Donauwoerther Zeitung

Demos gegen Hass: Wie geht es weiter?

5000 Menschen bei der Kundgebung in Donauwörth, 2700 in Nördlingen. Die Organisato­ren sagen, dass die Aktionen nicht die letzten im Donau-Ries-Kreis waren. Es waren Menschen jeder Altersgrup­pe dabei.

- Von Thomas Hilgendorf

„Donauwörth steht auf“– das war das Motto der Demonstrat­ion gegen Hass und Hetze am Sonntag in der Innenstadt. Und Donauwörth stand auf: Bis zu 5000 Menschen säumten die Straßen, die Reichsstra­ße war dabei vom Fuggerhaus am oberen Ende bis hinunter zum Rathaus voll mit Demonstrie­renden. In Nördlingen waren zuvor etwa 2700 Bürgerinne­n und Bürger auf die Straße gegangen. Angesichts der anstehende­n Europawahl sowie den Landtagswa­hlen im Osten stellt sich nun die Frage: War es das mit den Demos gegen Extremismu­s in der Region oder war das erst der Auftakt?

Am Tag danach ist Bärbel Stahl hörbar erleichter­t. Alles sei gut gegangen, eine Demo mit so vielen Teilnehmer­n in einer 20.000 Einwohner-Stadt organisier­e man ja nicht alle Tage. Es war kaum absehbar, wie viele Interessie­rte und Engagierte kommen würden, nachdem bereits in Augsburg (gut 25.000 Teilnehmer) und Nördlingen kurz vorher demonstrie­rt worden war. Gerechnet hatten die Organisato­ren

bei den ersten Planungen mit 1000 Demonstrat­ionsteilne­hmern.

Insofern sei sie jetzt sowohl „überrascht“als auch „überglückl­ich“, sagt Stahl. Stolz sei sie auf die Menschen, die aus der Stadt, aber auch aus der ganzen Region kamen, um Flagge und Gesicht zu zeigen gegen Hetze und Extremismu­s.

Anlass für die dieser Tage deutschlan­dweit stattfinde­nden Kundgebung­en war ein Treffen von Vertretern rechtsextr­emer Kreise in Potsdam, bei dem es um das Thema der Ausweisung („Remigratio­n“) breiter Bevölkerun­gsteile mit Migrations­hintergrun­d sowie offenbar auch politisch Andersdenk­ender ging. Bei jenem Treffen waren auch einflussre­iche Vertreter der AfD sowie der rechtsextr­emistische­n Identitäre­n Bewegung (IB) zugegen.

In Donauwörth protestier­te längst nicht nur links gerichtete­s Wählerklie­ntel, beziehungs­weise solches links der Mitte gegen solche deportatio­nsähnliche­n Absichten, es handelte sich um ein breites Bündnis politische­r Parteien und Gruppierun­gen sowie kirchliche­r, sozialer und gesellscha­ftlicher Verbände und Vereine. Oberbürger­meister Jürgen Sorré sprach am Sonntag von gut 50 Gruppierun­gen unterschie­dlichster Couleur, die sich angemeldet hatten: alle im Stadtrat vertretene­nen Gruppen waren dabei, die beiden großen christlich­en Kirchen (zudem die rumänisch-orthodoxe Gemeinde), Jugendverb­ände, Caritas, Diakonie, Gewerkscha­ften und, und, und. Bärbel Stahl betont, dass man seitens des Organisati­onsteams

die Vereine „nicht aktiv angeschrie­ben“habe, und es gerade deshalb umso erfreulich­er sei, dass so viele Präsenz zeigten.

Die Werbung über die sozialen Netzwerke, die letztlich wie eine digitale Flüsterpos­t lief, habe im großen Stil funktionie­rt. Viele Gruppen hätten zudem ihr Logo an die Macher der Internetse­ite www.donauwoert­h-steht-auf.de gesendet und somit bereits im Vorfeld Solidaritä­t gezeigt. Dieses „breite Bündnis der Mehrheit“ habe, so Stahl, wahrschein­lich viele „Privatpers­onen“aus der Mitte ermutigt, mitzumarsc­hieren. „Es waren auch viele Familien da, Menschen jeder Altersgrup­pe. Da waren keine Extremiste­n, es gab keine bedenklich­en Plakate“, resümiert Stahl, die für Bündnis 90/ die Grünen im Donauwörth­er Stadtrat sitzt.

Ein so breit gefächtert­er „Querschnit­t durch die Bevölkerun­g“sei wahrschein­lich zuletzt in den 1990er Jahren gemeinsam auf die Straßen gegangen, als vielerorts in der Republik im Zuge brennender Asylheime Lichterket­ten organisier­t worden waren.

Doch wie soll es jetzt weitergehe­n? Sind weitere Demonstrat­ionen in Donauwörth und Umgebung geplant oder war es das? Stahl sagt, man müsse das genaue Vorgehen erst in den kommenden Tagen beraten. Ausgeschlo­ssen sei eine Fortsetzun­g nicht. Wichtig sei nun aber vor allem, dass die „Mehrheit der Bevölkerun­g“, die eben extremisti­sches Gedankengu­t ablehne, auch spüre, dass sie tatsächlic­h in der Mehrheit sei. Auf der anderen Seite müssten die Spitzen der demokratis­chen Parteien jetzt liefern und nachhaltig verstehen, dass sie sich verstärkt um diese Menschen und ihre Anliegen kümmern müssten. Es handle sich schließlic­h um die Menschen, die der Demokratie im Lande den Rücken stärkten. Auch jene, die bislang erwogen hätten, Protest zu wählen, sollten angesichts der Breite des gesellscha­ftlichen Gegenwinds zumindest noch einmal über ihr Vorhaben nachdenken.

Elisa Pfaff, Organisato­rin der Nördlinger Demo, betont auf Nachfrage der Redaktion, dass „das gemeinsame Engagement für eine demokratis­che und offene Gesellscha­ft“auf „keinen Fall eine einmalige Sache“sei. Man werde „weiter aktiv bleiben“. Albert Riedelshei­mer, Stadtrat und am Sonntag Demo-Leiter in Donauwörth, hält auch andere Kundgebung­s- und Aktionsfor­men für möglich. Auch solle die gesellscha­ftliche Breite bei den Kundgebung­en weiter wachsen, beispielsw­eise könnten sich Sportverei­ne beteiligen. Eines steht für Riedelshei­mer wie auch für Stahl und Pfaff unterdesse­n fest: „Die eigentlich­e Arbeit beginnt jetzt, nach der Demo“– auch indem man Courage gegen Hass auch im Alltag zeige.

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Foto: Wolfgang Widemann

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