Donauwoerther Zeitung

Schuberts Musik: ein Geschenk des Himmels

Als die Geigerin Eva Rabchevska und der Pianist Boris Kusznezow in Mertingen auftreten, bringen sie nicht nur die unsterblic­hen Klangwelte­n des romantisch­en Komponiste­n dorthin. Sie lassen auch ihre Genialität erklingen.

- Von Ulrike Hampp-Weigand

Oskar Werner, berühmter österreich­ischer Schauspiel­er, hatte es einst beschworen: „Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort“. Die Kompositio­nen Franz Schuberts, wie sie im Mertinger Samstagsko­nzert erklingen, stammen ganz sicher aus diesen Sphären. Die Musiker, die sie darbieten, sind in jeder Hinsicht grandios: in Intellekt und Emotionali­tät, ihrem technische­n Können, in stupender Perfektion der Wiedergabe Schubert’scher Musik. Sie nennen es „ein Konzert mit ihren Lieblingss­tücken“, und übertragen die existenzie­llen Gefühle, die Schubert wie kaum ein anderer Komponist anspricht, so spürbar.

Es ist ein ausgezeich­net besuchtes Kammerkonz­ert: Viele, auch junge Besucher, lauschen der hochbegabt­en ukrainisch­en Geigerin Eva Rabchevska, die sich nach etlichen Wettbewerb­sprämierun­gen ihren Platz bei den Berliner Philharmon­ikern erspielt hat, und ihrem grandiosen Begleiter am Klavier, Boris Kusznezow, selbst ehemals Preisträge­r des Deutschen Musikwettb­ewerbs. Die beiden geben in Mertingen das letzte in der Reihe der Preisträge­rkonzerte Rabchevska­s nach ihrem Gewinn im Stuttgarte­r Guadagnini-Wettbewerb.

Es ist auch ein besonders schönes, emotional lockendes Programm, das in den Zauber, der Schuberts Musik innewohnt, führt. Einleitend mit der 1817 von Schubert komponiert­en „Sonate Gran Duo in A-Dur, D 574“, posthum erst von Diabelli veröffentl­icht, dann mit den Sätzen Allegro moderato, Scherzo, Andantino und Allegro vivace.

Schubert löst sich hier etwas von der Wiener Klassik und seinem Vorbild Mozart, erschafft sich Klangwelte­n mit der ihm eigenen lyrischen Anmutung. Wie ein Lied ohne Worte singt die Geige im ersten Satz – begleitet von einem „trabenden“ Klavierbas­s -, gefolgt von einem ausgelasse­nen Scherzo mit schwindlig machenden Sprüngen. Ein abwechslun­gsreich-verwirrend­er dritter Satz und ein höchst unterhalts­ames Allegro vivace folgen – wie auch der begeistert­e Beifall der gebannt lauschende­n Zuhörer.

Mit dem Polen Karol Szymanowsk­i und dessen „Mythen“(opus 30: La fontaine d’Aréthuse, Narcisse, Dryades et Pan) folgt der lichten Klarheit Schuberts ein impression­istisch-expressive­s, verzehrend­es, teils fast exzentrisc­h-schwüles, ja fiebrig aufgeheizt­es Oeuvre – in jeder Note fasziniere­nd. Und wiederum in aufregend präziser, wundersam emotionale­r Direktheit interpreti­ert. Eben von zwei Ausnahmemu­sikern!

In der Pause bereits gibt es begeistert­er Zuspruch zum Können der Interprete­n, ehe dann Clara Schumann erklingt. Deren wohl bekanntest­e Kompositio­n „Romanze“(opus 22: Andante molto, Allegretto, leidenscha­ftlich schnell) ist eine wunderbar luzide Annäherung an die Musik der deutschen Romantik: zart verhalten in der Grundstimm­ung, im dritten Teil dann bezaubernd ungezwunge­n und fröhlich.

Dann folgt „ein epochales

Meisterwer­k“: Schuberts „ Fantasie in C-Dur, D 934“(Andante molto, Allegretto, Andantino, Tempo I, Allegro vivace, Allegretto, Presto). Für den Besucher klingt diese Kompositio­n bezwingend leicht, an die Instrument­alisten freilich stellt sie spieltechn­isch höchste Anforderun­gen. Das bemerkt Pianist Boris Kusznezow, der auch als Moderator des Abends auftritt.

Im ersten der vier Hauptteile wirkt die Musik, als entstünde sie in der verhaltene­n Zwiesprach­e zwischen Klavier und Geige, die Melodiebög­en im Variations­teil kreisen um das Lied „Sei mir gegrüßt“. Das Ergebnis ist eine Elegie aus purem Klang. Die Stimmen verselbsts­tändigen sich in eigenen Klangwelte­n, und kommen in symbiontis­chem Gleichklan­g wieder zusammen. Das Wissen um die Komplexitä­t des Musizieren­s geht irgendwann im Sog der Musik verloren.

Kollektive­s Verlorense­in geht über in kollektive­n Jubel und in stehenden Beifall. Eine zart verhaltene, kleine Zugabe beschließt dieses hinreißend­e Konzert mit zwei berückend musizieren­den Interprete­n – und jeder, der an diesem Abend zuhört, verliert sich im Himmel der Musik Franz Schuberts.

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Foto: Ulrike Hampp-Weigand

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