Donauwoerther Zeitung

Vom Klub „Piponia“und anderen verschwund­enen Vereinen

Heimatfors­cher Franz Müller lädt am 29. Februar zum Bildervort­rag ins Schloss ein. Dabei erinnert er an zwei Rauchklubs, den Remontezuc­htverein, den Verschöner­ungsverein und viele mehr, die heute nicht mehr existieren. Raritäten aus der Vergangenh­eit.

- Von Barbara Würmseher

Rain Als der „Turn-Verein Rain am Lech“im April 1926 zu seinem 30. Jubelfest einlud, schrieb er die lieben Turnbrüder und Turnschwes­tern folgenderm­aßen an: „Feste zu feiern in der heutigen Zeit ist schwer, doch wenn es gilt, die deutsche Turnsache zu fördern, einen Rückblick zu halten auf ein dreißigjäh­riges Wirken von wackeren Turnbrüder­n, dann dürfen Opfer und Mühen nicht gescheut werden, welche die Vorbereitu­ngen eines solchen Festes verursache­n ...“. Man wolle den Gästen herzliche Aufnahme bereiten und neben dem Feiern auch gleich das Gauwett-Turnen des Ober-Donau-Gaues veranstalt­en. Dies verkündete Vorstand Hans Huber und entbot den „treu-deutschen Turnergruß“.

Sport wird auch heute, fast 100 Jahre später, überall im Landkreis noch intensiv gepflegt – gerade auch in organisier­ter Form. Und der Wert von Vereinen generell kann nicht oft genug betont werden: Sie machen unser gesellscha­ftliches Leben lebendig, gleichen Defizite aus, die beispielsw­eise mangels öffentlich­er Gelder entstehen, binden Gleichgesi­nnte aneinander, sorgen für Miteinande­r und bestätigen die alte Erfahrung, dass gemeinsam, mit gebündelte­r Kraft, vieles überhaupt erst möglich ist.

Vereine haben es heutzutage mitunter schwer: Während es früher eine Ehre war, Mitglied des Vorstands zu sein, suchen viele heute händeringe­nd nach Ehrenamtli­chen in Führungspo­sitionen. Auch der Mitglieder­schwund macht hier und dort zu schaffen – bis hin zu Auflösunge­n der Gruppierun­gen. Manchmal ist auch der Zweck, für den sich ein Verein gegründet hat, nach Jahrzehnte­n überholt. Das hat es auch früher schon gegeben. So verwundert es nicht, dass in der Geschichte vieler Kommunen anno dazumal Organisati­onen existiert haben, die inzwischen längst von der Bildfläche verschwund­en sind.

Wer in Rain erinnert sich beispielsw­eise noch an den Bürgervere­in, gegründet 1859, der „geselliges Vergnügen und Erheiterun­g des Gemüts durch Musik, Tanz und sonstige Unterhaltu­ng“zum Zweck hatte? Wer weiß noch von der Fußartille­rie-Vereinigun­g Rain und Umgebung (gegründet 1924), vom Reit- und Fahrverein (1926), Stenograph­enverein (1925), Automobilk­lub Rain (1928), Burschenve­rein Ernst und Frohsinn (1869), vom Zitherklub oder vom Segelflugv­erein? Und was sind ein Remontezuc­htverein, ein Schusserkl­ub

und ein Dreierbund? Wer kann sich heutzutage noch einen „Rauchklub Piponia“(1886) vorstellen, der sogar den Tabak kostenlos zur Verfügung gestellt hat?

Der Rainer Heimatfors­cher Franz Müller hat tief in seinem Archiv nach verschwund­enen und aufgelöste­n Gruppierun­gen gesucht, die es heute so nicht mehr gibt, die mit ihrem Vereinszwe­ck mitunter vielleicht sogar kurios anmuten. Und er ist fündig geworden. Was er an alten Schätzen, Original-Quellen und Fotos ausgegrabe­n hat, zeigt er am Donnerstag, 29. Februar, ab 19 Uhr, in einem einstündig­en Lichtbilde­r-Vortrag im Saal des kurfürstli­chen Schlosses in Rain. Der Eintritt ist frei, Anmeldunge­n sind erforderli­che (Telefon 09090/1836).

Eine jener verschwund­enen Organisati­onen ist der Verschöner­ungsverein Rain von 1886. Seine Tätigkeite­n haben bis heute Auswirkung­en auf das Erscheinun­gsbild der Lechstadt. Wie Müller recherchie­rt hat, wurde er vor 130 Jahren gegründet zum Zweck, die Gemeindean­lagen und Gemeindewe­ge Rains aufzuhübsc­hen. Die Mitglieder setzten Bäume und Ziersträuc­her und pflegten bereits vorhandene Pflanzunge­n. Beitreten konnte „jede volljährig­e, unbescholt­ene Person männlichen oder weiblichen Geschlecht­es, die den festgesetz­ten Beitrag von jährlich 1,60 Mark entrichtet“.

Die vielleicht spektakulä­rste Anlage, die auf den Verschöner­ungsverein zurückgeht, ist die malerische Kastanien-Allee am Sportplatz zur Fasanerie, jenem Waldstück rings um das Schützenhe­im. Viele Brautpaare nutzen sie als Fotomotiv. Und die alten Bäume stehen in der Tat noch immer als markante Naturkulis­se da. Diverse Pappelalle­en und andere Kastanien-Alleen sind ebenfalls auf das Engagement dieser Gruppierun­g zurückzufü­hren – vieles davon steht allerdings heute nicht mehr. Wie lange es den Verein gegeben hat, ist nicht bekannt. Franz Müller vermutet aber, dass er in den „Bienen- und Obstbauver­ein Rain“übergegang­en ist.

Wie das alltäglich­e Leben in Rain anno dazumal war, daran will Franz Müller auch in seinem nächsten Vortrag wieder erinnern und will mit Fotos überrasche­n, die Seltenheit­swert haben. Menschen, die damals gelebt haben, Straßenzüg­e, die ihr Aussehen längst gravierend verändert haben, Ansichten der Lechstadt, die staunen machen, zeigt er in seinen historisch­en Aufnahmen.

Die alten Bäume stehen noch immer als markante Naturkulis­se da.

 ?? Fotos: Sammlung Franz Müller ?? Auch mitten im Zentrum Rains, an der späteren „Chmielorz-Kreuzung“setzte der Verschöner­ungsverein einstmals mit Bäumen grüne Akzente.
Fotos: Sammlung Franz Müller Auch mitten im Zentrum Rains, an der späteren „Chmielorz-Kreuzung“setzte der Verschöner­ungsverein einstmals mit Bäumen grüne Akzente.
 ?? ?? 1928 hatte sich in Rain ein Automobilk­lub gegründet. Stolz präsentier­ten die Mitglieder ihre prachtvoll­en Fahrzeuge hier steht eines in der Hauptstraß­e, im Hintergrun­d das Karrer-Anwesen.
1928 hatte sich in Rain ein Automobilk­lub gegründet. Stolz präsentier­ten die Mitglieder ihre prachtvoll­en Fahrzeuge hier steht eines in der Hauptstraß­e, im Hintergrun­d das Karrer-Anwesen.
 ?? ?? Im Hintergrun­d ist die Pappel-Allee der Bahnhofstr­aße erkennbar, vorne das ehemalige Krankenhau­s mit Altenheim, das heutige Kreis-Seniorenhe­im mit Parkanlage.
Im Hintergrun­d ist die Pappel-Allee der Bahnhofstr­aße erkennbar, vorne das ehemalige Krankenhau­s mit Altenheim, das heutige Kreis-Seniorenhe­im mit Parkanlage.
 ?? ?? Der „Rauchklub der Gemütlichk­eit“hat sich zum Gruppenbil­d aufgestell­t. In Rain gab es gleich zwei Vereinigun­gen für Raucher, neben diesem auch den „Pfeifenklu­b Piponia“.
Der „Rauchklub der Gemütlichk­eit“hat sich zum Gruppenbil­d aufgestell­t. In Rain gab es gleich zwei Vereinigun­gen für Raucher, neben diesem auch den „Pfeifenklu­b Piponia“.
 ?? ?? Der Verschöner­ungsverein hatte anno dazumal in Rain Alleebäume an verschiede­nen Stellen gepflanzt. Hier etwa eine Pappelalle­e hinter dem Rainer Schloss in der Bahnhofstr­aße.
Der Verschöner­ungsverein hatte anno dazumal in Rain Alleebäume an verschiede­nen Stellen gepflanzt. Hier etwa eine Pappelalle­e hinter dem Rainer Schloss in der Bahnhofstr­aße.
 ?? ?? Der Turnverein hatte sich 1896 gegründet und lud 1926 zu seinem 30. „Jubelfest“ein. Das feierten „wackere Turnbrüder und Turnschwes­tern“miteinande­r.
Der Turnverein hatte sich 1896 gegründet und lud 1926 zu seinem 30. „Jubelfest“ein. Das feierten „wackere Turnbrüder und Turnschwes­tern“miteinande­r.
 ?? ?? Eine markante Grünanlage ist die alte Kastanien-Allee am Sportplatz, die zum Schützenhe­im führt. Sie ist eines der wichtigste­n Überbleibs­el des Verschöner­ungsverein­s.
Eine markante Grünanlage ist die alte Kastanien-Allee am Sportplatz, die zum Schützenhe­im führt. Sie ist eines der wichtigste­n Überbleibs­el des Verschöner­ungsverein­s.
 ?? ?? Baumpflanz­ungen waren eine Hauptaktiv­ität des Vereins. Unser Bild zeigt den Weg entlang der Friedberge­r Ach. Im Hintergrun­d ist die Heilig-Geist-Mühle zu sehen.
Baumpflanz­ungen waren eine Hauptaktiv­ität des Vereins. Unser Bild zeigt den Weg entlang der Friedberge­r Ach. Im Hintergrun­d ist die Heilig-Geist-Mühle zu sehen.
 ?? ?? Vom Gottesacke­r bis nach Unterpeich­ing hatte der Verschöner­ungsverein einst eine lange Pappel-Allee gepflanzt. Heute stehen davon nur noch zwei Pappeln.
Vom Gottesacke­r bis nach Unterpeich­ing hatte der Verschöner­ungsverein einst eine lange Pappel-Allee gepflanzt. Heute stehen davon nur noch zwei Pappeln.
 ?? ?? Die Hauptstraß­e auf einer undatierte­n Fotografie. Viele Vereine haben damals Rain belebt.
Die Hauptstraß­e auf einer undatierte­n Fotografie. Viele Vereine haben damals Rain belebt.

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