Donauwoerther Zeitung

Ampel-Streit lässt Wirtschaft schrumpfen

Seit dem Heizungsge­setz sehen Experten große Verunsiche­rung. Ifo-Chef Fuest warnt vor Abwanderun­g von Unternehme­n ins Ausland.

- Von Michael Kerler und Michael Pohl

Die Konjunktur­krise in Deutschlan­d könnte sich laut Wirtschaft­sforschern verschärfe­n, wenn es der Ampelkoali­tion nicht bald gelingt, Geschlosse­nheit in der Wirtschaft­spolitik zu finden. „Das Hauptprobl­em ist, dass derzeit in der Bundesregi­erung keine Einigkeit über die richtige wirtschaft­spolitisch­e Strategie für das Land herrscht“, sagte Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts, unserer Redaktion. Fuest befürchtet britische Verhältnis­se: „Die Politikuns­icherheit in der deutschen Wirtschaft ist derzeit so hoch wie in Großbritan­nien im Jahr des Brexits.“Das kurzfristi­g größte Hindernis für Wachstum sieht auch Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, in fehlendem Vertrauen in die Politik: „Ich würde mir mehr Einigkeit der demokratis­chen Parteien wünschen.“

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) hat angekündig­t, dass die Bundesregi­erung ihre Konjunktur­prognose für dieses Jahr deutlich senken wird – auf 0,2 Prozent. Im Herbst war die Regierung noch von deutlich höheren 1,3 Prozent Wachstum ausgegange­n. Auch nach Einschätzu­ng der Bundesbank hält die Schwäche der deutschen Wirtschaft an. Die Wirtschaft­sleistung könnte im ersten Quartal 2024 erneut leicht sinken.

Ifo-Chef Fuest befürchtet eine Verschlech­terung, wenn die Unsicherhe­it im Bund anhält: „Wenn Unternehme­n nicht genau wissen, wohin die Politik steuert, stellen sie große Investitio­nen zurück oder investiere­n im Ausland“, sagt er. Die Bauwirtsch­aft leide unter hohen Zinsen und Baukosten, es gebe aber auch eine große politische Verunsiche­rung, ob nach dem Streit um das Heizungsge­setz neue böse Überraschu­ngen kommen. „Die Verunsiche­rung der Wirtschaft muss sich die Ampel zuschreibe­n lassen.“

Die deutsche Wirtschaft leidet Fuest zufolge unter mehreren Problemen: Hohe Energiepre­ise, eine schleppend­e Exportnach­frage, dazu spezielle deutsche Probleme wie Bürokratie, hohe Steuern und fehlende Fachkräfte. „Die Bundesregi­erung hätte die Mittel, die Probleme anzugehen und zu lösen“, bleibt er zuversicht­lich. „Das Haupthinde­rnis ist, dass es dieser Koalition sehr, sehr schwerfäll­t, sich auf einen gemeinsame­n Kurs zu einigen.“

In der Regierung gab es zuletzt Streit um Entlastung­en für Unternehme­n. Wirtschaft­sminister Habeck hatte vorgeschla­gen, künftige Steuererle­ichterunge­n und Steueranre­ize durch ein neues, schuldenfi­nanziertes Sonderverm­ögen zu finanziere­n. Finanzmini­ster Christian Lindner wies es umgehend zurück, Milliarden Euro neue Schulden zu machen. Der FDP-Chef schlug vor, stattdesse­n das Bürgergeld nicht zu erhöhen. Streit gibt es auch um das Wachstumsc­hancengese­tz, das die Wirtschaft um bis zu sieben Milliarden Euro bis 2028 entlasten will. Es sieht Prämien für klimafreun­dliche Investitio­nen vor. Weil es aber teilweise zu Einnahmeau­sfällen bei den Bundesländ­ern führt, gibt es nun Widerstand der Länder.

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt verlangt einen Kurswechse­l der Koalition: „Die Ampel hat Deutschlan­d wirtschaft­lich die Rote Laterne verpasst“, kritisiert er. „Deutschlan­d kann es deutlich besser“, sagt Dobrindt und fordert „einen Comeback-Plan Deutschlan­d“mit geringeren Unternehme­nssteuern, weniger Bürokratie und wettbewerb­sfähigen Energiepre­isen. „Mit der Kürzung beim Agrardiese­l zeigt die Ampel allerdings das Gegenteil“, kritisiert er. „Wer es ernst meint mit Entlastung, muss diesen Irrweg stoppen. Dann kann eine Zustimmung der Union im Vermittlun­gsausschus­s zum sogenannte­n Wachstumsc­hancengese­tz erreicht werden.“

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