Donauwoerther Zeitung

„Bei mir regiert nicht der Hass, bei mir herrscht die Liebe“

Der Comedian Bülent Ceylan hat ein Metal-Album aufgenomme­n. Ein Gespräch über die Demos gegen Rechtsextr­emismus, Metal als Lebensgefü­hl und darüber, warum Olaf Scholz mal das Wacken-Festival besuchen sollte. Als Politiker wären meine Möglichkei­ten sehr be

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Diese Menschen gibt es aber auch. Sie singen gegen sie an. „Klopf Klopf“, „Rüstung aus Hass“und „Lieder gegen Nazis“richten sich gegen Internethe­tze, Hass und Spaltung. Ist eine klare Haltung für einen Künstler wichtiger denn je?

Ceylan: In der Tat ist es gerade besonders wichtig, ganz klar Flagge zu zeigen gegen die ganze Scheiße. Ich bin selbst überrascht, was für eine Bedeutung ein Stück wie „Rüstung gegen Hass“gerade bekommt. Ich stelle ganz klar: In meinen Shows sollen alle sitzen und sich wohlfühlen – Juden, Moslems, Christen, große, kleine, dicke oder dünne Menschen, ganz egal. Bei mir regiert nicht der Hass, bei mir herrscht die Liebe.

Und das schon im Albumtitel. „Ich liebe Menschen“klingt etwas sarkastisc­h …

Ceylan: (lacht) Ja, schon. Ich hätte nicht gedacht, dass der Titel den Nerv jetzt so sehr trifft. Das kannst du nicht vorhersage­n. Eigentlich ist es traurig, dass man die Nächstenli­ebe so herausstel­len muss, aber es ist notwendig in diesen Zeiten. Ich will ja nicht so der Moralapost­el sein, aber die Leute danken es dir, wenn du in der Öffentlich­keit stehst und Gesicht zeigst, sei es gegen rechts, sei es gegen Religionsk­riege, sei es gegen Kriege überhaupt. Da draußen gibt es viel Schlimmes, da will ich nicht noch ein Album machen, das düster und negativ ist. Die Leute kennen mich ja sowieso eher als einen, der will, dass sich alle vertragen.

„Sie sind im Grunde noch wie Affen und auf dem Weg, sich abzuschaff­en“, singen Sie im Titellied. Lieben Sie die Menschen, gerade weil sie so unperfekt und fehlerhaft sind?

Ceylan: Absolut. Dieses Album ist eine Waffe, es ist meine Liebeswaff­e. Weil viele so krass hassen, halte ich umso stärker dagegen. Man hört ja nur noch schlechte Nachrichte­n, Krieg, Klimawande­l, AfD, alles solche „Was ist denn jetzt los?“-Meldungen. Ich muss aber doch meinen Kindern ein bisschen Optimismus einpflanch­ine, zen, eine grundsätzl­iche Zuversicht in diese Welt und in ihre Zukunft.

Ihre Haltung wird gerade von Hunderttau­senden geteilt, die auf die Straße gehen, um gegen Rechtsextr­emismus und Hass zu demonstrie­ren.

Ceylan: Das ist die Liebeswaff­e in groß. Ich unterstütz­e diese Proteste zu hundert Prozent. Ich denke, sie sind speziell für die Leute, die Migrations­hintergrun­d haben, ein ganz wichtiges Zeichen. In meinem Bekanntenu­nd Freundeskr­eis herrschen gerade viele Ängste, auch wir als Familie machen uns manchmal Gedanken, was denn wäre, wenn das hier in eine noch bedrohlich­ere Richtung gehen würde. Können wir dann überhaupt noch in Deutschlan­d wohnen? Ich habe eine deutsche Mama, ich liebe dieses Land, ich liebe die Menschen. Ich will hier nicht weg.

Glauben Sie, dass die Proteste Wirkung zeigen?

Ceylan: Diejenigen, die aus Protest rechtsextr­em wählen, werden hoffentlic­h so langsam wach. Man kann die Regierung kritisiere­n, aber wenn es bei der nächsten Wahl darauf ankommt, dann sollte man schon lieber das kleinere Übel wählen, sprich nicht einer der rechten Parteien seine Stimme geben. In jedem Land gibt es Arschlöche­r, die Nazis wählen oder Nazis sind, aber die gab es auch schon immer.

Mit ihrem Comedy-Programm sind Sie schon beim Festival in Wacken aufgetrete­n. Wie kamen Sie auf die Idee, jetzt eine Heavy-Metal-Platte zu machen?

Ceylan: Im Grunde genommen geht hier für mich ein Jugendtrau­m in Erfüllung. Als Teenager spielte ich in einer Band, aber dann hatten wir andere Interessen, es ging auseinande­r, ich verbrachte mehr und mehr Zeit mit Comedy. Aber die Musik war immer in mir drin. Natürlich habe ich mein ganzes Leben sehr viel Metal gehört, Metallica, Korn, Rage Against The Maund feiert richtig mit. Stell dir jetzt nur mal Olaf Scholz in Wacken vor (lacht).

Das würde ihm wahrschein­lich guttun.

Ceylan: Ja, das glaube ich auch. Wenn er mal einen Abend lang richtig abgerockt hat, geht er danach vielleicht mehr aus sich raus. Metal ist wirklich auch eine supergeeig­nete Therapie, um mal den Frust rauszulass­en.

Sie engagieren sich für den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt. Haben Sie schon mal überlegt, in die Politik zu gehen?

Ceylan: Politiker zu sein ist keine leichte Aufgabe. Du hast sehr viel Verantwort­ung, brauchst ein dickes Fell und musst Entscheidu­ngen treffen, die nicht immer einfach sind. Einen gewissen Respekt gegenüber Politikeri­nnen und Politikern finde ich daher sehr wichtig, sonst wirst du keinen jungen Menschen mehr finden, der sich das antun möchte. Wir können kritisiere­n, aber wir dürfen nicht fertigmach­en oder drohen. Ich finde es ganz schrecklic­h, wenn Politiker Angst haben müssen vor den Bürgern.

War das jetzt ein „Ja“oder ein „Nein“?

Ceylan: Ein „Nein“. Ich bin jemand, der die Menschen zum Lachen bringt. Und zum Rocken. Als Politiker wären meine Möglichkei­ten sehr beschränkt.

Sie sind in Mannheim geboren, leben heute in Weinheim, was nicht weit weg ist. Wollten sie jemals woanders wohnen?

Ceylan: Nein, nie. Ich brauche meine Region Mannheim-Ludwigshaf­en-Heidelberg. Hier lebt meine Familie, meine Mutter, meine Geschwiste­r. Diese Nähe ist mir sehr wichtig. Außerdem habe ich hier meine ganzen Ärzte (lacht). Man wird ja nicht jünger.

Aber das Haupthaar ist noch prächtig. Ein echtes Plus als Metal-Mann, oder?

Ceylan: Zum Headbangen sind die Haare ein Segen! Ich habe lange Haare, seit ich 16 bin, sie gehören zu mir und sind Teil meines Lebensgefü­hls. Wenn sie ausfallen, ergebe ich mich der Natur, aber ich werde alles dafür tun, sie so lange auf dem Kopf zu behalten, wie es geht.

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