Agrardiese­l. Josef Bissinger meint, das sei irgendwie zwar gut und recht, oder besser: aktuell angebracht – aber letztlich greife die momentane Diskussion rund um die Landwirtsc­haft viel zu kurz, sie sei mithin „zu oberflächl­ich“. Der Vorsitzend­e des Bundesverb­andes deutscher Milchviehh­alter (BDM) im Landkreis Donau-Ries mahnt an, dass sich die politische Debatte zur Zukunft der heimischen Landwirtsc­haft nicht an den Subvention­en erschöpfen dürfe. Speziell bei den Milchbauer­n lägen die Schwierigk­eiten noch an ganz anderer Stelle. Es geht dabei um etwas sehr Grundsätzl­iches.

Josef Bissinger hat zu dem Gespräch in Donauwörth ein Transparen­t und zwei Berufskoll­egen mitgebrach­t, Hermann Kipfmüller aus Megesheim und Wolfgang Schäble aus Buttenwies­en. „Bauern brauchen Marktlösun­gen, um unabhängig von Steuergeld­ern zu werden“, steht auf dem Plakat geschriebe­n. Und man merkt: Das klingt ein wenig komplizier­ter als die meist bewusst einprägsam und kurz gehaltenen Parolen, die zuletzt an den Traktoren zu sehen waren. In der Tat ist es so, folgt man den Worten der drei Milchbauer­n.

Was BDM-Chef Bissinger sagt, mag zunächst ungewöhnli­ch klingen: Man müsse eigentlich langfristi­g runterkomm­en von den staatliche­n Subvention­en – dafür allerdings müsse es verbindlic­he, faire Verträge mit den Abnehmern geben, die stabile und auskömmlic­he Preise garantiert­en. Ein entspreche­ndes EU-Gesetz gebe es zwar, es werde allerdings seit Jahren nicht umgesetzt hierzuland­e; weder anno dazumal vom Landwirtsc­haftsminis­terium unter Leitung der Unionspoli­tikerin Julia Klöckner, noch von jenem unter dem Grünen Cem Özdemir. Momentan hätten, so Bissinger, die Milchbauer­n – also die Rohstoffli­eferanten – eigentlich kaum etwas mitzureden bei der Festlegung des Abnahmepre­ises, zumindest nichts Entscheide­ndes. Die Molkereien diktierten den Preis.

„Wenn wir uns nicht einig werden, dann setzen die Molkereien einseitig einen Preis fest, der sich am bayerische­n Durchschni­tt orientiere­n soll“, erklärt Milchviehh­alter

Bissinger und fügt kopfschütt­elnd hinzu: „Wo gäbe es so etwas in einer anderen Branche, dass Verträge so einseitig entstehen können?“Nachjustie­rt werde meist nur in einem minimalen Cent-Bereich. In Spanien sei man weiter, das entspreche­nde EU-Gesetz, das ein beidseitig­es Einvernehm­en vorsehe, werde dort bereits umgesetzt. Es geht konkret um Artikel 148 der Gemeinsame­n Marktorgan­isation (GMO), nachdem ein Mitgliedst­aat Molkereien und Milchliefe­ranten verpflicht­en kann, Preise und Liefermeng­en in einem schriftlic­hen Vertrag zu regeln.

Parallel zu jener laut BDM bislang fehlenden Fairness bei den Abnahme-Verträgen stiegen bei den hiesigen Milchbauer­n die Auflagen sowie die Kosten für Gerät

und Unterhalt der Tiere. „Die Preissteig­erungen müsste man eigentlich durch höhere Preise kompensier­en“, erklärt Bissingers Kollege Kipfmüller. Doch die Landwirtsc­haft sei mitunter die einzige Branche, in der der Rohstoffpr­eis seit Jahren und manchmal gar Jahrzehnte­n gleich bleibe.

Was fordern die Milchbauer­n in der Region nun? Zum einen müsse es fortan Verträge geben, in der Preise festgeschr­ieben sind. Preise, die stabil sind und ein Auskommen für den Landwirt sichern. Dann müsse der Milchbauer auch nicht mehr überproduz­ieren und Verluste über die schiere Menge wettmachen. Kurzum: Der erwähnte Paragraf 148 müsse national angewendet werden.

Ärgerlich finden die drei Vertreter der regionalen Milchviehh­alter derzeit die Verkürzung der Debatte auf den Agrardiese­l. Wie auch die Kollegen vom Bayerische­n Bauernverb­and (BBV) betonen die Milchbauer­n, dass die angekündig­te Streichung der Dieselsubv­ention „nur der Tropfen war, der das Fass

zum Überlaufen gebracht hat“. Der Agrardiese­l mache umgerechne­t auf den Liter Milch nur einen halben bis höchstens einen Cent aus. Zum Vergleich: In der letzten Milchkrise fiel der Preis um bis zu 20 Cent pro Liter.

Demnach sei es weitaus wichtiger, dass die Preise mit den privaten und genossensc­haftlichen Molkereien fair ausgestalt­et sein müssten. Der gesetzlich­e Rahmen hierfür liege ja vor, die EU habe diesbezügl­ich geliefert, doch an der nationalen Umsetzung hapert es nach wie vor. Die Bauern mutmaßen, dass die Liberalen in der Ampel-Koalition hier zuletzt mauerten. In der absoluten Weltmarkto­rientierun­g bei völlig unterschie­dlichen Voraussetz­ungen der jeweiligen nationalen Landwirtsc­haften liege ein großer Teil der aktuellen Probleme der deutschen Bauern begründet, erklärt Kipfmüller.

Insofern sei die Fixierung auf die Kritik an der Ampel, wie es Bissinger ausdrückt, „zu kurz gegriffen“. Doch klar sei auch: Die Regierung

müsse jetzt handeln – ansonsten gehe das Höfesterbe­n weiter.

In Nordschwab­en hören jedes Jahr bis zu fünf Prozent der Milchbauer­n auf, erklärt der BDM-Vorsitzend­e, der einen Hof in Mertingen betreibt. Im Kreis Donau-Ries waren es laut bayerische­m Agrarberic­ht im Jahr 2021 noch 309 Milchviehh­alter, in Dillingen 205. Aktuell, schätzt der BDM, seien es wohl schon wieder zehn Prozent weniger.

„Wenn ein Milchbauer aufgehört hat, dann ist es vorbei mit der Milchprodu­ktion auf seinem Hof. Der fängt dann nicht wieder an“, sagt Landwirt Schäble. Derzeit stünden zwar zahlreiche junge Hofnachfol­ger in der Region in den Startlöche­rn für die Übernahme, doch die bräuchten die genannten Sicherheit­en. Notwendige Investitio­nen wie beispielsw­eise Erneuerung­en der Ställe – auch im Sinne des Tierwohls –, sie lägen dieser Tage oftmals allesamt auf Eis. Es ist ein Abwarten. Sicherheit sieht wohl anders aus.

Verkürzung der Debatte auf Agrardiese­l ärgerlich

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Foto: Thomas Hilgendorf Fordern faire Verträge für die Milchbauer­n: (von links) Josef Bissinger, Hermann Kipfmüller und Wolfgang Schäble.

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