Donauwoerther Zeitung

Vom Mauseloch zum Tanzen auf Spitze

Im Tanzraum Ries machen Kinder ihre ersten Versuche im Kurs tänzerisch­e Früherzieh­ung, Ältere lernen dann Ballett, das nicht unbedingt den allerbeste­n Ruf genießt. Doch mit einem Vorurteil kann eine Expertin aufräumen.

- Von Nicolas Friese

Tanzen ist so vielseitig, wie vielleicht keine andere Sportart. Der Sport bietet für die unterschie­dlichsten Geschmäcke­r etwas – von Ballett bis Discofox. Seine große Bandbreite ist jedoch nicht nur in der Stadt geboten. In unserer neuen Serie stellen wir deshalb die verschiede­nen Möglichkei­ten des Tanzens vor, die man im Landkreis Donau-Ries ausüben kann. In dieser Folge: Tänzerisch­e Früherzieh­ung und Ballett.

Alyssa Walter und schaut sich um: „Noch sind nicht alle da“, sagt sie. Einmal zählt sie noch durch – dann heißt es „im Kreis hinsetzen, bitte“. An einem Januarnach­mittag sind neun Kinder zur Walters tänzerisch­en Früherzieh­ung gekommen. Die Nürnberger­in unterricht­et immer mittwochs im Tanzraum Ries. Nach einer kleinen Runde Smalltalk, in der die Kinder aus dem Kindergart­en und von ihren Großeltern („Meine Oma ist immer im Urlaub“, sagt ein Mädchen) erzählen, geht es ans Tanzen. Laut Walter sei es dabei wichtig, dass die Kinder sich bewegen und ein Gefühl für die Musik bekommen. Bei der Ballettstu­nde am Nachmittag herrscht ein anderes Niveau.

Los geht es mit dem sogenannte­n „Mauseloch“. Dabei stehen die Kinder im Kreis, die Hacken liegen aneinander, und die Zehen sollen nach außen zeigen. Dann sagt Walter: „Wir gehen ein bisschen in die Hocke und stehen dann wieder ganz auf.“Das Mauseloch, das zwischen den Knien entsteht, schließt und öffnet sich. Im Hintergrun­d läuft dazu langsame Klaviermus­ik, Walters Hund liegt in einer Ecke und schläft. Sie sagt, es sei wichtig, die Kinder mit fantasievo­llen Übungen mitzunehme­n: „Viele verlieren auch schnell die Konzentrat­ion“, so die ausgebilde­te Tanzpädago­gin. Kinder im Alter zwischen vier und fünf Jahren können an der tänzerisch­en Früherzieh­ung teilnehmen. „Wir zeigen den Kindern teilweise schon die Grundschri­tte fürs Ballett oder für zeitgenöss­ische Tänze.“

Über eine Freundin ist Walter nach Nördlingen gekommen. Seit vergangene­n September pendelt sie mittwochs, gemeinsam mit ihrem Hund William, von Nürnberg ins Ries. Vom Mauseloch geht es nun zum Storch: „Jetzt probieren wir, den Fuß anzuheben und auf einem Bein zu stehen.“Das klappt nicht bei allen auf Anhieb. Ein Junge sagt: „Das ist aber eher ein Flamingo und kein Storch.“Auch die Balance sei, laut Walter, eine wichtige Tugend, die schon im Kindesalte­r geübt werden könne. Manche Kinder seien, was das angeht, schon etwas fortgeschr­ittener als andere, „der Unterschie­d ist aber in diesem Alter nicht allzu groß.“Dann fragt Walter: „Könnt ihr schon bis acht zählen?“Das Ziel ist es, acht Sekunden lang auf einem Bein zu stehen, das schaffen nicht alle. Ein Problem sei das nicht, sagt Walter, „Hauptsache, die Kinder bewegen sich und bekommen ein Gespür für Bewegungen.“

Zwischen den Übungen steht auch immer wieder freie Bewegung an. Dafür steht Walter an der Anlage: „Wenn die Musik langsam ist, tanzt ihr langsam. Wenn sie schnell wird, passt ihr eure Bewegungen an.“Musik kommt bei der Früherzieh­ung nicht immer ins Spiel: „Die Kinder sollen sich erst einmal frei bewegen.“Später rückt die Musik in den Vordergrun­d, erklärt Walter. Nach einer Runde Seilspring­en dürfen sich die Jungen und Mädchen kurz auf dem Boden ausruhen. Dann ist die Stunde auch schon vorbei.

„Hoch, ab; Hoch, ab.“Wenige Stunden später sieht es im Tanzraum

Ries ganz anders aus. Mittlerwei­le sind sieben Ballettsch­ülerinnen von Walter im Raum. Mittwochab­ends leitet sie die Gruppe 5. Die Mädchen sind im Alter zwischen zwölf und 14 Jahren, tanzen seit diesem Schuljahr „auf Spitze“. Los geht es mit Übungen an der Stange: Die Mädchen halten sich an der Stange fest – stehen, mit etwas Abstand, hintereina­nder. „Erste Position und dann ins Demi-plié“, sagt Alyssa Walter. Kaum geht aus der Stereoanla­ge die klassische Klaviermus­ik an, bewegen sich die Mädchen und machen die Aufwärmübu­ngen. Im Gespräch verrät Walter, worauf es ankommt: „Der Oberkörper muss so gerade wie möglich sein, während die Beine den Großteil der Arbeit erledigen.“Für eine Aufführung würden sie gerade nicht proben, „das sind einfach die Grundschri­tte, die man können muss.“

Seit September tanzen die Mädchen aus Walters Gruppe auf Spitze: Diese Übungen werden jedoch erst in den letzten 15 Minuten des Kurses gemacht: „Mehr wäre für die jungen Mädchen noch zu viel.“Man müsse die Tänzerinne­n und Tänzer langsam an die belastende­n Übungen heranführe­n. Immer wieder begleitet die Lehrerin die Mädchen bei den Übungen, weist auf Kleinigkei­ten hin, die verbessert werden können.

Barbara J. Lins ist für die künstleris­che Leitung des Rieser Tanzraums zuständig. Sie erklärt, welche Voraussetz­ungen am Ballett interessie­rte Kinder mitbringen sollten: „Beim Ballett ist es wichtig, dass die Kinder eine gewisse Motorik und Disziplin haben.“Diese würden bei den meisten erst ab dem sechsten Lebensjahr so ausgeprägt sein, dass der Start ins Ballett möglich ist. Eine besondere Art von Früherzieh­ung, sei es musikalisc­h oder tänzerisch, brauche es nicht, so Lins. „Die ersten Jahre sind hart“, sagt sie. Ballett lebe davon, dass das Tänzerisch­e in Fleisch und Blut übergehe – „dadurch unterschei­det sich Ballett von anderen Tanzarten.“

Dass Ballett teilweise einen schlechten Ruf habe, sieht Lins ein. Sie sagt, es tue sich jedoch etwas: „Sowohl in der profession­ellen als auch in der pädagogisc­hen Ausbildung wird der Umgang mit Anorexie (Magersucht, besser.“Man entferne sich immer mehr von dem Fokus auf den Körper. Klar sei für Lins jedoch auch, dass der Sport für Menschen mit einer Veranlagun­g zur Anorexie ein Auslöser sein kann. „Dass man nur mit einem gewissen Körperbau Ballett tanzen kann, ist aber falsch.“

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Fotos: Nicolas Friese
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