„Müssen runter von den Subventionen“
Die Forderung der Donau-Rieser Vertreter der Milchbauern klingt ungewöhnlich. Die Viehhalter sehen für ihren Bereich eine greifbare Lösung – es hapert an der Umsetzung.
Landkreis Donau-Ries Blockierte Straßen, Treckerkolonnen, die heiße Debatte um den Agrardiesel. Josef Bissinger meint, das sei irgendwie zwar gut und recht, oder besser: aktuell angebracht – aber letztlich greife die momentane Diskussion rund um die Landwirtschaft viel zu kurz, sie sei mithin „zu oberflächlich“. Der Vorsitzende des Bundesverbandes deutscher Milchviehhalter (BDM) im Landkreis Donau-Ries mahnt an, dass sich die politische Debatte zur Zukunft der heimischen Landwirtschaft nicht an den Subventionen erschöpfen dürfe. Speziell bei den Milchbauern lägen die Schwierigkeiten noch an ganz anderer Stelle. Es geht dabei um etwas sehr Grundsätzliches.
Josef Bissinger hat zu dem Gespräch in Donauwörth ein Transparent und zwei Berufskollegen mitgebracht, Hermann Kipfmüller aus Megesheim und Wolfgang Schäble aus Buttenwiesen. „Bauern brauchen Marktlösungen, um unabhängig von Steuergeldern zu werden“, steht auf dem Plakat geschrieben. Und man merkt: Das klingt ein wenig komplizierter als die meist bewusst einprägsam und kurz gehaltenen Parolen, die zuletzt an den Traktoren zu sehen waren. In der Tat ist es so, folgt man den Worten der drei Milchbauern.
Was BDM-Chef Bissinger sagt, mag zunächst ungewöhnlich klingen: Man müsse eigentlich langfristig runterkommen von den staatlichen Subventionen – dafür allerdings müsse es verbindliche, faire Verträge mit den Abnehmern geben, die stabile und auskömmliche Preise garantierten. Ein entsprechendes EU-Gesetz gebe es zwar, es werde allerdings seit Jahren nicht umgesetzt hierzulande; weder anno dazumal vom Landwirtschaftsministerium unter Leitung der Unionspolitikerin Julia Klöckner, noch von jenem unter dem Grünen Cem Özdemir. Momentan hätten, so Bissinger, die Milchbauern – also die Rohstofflieferanten – eigentlich kaum etwas mitzureden bei der Festlegung des Abnahmepreises, zumindest nichts Entscheidendes. Die Molkereien diktierten den Preis.
„Wenn wir uns nicht einig werden, dann setzen die Molkereien einseitig einen Preis fest, der sich am bayerischen Durchschnitt orientieren soll“, erklärt Milchviehhalter
Bissinger und fügt kopfschüttelnd hinzu: „Wo gäbe es so etwas in einer anderen Branche, dass Verträge so einseitig entstehen können?“Nachjustiert werde meist nur in einem minimalen Cent-Bereich. In Spanien sei man weiter, das entsprechende EU-Gesetz, das ein beidseitiges Einvernehmen vorsehe, werde dort bereits umgesetzt. Es geht konkret um Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO), nachdem ein Mitgliedstaat Molkereien und Milchlieferanten verpflichten kann, Preise und Liefermengen in einem schriftlichen Vertrag zu regeln.
Parallel zu jener laut BDM bislang fehlenden Fairness bei den Abnahme-Verträgen stiegen bei den hiesigen Milchbauern die Auflagen sowie die Kosten für Gerät
und Unterhalt der Tiere. „Die Preissteigerungen müsste man eigentlich durch höhere Preise kompensieren“, erklärt Bissingers Kollege Kipfmüller. Doch die Landwirtschaft sei mitunter die einzige Branche, in der der Rohstoffpreis seit Jahren und manchmal gar Jahrzehnten gleich bleibe.
Was fordern die Milchbauern in der Region nun? Zum einen müsse es fortan Verträge geben, in der Preise festgeschrieben sind. Preise, die stabil sind und ein Auskommen für den Landwirt sichern. Dann müsse der Milchbauer auch nicht mehr überproduzieren und Verluste über die schiere Menge wettmachen. Kurzum: Der erwähnte Paragraf 148 müsse national angewendet werden.
Ärgerlich finden die drei Vertreter der regionalen Milchviehhalter derzeit die Verkürzung der Debatte auf den Agrardiesel. Wie auch die Kollegen vom Bayerischen Bauernverband (BBV) betonen die Milchbauern, dass die angekündigte Streichung der Dieselsubvention „nur der Tropfen war, der das Fass
zum Überlaufen gebracht hat“. Der Agrardiesel mache umgerechnet auf den Liter Milch nur einen halben bis höchstens einen Cent aus. Zum Vergleich: In der letzten Milchkrise fiel der Preis um bis zu 20 Cent pro Liter.
Demnach sei es weitaus wichtiger, dass die Preise mit den privaten und genossenschaftlichen Molkereien fair ausgestaltet sein müssten. Der gesetzliche Rahmen hierfür liege ja vor, die EU habe diesbezüglich geliefert, doch an der nationalen Umsetzung hapert es nach wie vor. Die Bauern mutmaßen, dass die Liberalen in der Ampel-Koalition hier zuletzt mauerten. In der absoluten Weltmarktorientierung bei völlig unterschiedlichen Voraussetzungen der jeweiligen nationalen Landwirtschaften liege ein großer Teil der aktuellen Probleme der deutschen Bauern begründet, erklärt Kipfmüller.
Insofern sei die Fixierung auf die Kritik an der Ampel, wie es Bissinger ausdrückt, „zu kurz gegriffen“. Doch klar sei auch: Die Regierung
müsse jetzt handeln – ansonsten gehe das Höfesterben weiter.
In Nordschwaben hören jedes Jahr bis zu fünf Prozent der Milchbauern auf, erklärt der BDM-Vorsitzende, der einen Hof in Mertingen betreibt. Im Kreis Donau-Ries waren es laut bayerischem Agrarbericht im Jahr 2021 noch 309 Milchviehhalter, in Dillingen 205. Aktuell, schätzt der BDM, seien es wohl schon wieder zehn Prozent weniger.
„Wenn ein Milchbauer aufgehört hat, dann ist es vorbei mit der Milchproduktion auf seinem Hof. Der fängt dann nicht wieder an“, sagt Landwirt Schäble. Derzeit stünden zwar zahlreiche junge Hofnachfolger in der Region in den Startlöchern für die Übernahme, doch die bräuchten die genannten Sicherheiten. Notwendige Investitionen wie beispielsweise Erneuerungen der Ställe – auch im Sinne des Tierwohls –, sie lägen dieser Tage oftmals allesamt auf Eis. Es ist ein Abwarten. Sicherheit sieht wohl anders aus.
Verkürzung der Debatte auf Agrardiesel ärgerlich