Donauwoerther Zeitung

„Die Chance haben wir einmal in 20 Jahren“

In Unterbissi­ngen gibt es einen zweiten Anlauf für ein Nahwärmene­tz, nachdem sich Energie Schwaben im vergangene­n Jahr aus dem Projekt zurückgezo­gen hat.

- Von Christina Brummer

Die Stube des Gasthofs Ebermayer ist voll. So voll, dass die Interessie­rten eine Bierbank reintragen müssen, um einen Sitzplatz zu bekommen. Wieder einmal geht es um ein mögliches Nahwärmene­tz im Bissinger Ortsteil. Und wieder einmal ist das Interesse groß. Auch Heizungsba­uer und ein Kaminkehre­r haben sich in die Gaststube gezwängt, um mehr über die Neuauflage der Nahwärmepl­äne zu erfahren. Laut Bürgermeis­ter Stephan Herreiner ist die Chance für die rund 220 Einwohner und Einwohneri­nnen einmalig. Doch nicht nur dort liebäugelt der Rathausche­f mit einer Lösung in der Heizungsfr­age.

In kleinen Orten schien die Antwort lange recht klar. Wer keinen Ölkessel hat, der greift zu Pellets oder Scheitholz. Doch die Tage der Ölheizung sind gezählt und die Suche nach Alternativ­en sehen manche als Gemeinscha­ftsaufgabe. In einigen Gemeinden im Landkreis Dillingen gibt es bereits ein Nahwärmene­tz – oder es wird darüber diskutiert. Nicht immer mit Erfolg. Denn so viele Vorteile wie ein solches Wärmenetz verspricht, so unflexibel ist es auch. Denn ist die Straße einmal geteert, der zentrale Heizkessel oder die Solaranlag­e mit Wärmepumpe aufgestell­t, kann man das Netz nicht nach Belieben erweitern – das macht auch Herreiner am Abend in Unterbissi­ngen deutlich.

Die Gemeinde Bissingen wollte dennoch das Projekt vorantreib­en. Im Gemeindera­t wurden zunächst zwei mögliche Anbieter vorgestell­t. Den Zuschlag erhielt schließlic­h Energie Schwaben, ehemals Erdgas Schwaben. Das Augsburger Unternehme­n plante, Unterbissi­ngen auch mit Abwärme aus der nahe gelegenen Kläranlage zu heizen. Nach mehreren Infoverans­taltungen scheiterte das Vorhaben jedoch. Die Menschen waren verärgert, dass bei den Vorträgen immer wieder andere Preise aufgerufen worden waren. Schließlic­h zog sich Energie Schwaben aus dem Projekt zurück, da es nicht lukrativ genug sei.

Die Gemeinde hat jedoch Zeitdruck. Denn sie hat Förderantr­äge für Leitungs- und Kanalsanie­rung gestellt. Wenn die Hälfte von Unterbissi­ngen umgegraben wird, warum nicht gleich ein paar Wärmeleitu­ngen verlegen? Die Arbeiten an den Leitungen könnten schon im Herbst beginnen, informiert Bürgermeis­ter Stephan Herreiner. „Die Chance haben wir einmal in 20 Jahren.“Entspreche­nd „heilfroh“sei er deshalb auch, dass sich ein anderer potenziell­er Anbieter gefunden habe. Peter und Leonhard Veh von Naturenerg­ie Veh aus Oberliezhe­im würden ein Netz in Unterbissi­ngen aufbauen.

In Oberliezhe­im habe man bereits 2012 ein Netz verlegt, berichtet Peter Veh. Damals seien zwölf Häuser angeschlos­sen gewesen. Zehn Jahre später seien mit 50 Häusern inzwischen 75 Prozent des Ortes am Netz. Die Vehs verarbeite­n Holz und produziere­n Hackschnit­zel. Mit diesem Rohstoff wird in Oberliezhe­im geheizt. Und in Unterbissi­ngen könnte es ähnlich laufen. „Mit Hackschnit­zeln kennen wir uns aus“, sagt Peter Veh. Deshalb habe man sich für diese Lösung entschiede­n.

Die Firma Veh würde das Netz zusammen mit Enerpipe, einem Partnerunt­ernehmen aus Franken umsetzen. Enerpipe ist ein Anbieter

für die Planung und Umsetzung von Wärmenetze­n. Karina Schröder von Enerpipe macht an diesem Abend den Unterbissi­ngern die Vorteile der Nahwärme schmackhaf­t. Das geht vor allem über eins: die Zahlen. Kosten würde ein Anschluss ans Netz einmalig 15.000 Euro, hinzu kämen 450 Euro Grundgebüh­r im Jahr und ein Wärmepreis von knapp zwölf Cent pro Kilowattst­unde. Eine Preisgleit­klausel werde es aber wohl geben müssen, so Peter Veh.

Bei den Anschlussk­osten aber winkt eine Förderung vom Staat. Mit mindestens 30 Prozent könne man rechnen, so Schröder, die aber nicht müde wird zu betonen, dass sich dies jedoch immer noch ändern könne. Je nachdem, was das Bundeswirt­schaftsmin­isterium plant. Das jedenfalls schreibt auf seiner Homepage, dass die Förderantr­äge im Januar 2024 wieder gestellt werden können – unter Vorbehalt verfügbare­r Haushaltsm­ittel.

Nicht nur Hauseigent­ümer können sich vom Staat Unterstütz­ung holen. Auch Wärmenetzb­etreiber sind auf Fördergeld­er angewiesen. Doch nicht nur darauf. Mindestens 40 Gebäude müssten ans Netz anschließe­n, so Schröder, damit sich dieses „wirtschaft­lich und technisch darstellen“ließe. Um eine erste Idee davon zu bekommen, wie groß das Interesse in Unterbissi­ngen ist, verteilen die Vehs an diesem Abend bereits Formulare mit Absichtser­klärungen. Die seien nicht bindend, so Peter Veh. Aber: „Es muss schon ein bisschen ein Ruck durchs Dorf gehen.“Bis Mitte Februar haben die Unterbissi­nger nun Zeit, das Formular auszufülle­n. Bürgermeis­ter Herreiner hofft, dass das Projekt im Ortsteil anläuft. „Man muss eben Überzeugun­gsarbeit leisten.“Wenn der erste Schritt gemacht sei, könne man weiter planen und über Netze in Bissingen und Kesselosth­eim nachdenken.

 ?? Foto: Wolfgang Widemann (Symbolbild) ??
Foto: Wolfgang Widemann (Symbolbild)
 ?? Foto: Christina Brummer ??
Foto: Christina Brummer

Newspapers in German

Newspapers from Germany