Die Preise steigen nicht mehr so schnell
Im Januar ist die Inflationsrate auf den niedrigsten Wert seit Juni 2021 gefallen. Trotzdem geben Fachleute noch keine Entwarnung – und raten von raschen Zinssenkungen ab.
Die Preise in Deutschland steigen langsamer als in den Monaten davor. Die Inflation im Januar betrug 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat und ist damit unter die Drei-Prozent-Marke gefallen, berichtet das Statistische Bundesamt. Im November 2022 hatte sie durch die wirtschaftlichen Folgen des UkraineKriegs mit 8,8 Prozent noch den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung erreicht. Fachleute geben trotzdem keine Entwarnung: „Das Inflationsproblem ist noch nicht gelöst“, sagte CommerzbankChefvolkswirt Jörg Krämer unserer Redaktion. Der Rat ist auch an die Europäische Zentralbank (EZB) gerichtet. Sie hat im Kampf gegen die Inflation den Leitzins deutlich erhöht, auf derzeit 4,5 Prozent. Da hohe Zinsen Investitionen verteuern, die Bauindustrie belasten und die Konjunktur dämpfen, war zuletzt der Druck auf die Zentralbank gestiegen, die Zinsen zu senken.
Vor allem Energie ist günstiger als vor einem Jahr. „Die Inflationsrate hat sich zu Jahresbeginn abgeschwächt“, sagte Ruth Brand, die Präsidentin des Bundesamtes. „Die Preissituation bei den Energieprodukten entspannt sich.“Heizöl verbilligte sich binnen Jahresfrist um 9,3 Prozent, Strom um 6,8 Prozent, Erdgas um 6,2 Prozent. Auch Kraftstoffe sind günstiger, obwohl zum Jahreswechsel der CO2-Preis gestiegen ist.
Auch bei einzelnen anderen Produkten
gaben die Preise nach, zum Beispiel für Bus- und Bahnfahrten, was vor allem an der Einführung des Deutschlandtickets lag. Einzelne Lebensmittel sind ebenfalls günstiger geworden, darunter Sonnenblumenöl und Rapsöl um 21,6 Prozent oder Butter, die im Schnitt 17,5 Prozent billiger ist.
Sieht man von den positiven Ausnahmen ab, ziehen die Preise aber an. Lebensmittel insgesamt sind teurer. Auch für Dienstleistungen muss mehr bezahlt werden. Typische Handwerkerleistungen für Reparaturen in Wohnungen zogen preislich um 7,8 Prozent an, der Besuch in der Gaststätte ist 6,6 Prozent teurer geworden. Hier ist am 1. Januar die Mehrwertsteuerermäßigung ausgelaufen.
Durch die Inflation können sich die Bürgerinnen und Bürger für ihr Geld weniger leisten. Dies kann nur durch steigende Löhne oder staatliche Hilfen aufgefangen werden. Da die Preise für Energie und Lebensmittel sehr schwankungsanfällig sind, rechnen Statistiker sie gerne heraus. Die Kerninflationsrate betrug im Januar 3,4 Prozent und war ebenfalls leicht rückläufig. „Auf den ersten Blick ist es ermutigend, dass die Inflation ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel weiter etwas gefallen ist“, sagt Commerzbank-Ökonom Krämer. „Aber der Preisauftrieb bei den meist arbeitsintensiven Dienstleistungen hat sich deutlich oberhalb des EZB-Ziels von zwei Prozent stabilisiert“, warnt er.
Krämer rät deshalb von schnellen Zinssenkungen ab: „Die EZB sollte dem Druck der Finanzmärkte standhalten und ihre Leitzinsen nicht rasch senken“, sagt er. Fachleute erwarten Zinssenkungen erst im Laufe des Jahres. Für die Zentralbank ist Geldwertstabilität bei einem Inflationsniveau von zwei Prozent gewährleistet.
Lässt die Zinssenkung auf sich warten, muss die lahmende deutsche Wirtschaft auf raschen Rückenwind verzichten. „Betrachtet man Deutschland durch die Wirtschaftsbrille, sind blühende Landschaften nicht zu erkennen“, urteilte am Freitag Baader-BankFachmann Robert Halver. Unter den 20 größten Industrienationen gehe es nach Einschätzung der OECD nur Argentinien noch schlechter.