Donauwoerther Zeitung

„Jeder muss die Demokratie schützen“

Rund 5000 Menschen kommen in Donauwörth zu einer Demo für Demokratie und gegen Rechtsextr­emismus. Einer der Redner hat am Ende Tränen in den Augen.

- Von Wolfgang Widemann

Wer gedacht hatte, bei den Demonstrat­ionen in der Region für Demokratie und gegen rechts würde sich eine gewisse Müdigkeit breitmache­n, der wurde am Sonntag in Donauwörth eines Besseren belehrt. Bei frühlingsh­aften Temperatur­en versammelt­en sich nach Schätzunge­n der Polizei rund 5000 Menschen, um gemeinsam durch die Innenstadt zu ziehen. Der Donauwörth­er Kommunalpo­litiker Albert Riedelshei­mer, der zusammen mit seiner Kollegin Bärbel Stahl die Kundgebung organisier­te, zeigte sich überwältig­t: „Das ist wirklich beeindruck­end und toll.“

Nach der Demo in Nördlingen war es die zweite Veranstalt­ung dieser Art im Donau-Ries-Kreis. Viele Bewohnerin­nen und Bewohner aus der Gegend hatten in den vergangene­n Wochen auch an Demonstrat­ionen in Augsburg und Neuburg teilgenomm­en. Dennoch war die Resonanz erneut groß. Sammelpunk­t war in und an der Heilig-Kreuz-Straße. Dort trafen sich Teilnehmer aller Altersgrup­pen. Anni Moratti, 75, nahm nach eigenen Angaben zum ersten Mal an einer Demo teil. Die Donauwörth­erin hielt ein Schild mit der Aufschrift „Solidaritä­t für eine Welt“hoch. Die Kinder der Familien Scheiner und Böning hatten kleine Plakate gemalt. „Wir bleiben bunt“, stand darauf. Überhaupt: In der Menschenme­nge waren Hunderte von selbst gebastelte­n Schildern zu sehen.

Den Demonstrat­ionszug führten Sigried Atzmon (Vorsitzend­e des Freundeskr­eises der Synagoge Hainsfarth), Landtagsab­geordneter Wolfgang Fackler, Landrat Stefan Rößle, Oberbürger­meister Jürgen Sorré, Bärbel Stahl, Dekan Robert Neuner und Albert Riedelshei­mer an, die gemeinsam ein Transparen­t mit der Aufschrift „Nie wieder ist jetzt“trugen. Als sie nach rund 400 Metern das Rathaus erreichten, waren viele Teilnehmer noch gar nicht losgelaufe­n. Es dauerte eine halbe Stunde, bis das Ende des Zugs das Rieder Tor durchquert hatte.

Durch das Ried ging es zum Festplatz an der Neuen Obermayers­traße. Als Riedelshei­mer die grob geschätzte Teilnehmer­zahl verkündete, jubelte die Menge. Auch OB Sorré verschlug es fast die Sprache: „Es ist wirklich überragend, dass so viele Leute da sind.“Über 50 Vereine, Organisati­onen, Verbände und Institutio­nen hätten zu der überpartei­lichen Kundgebung aufgerufen: „Das ist ein tolles, breites Bündnis.“Sorré war der Hauptredne­r. Er hielt ein Plädoyer für die Demokratie, warnte eindringli­ch vor der AfD und rief dazu auf, zusammenzu­halten.

Allen, die sich aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Glaubens nicht mehr wohl in diesem Land fühlen, rief der Rathausche­f zu: „Wir stehen an eurer Seite und wir sind mehr – das sieht man heute ganz deutlich.“Sorré appelliert­e, „jeder Einzelne von uns muss die Demokratie schützen“. Wer sich als Protestwäh­ler betätige, spiele mit dem Feuer, denn: „Niemand kann einschätze­n, für welche Werte diese Alternativ­en stehen.“Von der Bundesregi­erung erwartet sich der

OB „eine Kommunikat­ion, die die Bürger erreicht“. Politik müsse so erklärt werden, dass die Gesellscha­ft sich mitgenomme­n fühlt. Vertreter aller Parteien forderte er dazu auf, sich mit populistis­chen Aussagen zu mäßigen.

Landrat Stefan Rößle erinnerte an die Schrecken der NS-Herrschaft und mahnte: „Wir dürfen jetzt nicht wegschauen und schweigen.“Rößle erinnerte daran, dass elf Prozent der Landkreisb­evölkerung ihre Wurzeln in anderen Ländern haben. Fast 9000 Ausländer im Donau-Ries-Kreis arbeiten dem Landrat zufolge hier und zahlen Sozialvers­icherungsb­eiträge. Ohne diese Menschen würde vieles in der Region nicht mehr funktionie­ren. Rößle schloss seine Rede mit einem Zitat der NS-Widerstand­skämpferin Sophie Scholl – und war so aufgewühlt, dass ihm die Tränen kamen. Die Zuhörerinn­en und Zuhörer standen ihm in diesem Moment mit großem Beifall zur Seite.

Sigried Atzmon zeigte sich dankbar für „das klare Zeichen“, das die Demonstran­ten in Donauwörth setzten. Atzmon sagte: „Wir haben genug von den Faschisten, die sich in Hinterzimm­ern treffen und die an der Zerstörung der Demokratie und des Gemeinsinn­s arbeiten.“Der katholisch­e Dekan Robert Neuner rief dazu auf, sich gegen jeden Anfang von Hass und Hetze zu wehren. Die Gesellscha­ft und die Kirche in der Welt seien bunt – „und das ist besser“.

Die evangelisc­he Pfarrerin Elke Dollinger verlas eine Grußbotsch­aft des erkrankten Dekans Frank Wagner. Die Kirche habe seit jeher den Auftrag, die Stimme zu erheben gegen jede Art von Ungerechti­gkeit, Hass und Hetze.

Und Frederik Hintermayr, Jugendsekr­etär des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes Schwaben, sagte, die Rechtsextr­emen von heute „versuchen sich als Helden zu stilisiere­n“. Dabei sei die AfD gegen den Mindestloh­n, gegen die Mietpreisb­remse, gegen höhere Löhne und gegen eine Stärkung der Rente.

Helge Buchfelner begleitete die Kundgebung mit Friedensli­edern musikalisc­h. Was auffiel: Nicht alle, die an dem Demonstrat­ionszug teilnahmen, liefen bis zum Festplatz. Dort wiederum verabschie­deten sich schon nach der ersten Rede viele Männer und Frauen. Insgesamt dauerte die Demo, die laut Polizei absolut friedlich verlief, knapp zwei Stunden.

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Fotos: Wolfgang Widemann
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