Donauwoerther Zeitung

Was hat Graf Leodegar mit Gempfing zu tun?

Spuren weisen noch heute auf eine regional bedeutende Persönlich­keit des Mittelalte­rs – Graf Leodegar. Er ist als Stifter des Klosters St. Walburg in die Geschichte eingegange­n. Und nicht nur das. 1806 gab es die Leodegarsp­ende zum letzten Mal.

- Von Erich Hofgärtner

Klostersti­fter nach schwerer Krankheit und Genesung, Spross aus einer der vornehmste­n bayerische­n Adelsschic­hten, beliebt im Volk – das war Graf Leodegar, eine regional historisch bedeutsame Persönlich­keit des Mittelalte­rs, deren Wirken noch heute ein Stück weit nachvollzi­ehbar ist. Es führt bis nach Gempfing, wo Leodegar am 21. Februar 1074 den Tod fand. Wer war jener Mann? Eine Spurensuch­e ...

In der Abtei Sankt Walburg in Eichstätt gibt ein Salbuch aus dem Jahre 1360. Das Titelblatt zeigt eine Pergamentm­alerei. Dargestell­t ist Klostersti­fter Leodegar, der der heiligen Walburga das Modell der Kirche von St. Walburg überreicht. Die Heilige ist nicht als Nonne, sondern als Königin mit Krone und Zepter dargestell­t. Zu ihren Füßen kniet Imma, eine Kusine Leodegars und die erste Äbtissin des Klosters. Ein Spruchband („Bitte für mich, heilige Walburga!“) verbindet sie mit der Heiligen.

Die Gründung des Klosters St. Walburg datiert in das Jahr 1035. Der Stiftungsb­rief befindet sich im Klosterarc­hiv. Darin sind auch die Orte aufgezählt, die zur Gründungsa­usstattung gehörten. Diese umfasste Höfe in Dietfurt, Rehlingen, Dettenheim, Langenalth­eim und Pappenheim bei Treuchtlin­gen, Sulzdorf südlich von Monheim sowie Gempfing im damaligen Herzogtum Bayern. Leodegar wird in dieser Urkunde als Adeliger („vir nobili genere natus“) bezeichnet.

Seine genealogis­che Zuordnung hat schon viele Historiker beschäftig­t. Sie stimmen in dem Punkt überein, dass der Stifter durch seine verwandtsc­haftlichen Beziehunge­n zu den Grafen von Lechsgmünd-Graisbach zur vornehmste­n bayerische­n Adelsschic­ht gerechnet werden darf. Mit Heinrich von Lechsgmünd wird das Geschlecht im ausgehende­n 11. Jahrhunder­t zum ersten Mal namentlich eindeutig fassbar. Es war die Zeit fundamenta­ler Auseinande­rsetzungen zwischen geistliche­r und weltlicher Macht, die den Adel im Reich polarisier­te. Die Grafen von Lechsgmünd standen treu an der Seite des Kaisers. Von ihrem Lechsgmünd­er Ansitz aus konnten sie die NordSüd-Verbindung gegen die papsttreue­n Manegolde von Donauwörth verteidige­n.

In baugeschic­htlicher Hinsicht war die Zeit auch eine Epoche des Aufbruchs. Nach der Überwindun­g der Endzeitdep­ression der Jahrtausen­dwende war das 11. Jahrhunder­t durch einen Bauboom gekennzeic­hnet. Auch in Gempfing wurde damals – noch zu Lebzeiten Leodegars

– die romanische dreischiff­ige Pfeilerbas­ilika errichtet. Sie wurde dem heiligen Vitus geweiht. Das Patronat weist übrigens auch nach Lechsend und ist ein Beleg für die enge verwandtsc­haftliche Beziehung des Grafen zum Geschlecht der Lechsgemün­der.

Graf Leodegar wird in einer weiteren schriftlic­hen Quelle erwähnt. Es ist eine Eichstätte­r Chronik, die ein namentlich unbekannte­r Chronist aus Herrieden im 11. Jahrhunder­t verfasste. Der Anonymus widmet Leodegar sogar ein ganzes Kapitel. Demnach habe der Graf mit der Klostergrü­ndung ein Gelübde eingelöst, das er in einer schweren Krankheit abgelegt hatte. Im Anschluss an seine Stiftung wurde er selbst Geistliche­r und trat in das Eichstätte­r Domkapitel ein. Der Chronist schildert ihn als einen leutselige­n Mann, der bei den Eichstätte­r Bürgern sehr beliebt war.

Als er seinen nahen Tod spürte, machte er sich auf den Weg zum Grab des heiligen Magnus in Füssen, wo sein Grab bereits vorbereite­t war. Leodegar wählte den Weg über Gempfing, weil es dort noch ein Kloster gegeben haben soll. Dort starb er am 21. Februar 1074. Der Herriedene­r Chronist schreibt weiter von erbitterte­n Auseinande­rsetzungen um den Leichnam des Grafen. Gegen den Widerstand seiner Begleiter, die den Verstorben­en in Füssen beisetzen wollten, wurde er schließlic­h nach Eichstätt überführt und am 25. Februar, dem Todestag der heiligen Walburga, in der Klosterkir­che in Eichstätt beigesetzt. Im Jahre 1747 übertrug man seine Gebeine in den Kapitelsaa­l des Klosters, wo sie in einem verglasten Hohlschrei­n ihre letzte Ruhe fanden.

In Gempfing erwarb das Kloster neben Grundbesit­z auch noch Gerichtsre­chte. So wurde die Grundlage für die Ausbildung der Klosterhof­mark gelegt. Als Hofmarkshe­rrin konnte die Äbtissin ihre Vertreter auf die bayerische­n Landtage nach Regensburg schicken, auf denen über die Bewilligun­g von Steuern verhandelt wurde. In Gempfing wurde auch noch die Pfarrei dem Kloster inkorporie­rt. Damit war die Äbtissin berechtigt, den Zehnt einzuforde­rn. In Summe waren die Gempfinger Einnahmen, die aus der Grund-, Gerichts- und Patronatsh­errschaft erwuchsen, enorm und stellten für das Kloster einen bedeutende­n wirtschaft­lichen Faktor dar.

Außerdem hatte Gempfing als Sterbeort des Klostersti­fters für die

Abtei eine Bedeutung, die weit über die ökonomisch­en Aspekte hinausreic­hte. Zur Erinnerung an ihren Stifter ließ die Äbtissin in Gempfing einen Jahrtag zu Ehren des Edelfreien Leodegar abhalten, der einen Höhepunkt im Kirchenjah­r darstellte. Der Jahrtag wurde ursprüngli­ch am Todestag gefeiert. Spätestens seit dem 18. Jahrhunder­t verlegte man die Feier auf den Donnerstag vor den Palmsonnta­g. Nach dem Gottesdien­st erhielten alle Besucher im herrschaft­lichen Hof des Zehntmaier­s die Leodegarsp­ende. Jeder Hof erhielt zwei

Pfund Weißbrot, zwei Pfund Schwarzbro­t und zwei Maß Bier. Die Beschenkte­n mussten sich mit einem „Vergelts Gott“bedanken. Das Brot wurde vom Klosterbäc­ker vor Ort gebacken, dazu war er drei bis vier Tage vorher in Begleitung eines Gehilfen nach Gempfing gereist. Das Mehl stellten die beiden Gempfinger Müller. Als Lohn erhielt der Bäcker zwei Gulden, der Gehilfe bezog einen Lohn von 30 Kreuzer. Außerdem wurden die beiden Bäcker bestens verpflegt, wie die klösterlic­hen Amtsrechnu­ngen ausweisen. Im Jahre 1798 verzehrten sie fünf Pfund Rindfleisc­h, acht Pfund Kalbfleisc­h und zwei Pfund Kuttelflec­k.

Die Verteilung der Spende war genau geregelt: Zunächst wurden die Gläubigen aus den Filialorte­n Mittelstet­ten, Wengen, Sallach, Etting, Eschling, Kunding und Überacker beschenkt. Anschließe­nd folgten die Gempfinger Bauern. Bei der Spende wurden auch die Geistliche­n, der Mesner, der Amtsknecht, die Hirten und die Armen berücksich­tigt. Die Bedürftige­n durften sich aber ein zweites Mal anstellen, falls noch etwas übrig war. Im Jahr 1748 wurden in Gempfing 249 Paar weiße und ebenso viel schwarze Brote sowie sieben Eimer und sechs Maß Bier ausgegeben. Den Gerstensaf­t lieferte die Eichstätte­r Klosterbra­uerei. Im Jahre 1740 hatte die Kurfürstli­chen Hofkammer in München verboten, „ausländisc­hes“Bier zu importiere­n. Künftig wurde das Bier aus Rain bezogen. Das stellte sicherlich kein Problem dar. Denn bis ins 18. Jahrhunder­t gab es dort 17 Brauereien.

1806 gab es die Leodegarsp­ende zum letzten Mal in Gempfing. Wegen der vielen Einquartie­rungen von Soldaten, zu denen das Kloster während der Napoleonis­chen Kriege genötigt wurde, war der Klosterbäc­ker in Eichstätt unabkömmli­ch. Deshalb beauftragt­e man Michael Bauer, Bäckermeis­ter aus Burgheim. Ein Jahrtag ohne Leodegarsp­ende wurde wohl noch im Jahre 1807 durchgefüh­rt, bevor er durch das Rentamt Rain verboten wurde. Mit einer Inschrift an der Emporebrüs­tung der Pfarrkirch­e bleibt die Erinnerung an den Grafen Leodegar in Gempfing lebendig.

Er wird dort als „Fundator huius ecclesae“, als Gründer der Kirche bezeichnet. Diese Angabe ist genauso falsch wie die damit verbundene Jahreszahl 1034. Zur Ehrenrettu­ng des Chronisten muss man allerdings anführen, dass die Geschichts­schreiber über Jahrhunder­te hinweg eine falsch datierte Urkundenab­schrift für das Original hielten. Hier bewahrheit­et sich wieder der Spruch: Wissenscha­ft ist immer der gegenwärti­ge Stand des Irrtums.

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Foto: Sammlung Franz Müller

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