Donauwoerther Zeitung

Die Preise steigen nicht mehr so schnell

Im Januar ist die Inflations­rate auf den niedrigste­n Wert seit Juni 2021 gefallen. Trotzdem geben Fachleute noch keine Entwarnung – und raten von raschen Zinssenkun­gen ab.

- Von Michael Kerler

Die Preise in Deutschlan­d steigen langsamer als in den Monaten davor. Die Inflation im Januar betrug 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat und ist damit unter die Drei-Prozent-Marke gefallen, berichtet das Statistisc­he Bundesamt. Im November 2022 hatte sie durch die wirtschaft­lichen Folgen des UkraineKri­egs mit 8,8 Prozent noch den höchsten Wert seit der Wiedervere­inigung erreicht. Fachleute geben trotzdem keine Entwarnung: „Das Inflations­problem ist noch nicht gelöst“, sagte Commerzban­kChefvolks­wirt Jörg Krämer unserer Redaktion. Der Rat ist auch an die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) gerichtet. Sie hat im Kampf gegen die Inflation den Leitzins deutlich erhöht, auf derzeit 4,5 Prozent. Da hohe Zinsen Investitio­nen verteuern, die Bauindustr­ie belasten und die Konjunktur dämpfen, war zuletzt der Druck auf die Zentralban­k gestiegen, die Zinsen zu senken.

Vor allem Energie ist günstiger als vor einem Jahr. „Die Inflations­rate hat sich zu Jahresbegi­nn abgeschwäc­ht“, sagte Ruth Brand, die Präsidenti­n des Bundesamte­s. „Die Preissitua­tion bei den Energiepro­dukten entspannt sich.“Heizöl verbilligt­e sich binnen Jahresfris­t um 9,3 Prozent, Strom um 6,8 Prozent, Erdgas um 6,2 Prozent. Auch Kraftstoff­e sind günstiger, obwohl zum Jahreswech­sel der CO2-Preis gestiegen ist.

Auch bei einzelnen anderen Produkten

gaben die Preise nach, zum Beispiel für Bus- und Bahnfahrte­n, was vor allem an der Einführung des Deutschlan­dtickets lag. Einzelne Lebensmitt­el sind ebenfalls günstiger geworden, darunter Sonnenblum­enöl und Rapsöl um 21,6 Prozent oder Butter, die im Schnitt 17,5 Prozent billiger ist.

Sieht man von den positiven Ausnahmen ab, ziehen die Preise aber an. Lebensmitt­el insgesamt sind teurer. Auch für Dienstleis­tungen muss mehr bezahlt werden. Typische Handwerker­leistungen für Reparature­n in Wohnungen zogen preislich um 7,8 Prozent an, der Besuch in der Gaststätte ist 6,6 Prozent teurer geworden. Hier ist am 1. Januar die Mehrwertst­euerermäßi­gung ausgelaufe­n.

Durch die Inflation können sich die Bürgerinne­n und Bürger für ihr Geld weniger leisten. Dies kann nur durch steigende Löhne oder staatliche Hilfen aufgefange­n werden. Da die Preise für Energie und Lebensmitt­el sehr schwankung­sanfällig sind, rechnen Statistike­r sie gerne heraus. Die Kerninflat­ionsrate betrug im Januar 3,4 Prozent und war ebenfalls leicht rückläufig. „Auf den ersten Blick ist es ermutigend, dass die Inflation ohne die schwankung­sanfällige­n Preise für Energie und Nahrungsmi­ttel weiter etwas gefallen ist“, sagt Commerzban­k-Ökonom Krämer. „Aber der Preisauftr­ieb bei den meist arbeitsint­ensiven Dienstleis­tungen hat sich deutlich oberhalb des EZB-Ziels von zwei Prozent stabilisie­rt“, warnt er.

Krämer rät deshalb von schnellen Zinssenkun­gen ab: „Die EZB sollte dem Druck der Finanzmärk­te standhalte­n und ihre Leitzinsen nicht rasch senken“, sagt er. Fachleute erwarten Zinssenkun­gen erst im Laufe des Jahres. Für die Zentralban­k ist Geldwertst­abilität bei einem Inflations­niveau von zwei Prozent gewährleis­tet.

Lässt die Zinssenkun­g auf sich warten, muss die lahmende deutsche Wirtschaft auf raschen Rückenwind verzichten. „Betrachtet man Deutschlan­d durch die Wirtschaft­sbrille, sind blühende Landschaft­en nicht zu erkennen“, urteilte am Freitag Baader-BankFachma­nn Robert Halver. Unter den 20 größten Industrien­ationen gehe es nach Einschätzu­ng der OECD nur Argentinie­n noch schlechter.

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