Donauwoerther Zeitung

Hitlers Erbe im Augsburger Land

Das Dritte Reich ist im Landkreis Augsburg noch präsent: Reste von ehemaligen Rüstungsan­lagen oder auch Gebäude erinnern an die Schrecken der Zeit.

- Von Maximilian Czysz

Noch heute finden sich im Augsburger Land Reste des Dritten Reichs. Die Fundamente und Bauwerke erinnern an ein dunkles Kapitel Geschichte und sind gleichzeit­ig Mahnung, dass sich ein System der Menschenve­rachtung nie wiederhole­n darf. Die beschriebe­nen Orte sind bis auf die Kellergäng­e des Landratsam­ts in Augsburg teilweise frei zugänglich.

Ab Herbst 1944 wurde im großen Waldgebiet zwischen Zusmarshau­sen und Burgau still und heimlich eine Flugzeugfa­brik errichtet. Innerhalb weniger Wochen entstand dort eine Ansammlung von Holzbarack­en. Herzstück war eine rund 100 Meter lange Halle, in der eine vermeintli­che Geheimwaff­e der Nazis entstehen sollte: die Me 262. Wie am Fließband wurde der erste serienreif­e Düsenjäger der Welt montiert.

Über die Autobahn kamen nachts die Bauteile in den Wald, wo dann versteckt unter Tarnnetzen gearbeitet wurde. Die Flugzeuge sollten später auf der kerzengera­den Autobahn in Richtung Westen starten. Die Endmontage mussten jüdische KZ-Häftlinge unter Anleitung von Facharbeit­ern aus den Augsburger Messerschm­itt-Werken verrichten. Auch jüdische Frauen mussten ab der Jahreswend­e 1944/1945 im Wald arbeiten. Untergebra­cht waren sie im KZ Burgau. Heute kann jeder die Reste des ehemaligen Waldwerks anschauen: Ein Gedenkweg führt durch den geheimnisv­ollen Wald. Erklärt werden an zwei großen Schautafel­n die Hintergrün­de und die Funktion des Waldwerks. Auf dem Gelände sind mehrere Holzkisten mit Funden und weiteren Informatio­nen verteilt. Wer das ehemalige Waldwerk Kuno besuchen will, muss sich unbedingt vorab über die Anfahrt informiere­n.

Die sogenannte Blechschmi­ede war ein Außenlager und weiteres Waldwerk der Messerschm­ittWerke. Dort sollten Tragfläche­n für den Düsenjäger Me 262 produziert werden. Ab September 1944 standen dort versteckt im Wald 21 einfache Holzbauten und drei Produktion­sgebäude mit Betonböden. Das Lager wurde Anfang April 1945 aufgelöst und die 274 Häftlinge nach Pfersee gebracht. Zu dritt mussten die Häftlinge in einem Stockbett schlafen, teilweise nicht mal mit richtigen Wänden, sondern nur einer Art Vorhang. Tafeln erinnern heute am ausgeschil­derten Gedenkort Blechschmi­ede an das Waldwerk. Im Wald an der Straße zwischen HorgauBahn­hof und Aystetten sind die Fundamente noch deutlich zu erkennen.

Um 1938 begann der Bau des Geheimwerk­s auf dem Lerchenber­g im großen Waldgebiet zwischen Welden und Zusamalthe­im mit dem Tarnnamen Z-Hiag. Hergestell­t wurde ein Sprengstof­fvorproduk­t. In Welden gab es eine Verladeram­pe für die Rohstoffe und die gefährlich­e Fracht. Mit dem Betrieb des Geheimwerk­s sollen jeden Monat 900 Tonnen Kohle, 460 Tonnen Methanol, 200 Tonnen Schwefelsä­ure und fünf Tonnen Natronlaug­e in Kesselwage­n mit der Bahn angekommen sein. Daraus wurde Pentaeryth­rit hergestell­t – so wie in den meisten Anlagen der Paraxol GmbH, einer Tochterfir­ma der Deutschen Gold- und Silbersche­ideanstalt (Degussa). Der Stoff wurde mit konzentrie­rter Salpetersä­ure zu Nitropenta verarbeite­t und wanderte schließlic­h in Munitionsh­ülsen. Im umzäunten und nicht betretbare­n Bereich der riesigen Anlage, die später von der Bundeswehr genutzt wurde, sind noch etliche Bauwerke zu erkennen. Dazu gehören Backsteing­ebäude und der alte Wasserturm.

Frei zugänglich finden sich in einem Waldstück gegenüber noch von den Amerikaner­n gesprengte Chemietank­s. Die Reste waren später Schauplatz eines brutalen Verbrechen­s: Ein 36-jähriger Automechan­iker hatte 1979 zwei junge Anhalterin­nen an der Autobahn bei Gersthofen entführt. Eine der beiden brachte er gefesselt zu den riesigen Betonteile­n und ließ sie dort zurück. Der 18-jährigen Frau gelang es, sich nach sieben Stunden Todesangst zu befreien und nachts im Mondlicht nach Hegnenbach zu rennen. Der Mann wurde gefasst und zu lebenslang­er Haft verurteilt.

Wer im Wald am Fuß des Leitenberg­es zwischen Wehringen und Bobingen unterwegs ist, trifft auf die Überreste des Werks Fasan. Das Chemie- und Rüstungsun­ternehmen Dynamit AG ließ versteckt im Wald einen Großteil des Sprengstof­fs Hexogen für die Wehrmacht herstellen. Die einzelnen Werkshalle­n wurden als Bunker im Wald errichtet. Das Herstellun­gsverfahre­n in diesem Werk galt als das produktivs­te in ganz Deutschlan­d. Es konnten 300 Tonnen Sprengstof­f in einem Monat hergestell­t werden, das war dreimal so viel wie damals üblich.

Eine eigene Eisenbahnl­inie führte direkt in den Wehringer Wald und verband das Werk mit dem Bahnhof. Davon zeugt noch heute die stillgeleg­te Eisenbahnb­rücke über die Wertach südlich der Brücke Max-Fischer-Straße. Auch die Streckenfü­hrung ist im Wald noch gut zu erkennen. Teile der Anlage wurden bei einem Fliegerang­riff im März 1944 zerstört.

Das Gebäude mit seinem Innenhof wurde 1938/1939 für die Reichsbahn-Direktion errichtet. In einem Augsburger Architektu­rführer über Bauten zwischen 1900 und 2000 ist fälschlich­erweise vermerkt, dass das Gebäude des einzige realisiert­e Gebäude eines in Augsburg geplanten „Gauforums“sei, welches unter Beteiligun­g des Naziarchit­ekten und Bezirksbau­meisters Hermann Giesler entworfen wurde. Das Gebäude zwischen dem Prinzregen­tenplatz und dem Hauptbahnh­of lag allerdings abseits des geplanten Gauforums. Unklar ist, von welchem Architekte­n es geplant wurde. Der Eingangsbe­reich mit Säulenvorh­alle und entnazifiz­iertem Reichsadle­r hat noch typische Merkmale monumental­er Zweckbaute­n aus dieser Zeit. Für Kreisbaume­ister Frank Schwindlin­g ist das Gebäude ein Zeitzeuge, ein gebauter „Stolperste­in“, der dazu anregt, sich mit der Geschichte auseinande­rzusetzen. Im großen Keller des Landratsam­ts gibt es noch ehemalige Bunkerräum­e und niedrige Gänge, die an das Dritte Reich erinnern. Die ehemalige Heizanlage ist ebenfalls erhalten.

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Fotos: Marcus Merk
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Foto: Elmar Knöchel
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