Donauwoerther Zeitung

Ein General, der Krieg und die Milliarden

Der Inspekteur der Luftwaffe gibt bei einer Veranstalt­ung in Huisheim Einblicke in seine Arbeit. Die ist vom Krieg in der Ukraine geprägt.

- Von Wolfgang Widemann

Der Angriff der Russen auf die Ukraine ist seit fast zwei Jahren ein permanent präsentes und beunruhige­ndes Thema. Nicht nur in der Bevölkerun­g, sondern auch für Ingo Gerhartz, Chef der Luftwaffe der Bundeswehr. „Krieg in der Ukraine. Wer hätte das jemals gedacht?“, sagt der Drei-Sterne-General bei einer Veranstalt­ung in Huisheim. Bei dieser gewährt er Einblicke in seine Arbeit. Die ist geprägt von den Ereignisse­n in Osteuropa und deren Folgen.

Den Inspekteur eingeladen hat SPD-Bundestags­abgeordnet­er Christoph Schmid. Der hat regelmäßig mit Gerhartz zu tun, denn der Alerheimer ist Mitglied des Verteidigu­ngsausschu­sses und zudem Berichters­tatter für die Luftwaffe. Der Generalleu­tnant hält sich in diesen Tagen anlässlich der Sicherheit­skonferenz in München auf und unternimmt von dort aus den Abstecher nach Huisheim. Vor annähernd 200 Zuhörerinn­en und Zuhörern geht Gerhartz auf drei Punkte näher ein, die ihm wichtig sind. Die so viel kritisiert­e fehlende Einsatzber­eitschaft der Bundeswehr gelte nicht für alle Bereiche, betont der General.

Als Russland im Februar 2022 in der Ukraine einmarschi­erte, habe er gleich nach einer ersten Krisensitz­ung, die im Kanzleramt stattfand, den Chef (Kommodore) des Luftgeschw­aders 74 in Neuburg angerufen. Der Auftrag: Es seien umgehend Kampfflugz­euge „nach vorne“in das Nato-Partnerlan­d Rumänien zu verlegen: „Das war kurz nach 12 Uhr. Drei Stunden später waren Eurofighte­r auf dem Weg nach Rumänien.“Innerhalb weniger Tages hätten auch Patriot-Raketenabw­ehrsysteme der Bundeswehr in der Slowakei gestanden. „Wir haben gezeigt: Wir können das.“

Permanent beschäftig­t Gerhartz auch die militärisc­he Hilfe für die Ukraine. Dorthin gab die Luftwaffe unter anderem drei ihrer zwölf Patriot-Systeme ab. Die retteten seitdem dort täglich Menschenle­ben. Als ein Radargerät durch einen Treffer zerstört wurde, sei innerhalb von 24 Stunden Ersatz aus Deutschlan­d geliefert worden. Als „ganz schwierige­s Kapitel“bezeichnet­e Gerhartz die Herausford­erung, einerseits solche Systeme der Ukraine zur Verfügung

zu stellen und anderersei­ts die Verteidigu­ngsfähigke­it im eigenen Land hochzuhalt­en.

Ebenfalls eine große Aufgabe bedeute die Modernisie­rung der Streitkräf­te. Nach Ansicht des Generals handelt es sich dabei nicht um eine Aufrüstung, denn: „Wir haben so viel altes Gerät.“Dieses müsse schlicht durch neues ersetzt werden. 30 Jahre lang sei hauptsächl­ich gespart worden. Das Sonderverm­ögen der Bundesregi­erung in Höhe von 100 Milliarden Euro für Neuanschaf­fungen sei für die Truppe „der Jackpot“gewesen: „Das gibt uns viele Möglichkei­ten.“

Dass dabei nur die heimische Industrie zum Zug kommt, sei nicht möglich. So zum Beispiel beim Kauf neuer schwerer Transporth­ubschraube­r, die der Bund bei Boing in den USA bestellt hat: „Um solche in Deutschlan­d zu entwickeln, hätte man vor 15 Jahren das Geld haben sollen.“Freilich reiche das Sonderverm­ögen nicht aus, um die Streitkräf­te auf einem höheren technische­n Niveau nachhaltig zu finanziere­n. Unter dem

Strich habe man jedoch in den vergangene­n Monaten „eine Menge geschafft“, so das Fazit von Gerhartz.

Der setzt sich in Huisheim in einer Dreierrund­e mit Rudi Wais, Mitglied der Chefredakt­ion unserer Zeitung, und Christoph Schmid mit sicherheit­spolitisch­en Fragen auseinande­r. Wais merkt an, die meisten Menschen in Deutschlan­d hätten inzwischen realisiert, welches Gefahrenpo­tenzial im Osten herrscht und verstanden, dass die Bundeswehr deutlich mehr Geld brauche als bisher, um verteidigu­ngsfähig zu bleiben. Schmid zitiert bezüglich der möglichen Schwächung der Bundeswehr durch Materialli­eferungen in die Ukraine Bundeskanz­ler Olaf Scholz: „Wir liefern das, was der Ukraine hilft, und tun nichts, was

uns selber schwächt.“Gerhartz hält es für unabdingba­r, die transatlan­tische Partnersch­aft hochzuhalt­en. Der „Faden“in die USA dürfe nicht gekappt werden.

Der General macht deutlich, dass ihm der Dialog mit den Bürgerinne­n und Bürgern wichtig ist. Die Truppe müsse in der Gesellscha­ft verankert sein. Deshalb stelle er sich auch den Fragen aus dem Publikum, in dem auch ein paar Friedensak­tivisten sitzen, die vor der Sualafeldh­alle mit einem InfoStand vertreten sind. Ein SPD-Mitglied aus Mertingen verweist auf Kritik, wonach die Bestellung von Hubschraub­ern des Typs H145M für die Bundeswehr „am operativen Bedarf vorbeigeht“. Ingo Gerhartz entgegnet, die verantwort­lichen Kollegen des Heeres – vor allem dieses nutzt die leichten Maschinen, die Airbus Helicopter­s in Donauwörth produziert – hätten sich die Anschaffun­g sicher „sehr gut überlegt“. Die Luftwaffe sei mit den H145-Modellen „hoch glücklich“. Christoph Schmid wirft ein, die H145M solle nicht den Kampfhubsc­hrauber

Tiger ersetzen. Der sei doch ein „bewährtes System“, sagt ein Mitarbeite­r von Airbus Helicopter­s, der im Saal sitzt. Bekanntlic­h hat sich der Bund im Gegensatz zu anderen Staaten (noch) nicht dafür entschiede­n, den Tiger weiterzuen­twickeln, der bis vor ein paar Jahren auch in Donauwörth hergestell­t wurde. „Wir müssen uns erst klar werden, in welcher Rolle wir dieses System in Zukunft sehen“, erklärt der Bundestags­abgeordnet­e. Erst einmal werde der H145M geordert, der in der Einsatztak­tik nicht an vorderster Front vorgesehen sei.

Ein Zuhörer stellt die Frage, wie es denn um die innere Sicherheit der Bundeswehr stehe: „Fühlen sich die Soldaten als Teil der Demokratie?“Schmid sagt, er habe in zahlreiche­n Begegnunge­n den Eindruck gewonnen, man könne sich „zu 100 Prozent auf die Bundeswehr verlassen“. Extremiste­n seien freilich auch unter den 180.000 Bundeswehr-Angehörige­n zu finden. Jedoch: Mittlerwei­le habe man die Möglichkei­t, diese schneller aus der Truppe zu entfernen.

„Wir haben gezeigt: Wir können das.“

Ingo Gerhartz, Chef der Luftwaffe

 ?? Foto: Jochen Aumann ?? Mit dem Krieg in der Ukraine und anderen sicherheit­spolitisch­en Fragen beschäftig­ten sich in Huisheim (von links) Rudi Wais (Mitglied der Chefredakt­ion der Augsburger Allgemeine­n), Bundestags­abgeordnet­er Christoph Schmid und Ingo Gerhartz (Inspekteur der Luftwaffe).
Foto: Jochen Aumann Mit dem Krieg in der Ukraine und anderen sicherheit­spolitisch­en Fragen beschäftig­ten sich in Huisheim (von links) Rudi Wais (Mitglied der Chefredakt­ion der Augsburger Allgemeine­n), Bundestags­abgeordnet­er Christoph Schmid und Ingo Gerhartz (Inspekteur der Luftwaffe).

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