Zeugen ferner Vergangenheit
Forscher machen Entdeckungen in Mittelengland und Nordostdeutschland. Es geht um ein Ei aus römischer Zeit, das immer noch flüssig im Inneren ist – und um einen Wall, der vor über 10.000 Jahren gebaut wurde.
Aylesbury/Rerik Mit gleich zwei archäologischen Entdeckungen können Forscher in England und Deutschland aufwarten. Zum einen geht es um ein Ei aus römischer Zeit, das vor einigen Jahren in der mittelenglischen Stadt Aylesbury gefunden wurde. Es enthält noch immer eine Flüssigkeit.
Wie der Ausgrabungsleiter des Unternehmens Oxford Archaeology, Edward Biddulph,sagte, gehen Experten davon aus, dass es sich dabei um Eiweiß und Dotter handelt, die sich zu einer einzigen Flüssigkeit verbunden hätten. Das ergab ein CT-Scan, der den Inhalt mitsamt Luftblase zeigte. Dieser sei vor einigen Monaten vorgenommen worden, um zu klären, wie das Ei, das wahrscheinlich von einem Huhn stammt, am besten konserviert werden könne.
Das Ei wurde in einer mit Wasser gefüllten Grube gefunden, aus der einst Wasser zum Brauen geschöpft wurde. Womöglich war es dort als Teil einer Opfergabe zwischen den Jahren 270 und 300 christlicher Zeitrechnung platziert worden. Weitere Eier, die dort ebenfalls entdeckt wurden, zerbrachen nach dem Kontakt mit der Luft – herausgetreten sei eine Flüssigkeit mit einem penetrant schwefeligen Geruch. „Das Ei hat riesiges Forschungspotenzial“, so
Biddulph. Das betreffe zum einen die Frage, wie solche Objekte erhalten werden könnten, aber auch, um welche Hühnerart es sich handelte sowie Fragen um die Haltung von Hühnern in römischer Zeit.
Zum anderen haben Forschende in der Mecklenburger Bucht auf dem Grund der Ostsee einen fast einen Kilometer langen steinernen Wall entdeckt. Er wurde vermutlich vor mehr als 10.000 Jahren von Jägern und Sammlern angelegt. Damals war das Gelände noch nicht überflutet, wie die Gruppe um Jacob Geersen vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und Marcel Bradtmöller von der Universität Rostock schreibt. Der sogenannte Blinkerwall liegt rund zehn Kilometer nordwestlich der Stadt Rerik in etwa 21 Metern Tiefe. Er besteht aus fast 1700 Steinen, ist 971 Meter lang, bis zu zwei Meter breit und meist unter einem Meter hoch. Die Struktur wurde vor etwa 8500 Jahren von der Ostsee überflutet. Etwas Vergleichbares gebe es in Europa nicht, schreibt die Gruppe.
Entdeckt wurde der Blinkerwall zufällig im September 2021 bei Kartierungen. Die 1673 Steine des Walls haben ein Volumen von fast 53 Kubikmetern und wiegen zusammen mehr als 142 Tonnen. Die meisten Steine sind deutlich unter 100 Kilogramm schwer. Das Team glaubt nun, dass die Anlage zur Jagd auf Rentiere genutzt wurde. Datiert wurde die Struktur nicht, aber ab vor 9800 Jahren war die Region bewaldet und Rentiere zogen seltener vorbei – da hätte eine solche Anlage keinen Sinn mehr ergeben. (dpa)