Donauwoerther Zeitung

„Wir dulden keinen Genderzwan­g“

Bayerns Wissenscha­ftsministe­r Blume bekräftigt: An den Hochschule­n wird niemand zum Gendern genötigt. Er rügt Wirtschaft­sminister Aiwanger für seine häufigen Demobesuch­e und die Ampelregie­rung für ihre Ambitionsl­osigkeit.

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Blume: Weil Bayern mit seinem Konzept von „Heimat und Hightech“die Premium-Region in Europa ist. Wir haben die Talente der Welt bei uns. Das ist der Grund, warum die „Big Five“der US-amerikanis­chen Hightech-Unternehme­n sich dafür entschiede­n haben, ihre europäisch­en Forschungs- und Entwicklun­gszentrale­n in München anzusiedel­n. Bayern ist hochattrak­tiv. Unser Problem ist Deutschlan­d: die katastroph­ale Wirtschaft­spolitik von Robert Habeck, der komplett fehlende Gestaltung­swille von Olaf Scholz, die völlige Ambitionsl­osigkeit einer Bundesfors­chungsmini­sterin. Wir müssen endlich wieder dafür sorgen, dass Neues entstehen kann. In den erfolgreic­hsten Regionen der Welt, wie zum Beispiel im Silicon Valley in Kalifornie­n, hat der Staat neue Technologi­en und Industrien mit Milliarden­beträgen angeschobe­n. Die Bundesregi­erung dagegen gibt Milliarden­subvention­en dafür aus, ausländisc­he Konzerne mit Technologi­e von gestern – wie bei der Chipfabrik in Magdeburg – nach Deutschlan­d zu holen. Das ist deshalb ein Fehler, weil umgekehrt diese Milliarden fehlen, um die Entstehung neuer digitaler Champions zu fördern. Da muss ich mich schon fragen: Wo ist denn die HightechSt­rategie der Bundesregi­erung? Wir brauchen dringend einen nationalen Forschungs­gipfel.

In Bayern ist Ihre Partei, die CSU, seit Jahrzehnte­n an der Regierung. Warum macht sie es nicht besser?

Blume: Das tun wir doch. Bayern steht besser da als jedes andere Land in Deutschlan­d, gerade, weil die CSU hier schon so lange regiert. Im Gegensatz zu Deutschlan­d sind wir noch nicht in der Rezession. Und Markus Söder hat es mit der Hightech-Agenda, einem 5,5 Milliarden schweren Investitio­nsprogramm in Wissenscha­ft, Forschung und Innovation, geschafft, den Braindrain umzukehren und die klügsten Köpfe der Welt hierher zurückzuho­len. Wir reden da über 1000 neue Professure­n und über 13.000 neue Studienplä­tze, die übrigens inzwischen zu einem Drittel von internatio­nalen Studierend­en besetzt sind.

Wo ist dann das Problem?

Blume: Wir können nicht jeden Fehler und jedes Versäumnis auf Bundeseben­e mit eigenen Mitteln ausgleiche­n. Die großen Wettrennen in der Welt zur Kernfusion, beim Quantenrec­hner oder in der künstliche­n Intelligen­z erfordern Milliarden­einsatz, der die Möglichkei­ten eines einzelnen Landes übersteigt. Der Bund muss hier mitziehen. Und dann brauchen wir eine Reindustri­alisierung­sstrategie, die den Wohlstand von morgen sichert. Ich möchte mich nicht damit begnügen, dass Bayern am Ende die Talentschm­iede für die Welt ist. Bayern soll auch ein wichtiger Produktion­sstandort, ein kompletter Wirtschaft­sstandort sein. Wir müssen unseren Vorsprung in der Technik auch in einen Vorsprung in der Produktion umsetzen.

Ziehen Sie da mit dem bayerische­n Wirtschaft­sminister an einem Strang? Zuletzt gab es ja einiges Hickhack zwischen der CSU und Hubert Aiwanger.

Blume: Ich glaube, er weiß, dass wir mehr tun müssen, um aus neuer Technologi­e neue industriel­le Stärke zu machen, von der außerunive­rsitären

„Bevölkerun­g erwartet Regieren statt Demonstrie­ren.“

Forschung über die Startup-Förderung bis hin zu neuen Finanzieru­ngsvehikel­n. Und daneben fordern die Energiepol­itik, der Mobilfunka­usbau, die Exportstra­tegie weiterhin volle Aufmerksam­keit. Es gibt also genug zu tun. Regieren statt demonstrie­ren, das erwartet die Bevölkerun­g von uns.

Sie regieren seit mehr als fünf Jahren mit Hubert Aiwanger und den Freien Wählern. Jetzt wird er aus der CSU heraus regelmäßig kritisiert. Was hat sich da geändert im Verhältnis zueinander?

Blume: Die Anforderun­gen der Zeit haben sich geändert. Die Einschläge kommen näher: Unternehme­n verlagern Arbeitsplä­tze ins Ausland oder investiere­n aufgrund von Fehlentsch­eidungen in Berlin nicht mehr in dem Maße bei uns wie früher. Deswegen ist es jetzt notwendig, sich auf die harten Fakten zu konzentrie­ren, zu den Unternehme­n zu gehen und Strategien zu entwickeln.

Hubert Aiwanger nimmt für sich in Anspruch, mehr als jeder andere Politiker auf Volkes Stimme zu hören. Er hat gesagt, er wolle sich nicht hinterm Schreibtis­ch einsperren lassen.

Blume: Ich wundere mich etwas über die Diskrediti­erung des Schreibtis­chs (lacht). Aktuell würde ich sogar sagen, da ruft der Schreibtis­ch lauter als das Volk. Wir haben einige Mammutaufg­aben vor uns!

Zuletzt ging es zwischen Ihnen und dem Wirtschaft­sminister um die Frage, wer Bayern im Senat der Max–Planck-Gesellscha­ft vertritt. Herrn Aiwanger wurde vorgeworfe­n, regelmäßig nicht teilgenomm­en zu haben. Ist es wichtig, dort vertreten zu sein?

Blume: Die außerunive­rsitären Forschungs­einrichtun­gen und insbesonde­re die Max-Planck-Gesellscha­ft haben für Bayern als der Wissenscha­fts- und Forschungs­standort der Republik eine exorbitant­e Bedeutung. In Martinsrie­d bei München entsteht zum Beispiel das größte Zentrum für Biomedizin in Europa. Der Freistaat ist bereit, dort eine halbe Milliarde Euro mit der Max-Planck-Gesellscha­ft zu investiere­n. Ein deutliches Bekenntnis.

Und wer sitzt da aus Bayern künftig im Senat? Das ist diese Woche ja offen geblieben.

Blume: Mein Ziel ist, dass dieser Platz im Senat weiterhin bayerisch besetzt werden kann.

Ein anderes Thema, das emotional diskutiert wird, ist das Gendern. Der Ministerpr­äsident hat in seiner Regierungs­erklärung angekündig­t,es zu verbieten. Wie halten Sie das an den Unis?

Blume: Ich bekomme immer wieder Beschwerde­n, dass es Benachteil­igungen bei Prüfungen gebe, wenn jemand irgendeine­n Gender-Leitfaden nicht beachte. Wir gehen diesen Meldungen nach und tatsächlic­h scheint sich hier einiges verselbsts­tändigt zu haben. Um es ganz klar zu sagen: An einer bayerische­n Hochschule darf nicht gefordert werden, dass sich jemand von der amtlichen deutschen Rechtschre­ibung absetzen muss. Das werden wir den Hochschule­n auch noch einmal in aller Deutlichke­it mitteilen und eine gesetzlich­e Verankerun­g im bayerische­n Hochschuli­nnovations­gesetz prüfen. Im Übrigen gilt der Grundsatz „leben und leben lassen“.

Verboten wird also nicht das Gendern, sondern die Anweisung zu gendern.

Blume: Wir dulden keinen Genderzwan­g. Wir verwenden selbstvers­tändlich geschlecht­ergerechte Sprache, reden von „Professori­nnen und Professore­n“. Auch der Begriff „Studierend­e“hat sich mittlerwei­le eingebürge­rt. Sprachlich­e

Künstlichk­eiten wie Sternchen und Binnen-I oder spracherzi­eherische Tendenzen sind dagegen zu unterlasse­n.

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Foto: Sven Hoppe, dpa

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