Ampel-Streit lässt Wirtschaft schrumpfen
Seit dem Heizungsgesetz sehen Experten große Verunsicherung. Ifo-Chef Fuest warnt vor Abwanderung von Unternehmen ins Ausland.
Die Konjunkturkrise in Deutschland könnte sich laut Wirtschaftsforschern verschärfen, wenn es der Ampelkoalition nicht bald gelingt, Geschlossenheit in der Wirtschaftspolitik zu finden. „Das Hauptproblem ist, dass derzeit in der Bundesregierung keine Einigkeit über die richtige wirtschaftspolitische Strategie für das Land herrscht“, sagte Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts, unserer Redaktion. Fuest befürchtet britische Verhältnisse: „Die Politikunsicherheit in der deutschen Wirtschaft ist derzeit so hoch wie in Großbritannien im Jahr des Brexits.“Das kurzfristig größte Hindernis für Wachstum sieht auch Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, in fehlendem Vertrauen in die Politik: „Ich würde mir mehr Einigkeit der demokratischen Parteien wünschen.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat angekündigt, dass die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr deutlich senken wird – auf 0,2 Prozent. Im Herbst war die Regierung noch von deutlich höheren 1,3 Prozent Wachstum ausgegangen. Auch nach Einschätzung der Bundesbank hält die Schwäche der deutschen Wirtschaft an. Die Wirtschaftsleistung könnte im ersten Quartal 2024 erneut leicht sinken.
Ifo-Chef Fuest befürchtet eine Verschlechterung, wenn die Unsicherheit im Bund anhält: „Wenn Unternehmen nicht genau wissen, wohin die Politik steuert, stellen sie große Investitionen zurück oder investieren im Ausland“, sagt er. Die Bauwirtschaft leide unter hohen Zinsen und Baukosten, es gebe aber auch eine große politische Verunsicherung, ob nach dem Streit um das Heizungsgesetz neue böse Überraschungen kommen. „Die Verunsicherung der Wirtschaft muss sich die Ampel zuschreiben lassen.“
Die deutsche Wirtschaft leidet Fuest zufolge unter mehreren Problemen: Hohe Energiepreise, eine schleppende Exportnachfrage, dazu spezielle deutsche Probleme wie Bürokratie, hohe Steuern und fehlende Fachkräfte. „Die Bundesregierung hätte die Mittel, die Probleme anzugehen und zu lösen“, bleibt er zuversichtlich. „Das Haupthindernis ist, dass es dieser Koalition sehr, sehr schwerfällt, sich auf einen gemeinsamen Kurs zu einigen.“
In der Regierung gab es zuletzt Streit um Entlastungen für Unternehmen. Wirtschaftsminister Habeck hatte vorgeschlagen, künftige Steuererleichterungen und Steueranreize durch ein neues, schuldenfinanziertes Sondervermögen zu finanzieren. Finanzminister Christian Lindner wies es umgehend zurück, Milliarden Euro neue Schulden zu machen. Der FDP-Chef schlug vor, stattdessen das Bürgergeld nicht zu erhöhen. Streit gibt es auch um das Wachstumschancengesetz, das die Wirtschaft um bis zu sieben Milliarden Euro bis 2028 entlasten will. Es sieht Prämien für klimafreundliche Investitionen vor. Weil es aber teilweise zu Einnahmeausfällen bei den Bundesländern führt, gibt es nun Widerstand der Länder.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verlangt einen Kurswechsel der Koalition: „Die Ampel hat Deutschland wirtschaftlich die Rote Laterne verpasst“, kritisiert er. „Deutschland kann es deutlich besser“, sagt Dobrindt und fordert „einen Comeback-Plan Deutschland“mit geringeren Unternehmenssteuern, weniger Bürokratie und wettbewerbsfähigen Energiepreisen. „Mit der Kürzung beim Agrardiesel zeigt die Ampel allerdings das Gegenteil“, kritisiert er. „Wer es ernst meint mit Entlastung, muss diesen Irrweg stoppen. Dann kann eine Zustimmung der Union im Vermittlungsausschuss zum sogenannten Wachstumschancengesetz erreicht werden.“