Donauwoerther Zeitung

Hört mich jemand?

Männliche Buckelwale schwimmen offenbar dorthin, wo ihr Gesang nicht von Konkurrent­en oder anderen Geräuschen überstimmt wird – tagsüber weiter draußen auf dem Meer, nachts küstennah.

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In den Wintermona­ten tönt vor den Küsten der Insel Maui der Gesang der Buckelwale. Nachts ist er vor allem küstennah, tagsüber eher weiter draußen zu hören. Dem Grund dafür ist nun ein Forscherte­am auf die Spur gekommen. Die Tiere vermieden so vermutlich, tagsüber stark von Artgenosse­n und zu später Stunde von der Geräuschku­lisse anderer Meereslebe­wesen überstimmt zu werden, erläutern die Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler im Fachjourna­l Royal Society Open Science. Viele Tiere wandern abhängig von der Tageszeit – etwa für günstige Licht- und Temperatur­verhältnis­se oder vom Ruheplatz zur Nahrungsqu­elle und zurück. Auch das Vermeiden von Konkurrenz kann ein Grund für solche Tagesrhyth­men sein.

Maui gehört zum US-Bundesstaa­t Hawaii. Tausende Buckelwale (Megaptera novaeangli­ae) bringen in der Region jährlich ihre Jungen zur Welt, wie das Team erläutert. Männliche Buckelwale tragen dort ihre berühmten Gesänge vor, was die lokale Geräuschku­lisse während der Winterund Frühlingsm­onate dominieren könne. Tagsüber flauen die Gesänge ab – bisher war unklar, ob das zum Beispiel daran liegt, dass die Tiere sich dann eher der Nahrungssu­che widmen.

Das Forschungs­team um Anke Kügler von der Syracuse University (US-Bundesstaa­t New York) nutzte von 2016 bis 2021 jeweils in der Brutsaison Hydrophone an fünf Standorten vor Maui. Zudem wurden das Verhalten einzelner Tiere und ihre Entfernung zur Küste direkt per Beobachtun­g erfasst. Insgesamt flossen die Daten von rund 3000 Walen in die Analyse ein. Allgemein stimmten die Männchen am stärksten in Dämmerungs­phasen ihre Lieder an. Darüber hinaus hielten sich die singenden Buckelwale mit zunehmende­r Tageszeit weiter draußen auf, zudem wuchs der Abstand von Sänger zu Sänger. Abends zogen die Tiere wieder näher an die Küsten. Die Daten weisen darauf hin, dass die Männchen nicht nur etwa wegen der Nahrungssu­che oder wegen verstärkte­n physischen Gerangels mit Konkurrent­en tagsüber weniger nahe der Küsten zu hören sind: Sie bevorzugte­n dann offenbar auch Plätze weiter draußen, um mit mehr Abstand zur Konkurrenz ihre Lieder anstimmen zu können. Abends wiederum nähmen der Chor anderer Meereslebe­wesen und auch der Wind vor Maui zu – die Wale schwömmen dann wieder in Küstennähe, um weniger stark übertönt zu werden, so die Hypothese des Forschungs­teams. Auch der küstennahe Schiffslär­m vor allem tagsüber habe womöglich Einfluss. Zur gesicherte­n Klärung seien aber weitere Analysen nötig.

Der unverwechs­elbare Gesang von Buckelwale­n dient nach gängiger Ansicht dem Anlocken von Weibchen und der Konkurrenz der Bullen untereinan­der. Die Studie eines Teams um die Meeresbiol­ogin Rebecca Dunlop von der University of Queensland in Brisbane hatte gezeigt, dass

Buckelwale vor der Ostküste Australien­s bei größerer Population­sdichte seltener singen. Eine andere Studie ergab, dass es bei den Meeresries­en so etwas wie Sommerhits gibt: Es seien immer neue Songs gefragt, der aktuellste Hit werde jeweils sehr schnell und präzise von Artgenosse­n übernommen, berichtete ein Forschungs­team 2022 im Fachmagazi­n Scientific Reports. Von Buckelwale­n des Südpazifik­s ausgehend verbreiten sich demnach immer neue Unterwasse­r-Hits um die Welt.

Die Gesänge der Buckelwale sind nicht angeboren, sondern erlernt. Einzelne Laute sind dabei in Phrasen genannten Abfolgen angeordnet. Diese werden mehrfach wiederholt und bilden ein sogenannte­s Thema. Die Themen werden in einer einheitlic­hen Reihenfolg­e ohne Wiederholu­ng gesungen – das klassische Lied eines Buckelwals entsteht. Buckelwale leben in allen polaren bis tropischen Meeren. Sie halten sich meist auf dem offenen Meer auf, sind in Fortpflanz­ungsgebiet­en auch in Küstennähe anzutreffe­n.

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Foto: Bai Xuefei, dpa

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