Hitlers Erbe im Augsburger Land
Das Dritte Reich ist im Landkreis Augsburg noch präsent: Reste von ehemaligen Rüstungsanlagen oder auch Gebäude erinnern an die Schrecken der Zeit.
Noch heute finden sich im Augsburger Land Reste des Dritten Reichs. Die Fundamente und Bauwerke erinnern an ein dunkles Kapitel Geschichte und sind gleichzeitig Mahnung, dass sich ein System der Menschenverachtung nie wiederholen darf. Die beschriebenen Orte sind bis auf die Kellergänge des Landratsamts in Augsburg teilweise frei zugänglich.
Ab Herbst 1944 wurde im großen Waldgebiet zwischen Zusmarshausen und Burgau still und heimlich eine Flugzeugfabrik errichtet. Innerhalb weniger Wochen entstand dort eine Ansammlung von Holzbaracken. Herzstück war eine rund 100 Meter lange Halle, in der eine vermeintliche Geheimwaffe der Nazis entstehen sollte: die Me 262. Wie am Fließband wurde der erste serienreife Düsenjäger der Welt montiert.
Über die Autobahn kamen nachts die Bauteile in den Wald, wo dann versteckt unter Tarnnetzen gearbeitet wurde. Die Flugzeuge sollten später auf der kerzengeraden Autobahn in Richtung Westen starten. Die Endmontage mussten jüdische KZ-Häftlinge unter Anleitung von Facharbeitern aus den Augsburger Messerschmitt-Werken verrichten. Auch jüdische Frauen mussten ab der Jahreswende 1944/1945 im Wald arbeiten. Untergebracht waren sie im KZ Burgau. Heute kann jeder die Reste des ehemaligen Waldwerks anschauen: Ein Gedenkweg führt durch den geheimnisvollen Wald. Erklärt werden an zwei großen Schautafeln die Hintergründe und die Funktion des Waldwerks. Auf dem Gelände sind mehrere Holzkisten mit Funden und weiteren Informationen verteilt. Wer das ehemalige Waldwerk Kuno besuchen will, muss sich unbedingt vorab über die Anfahrt informieren.
Die sogenannte Blechschmiede war ein Außenlager und weiteres Waldwerk der MesserschmittWerke. Dort sollten Tragflächen für den Düsenjäger Me 262 produziert werden. Ab September 1944 standen dort versteckt im Wald 21 einfache Holzbauten und drei Produktionsgebäude mit Betonböden. Das Lager wurde Anfang April 1945 aufgelöst und die 274 Häftlinge nach Pfersee gebracht. Zu dritt mussten die Häftlinge in einem Stockbett schlafen, teilweise nicht mal mit richtigen Wänden, sondern nur einer Art Vorhang. Tafeln erinnern heute am ausgeschilderten Gedenkort Blechschmiede an das Waldwerk. Im Wald an der Straße zwischen HorgauBahnhof und Aystetten sind die Fundamente noch deutlich zu erkennen.
Um 1938 begann der Bau des Geheimwerks auf dem Lerchenberg im großen Waldgebiet zwischen Welden und Zusamaltheim mit dem Tarnnamen Z-Hiag. Hergestellt wurde ein Sprengstoffvorprodukt. In Welden gab es eine Verladerampe für die Rohstoffe und die gefährliche Fracht. Mit dem Betrieb des Geheimwerks sollen jeden Monat 900 Tonnen Kohle, 460 Tonnen Methanol, 200 Tonnen Schwefelsäure und fünf Tonnen Natronlauge in Kesselwagen mit der Bahn angekommen sein. Daraus wurde Pentaerythrit hergestellt – so wie in den meisten Anlagen der Paraxol GmbH, einer Tochterfirma der Deutschen Gold- und Silberscheideanstalt (Degussa). Der Stoff wurde mit konzentrierter Salpetersäure zu Nitropenta verarbeitet und wanderte schließlich in Munitionshülsen. Im umzäunten und nicht betretbaren Bereich der riesigen Anlage, die später von der Bundeswehr genutzt wurde, sind noch etliche Bauwerke zu erkennen. Dazu gehören Backsteingebäude und der alte Wasserturm.
Frei zugänglich finden sich in einem Waldstück gegenüber noch von den Amerikanern gesprengte Chemietanks. Die Reste waren später Schauplatz eines brutalen Verbrechens: Ein 36-jähriger Automechaniker hatte 1979 zwei junge Anhalterinnen an der Autobahn bei Gersthofen entführt. Eine der beiden brachte er gefesselt zu den riesigen Betonteilen und ließ sie dort zurück. Der 18-jährigen Frau gelang es, sich nach sieben Stunden Todesangst zu befreien und nachts im Mondlicht nach Hegnenbach zu rennen. Der Mann wurde gefasst und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Wer im Wald am Fuß des Leitenberges zwischen Wehringen und Bobingen unterwegs ist, trifft auf die Überreste des Werks Fasan. Das Chemie- und Rüstungsunternehmen Dynamit AG ließ versteckt im Wald einen Großteil des Sprengstoffs Hexogen für die Wehrmacht herstellen. Die einzelnen Werkshallen wurden als Bunker im Wald errichtet. Das Herstellungsverfahren in diesem Werk galt als das produktivste in ganz Deutschland. Es konnten 300 Tonnen Sprengstoff in einem Monat hergestellt werden, das war dreimal so viel wie damals üblich.
Eine eigene Eisenbahnlinie führte direkt in den Wehringer Wald und verband das Werk mit dem Bahnhof. Davon zeugt noch heute die stillgelegte Eisenbahnbrücke über die Wertach südlich der Brücke Max-Fischer-Straße. Auch die Streckenführung ist im Wald noch gut zu erkennen. Teile der Anlage wurden bei einem Fliegerangriff im März 1944 zerstört.
Das Gebäude mit seinem Innenhof wurde 1938/1939 für die Reichsbahn-Direktion errichtet. In einem Augsburger Architekturführer über Bauten zwischen 1900 und 2000 ist fälschlicherweise vermerkt, dass das Gebäude des einzige realisierte Gebäude eines in Augsburg geplanten „Gauforums“sei, welches unter Beteiligung des Naziarchitekten und Bezirksbaumeisters Hermann Giesler entworfen wurde. Das Gebäude zwischen dem Prinzregentenplatz und dem Hauptbahnhof lag allerdings abseits des geplanten Gauforums. Unklar ist, von welchem Architekten es geplant wurde. Der Eingangsbereich mit Säulenvorhalle und entnazifiziertem Reichsadler hat noch typische Merkmale monumentaler Zweckbauten aus dieser Zeit. Für Kreisbaumeister Frank Schwindling ist das Gebäude ein Zeitzeuge, ein gebauter „Stolperstein“, der dazu anregt, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Im großen Keller des Landratsamts gibt es noch ehemalige Bunkerräume und niedrige Gänge, die an das Dritte Reich erinnern. Die ehemalige Heizanlage ist ebenfalls erhalten.