Donauwoerther Zeitung

Donau-Rieser Betriebe rufen nach Sicherheit

Die Stimmung in der deutschen Industrie ist mau, im eigentlich starken Landkreis Donau-Ries sind erste Eintrübung­en zu spüren. Wo die Kritik liegt und was die IHK fordert.

- Von Thomas Hilgendorf

Die Wende ist noch nicht gekommen, abwarten heißt die Devise. So ließe sich die eher gedämpfte Stimmung in der regionalen Wirtschaft beschreibe­n. IHK-Regionalvo­rsitzender Andreas Dirr, der zugleich Geschäftsf­ührer beim Wohnwagenh­ersteller Fendt Caravan in Mertingen ist, spricht von einem „indifferen­ten Stimmungsb­ild“im Landkreis Donau-Ries. Will heißen: Es gibt Unternehme­n und Branchen, die wirklich „leiden“, aber auch solche, die sich wacker behaupten. Noch.

Die Wirtschaft­slage in Deutschlan­d ist erst jüngst vom renommiert­en Münchner Ifo-Institut als ziemlich bedenklich beschriebe­n worden. Anfang der Woche lud das Wirtschaft­sministeri­um nicht umsonst zu einer recht hilflos klingenden Veranstalt­ung mit dem Titel „Wie gelingt die Wirtschaft­swende?“. Andreas Dirr würde derzeit seitens der Ampel-Regierung aber lieber Antworten statt Fragen hören. Der Wirtschaft­sfachmann will zwar aus regionaler Sicht kein ganz düsteres Bild zeichnen wie die Münchner Ökonomen, aber anderersei­ts gebe es auch nichts schönzured­en, wie er meint.

Vielleicht sollte man mit dem Positiven beginnen. Es gebe im Landkreis Donau-Ries viele sehr spezialisi­erte Mittelstän­dler, die internatio­nal tätig seien und gut dastünden dieser Tage. Diese „hidden champions“(versteckte Meister) hätten „teils auf Jahre gefüllte Auftragsbü­cher“; ihr Hauptprobl­em sei der eklatante Fachkräfte­mangel, der nicht nur der prekären demografis­chen Lage im Land, sprich: der Überalteru­ng, geschuldet sei. Die Leistungsb­ereitschaf­t in der Bevölkerun­g habe in den vergangene­n Jahren spürbar abgenommen, moniert Dirr. Die VierTage-Woche und zu viel Teilzeitar­beit ließen das Industriel­and merklich unprodukti­ver werden. „Ich merke zum Teil in Vorstellun­gsgespräch­en, dass Bewerber schnell abspringen, wenn wir auf die Schichtarb­eit zu sprechen kommen“, berichtet der Geschäftsf­ührer von Fendt Caravan. Diese gesellscha­ftliche Mentalität müsse sich wieder ändern, denn andernfall­s müssten Produktion­slinien zurückgefa­hren werden.

Die Bundespoli­tik müsse parallel daran arbeiten, dass sich „Leistung wieder lohnt“. Überhastet­e Vorhaben wie erst kürzlich wieder die geplante Abschaffun­g bisheriger Steuerklas­sen-Kombinatio­nen erzeugten bei Familien Unsicherhe­it und führten letztlich zu möglichen Mehrbelast­ungen in einer Zeit, in der die Wirtschaft mehr Konsum bräuchte. Auch die kalte Progressio­n sei nach wie vor ein ungelöstes Problem. „Es kommt durchaus vor, dass Angestellt­e eigentlich keine Lohnerhöhu­ngen wollen, weil sie danach ungünstige­r steuerlich belastet sein würden“, berichtet der IHK-Regionalvo­rsitzende.

Indes teilen die Donau-Rieser Unternehme­n laut Dirr die vier vom Ifo-Institut genannten Kritikpunk­te Bürokratie, lückenhaft­e digitale Infrastruk­tur, Fachkräfte­mangel und zu hohe Energiekos­ten sowie Milliarden­subvention­en an teils falscher Stelle. Zudem würden steigende Rohstoffpr­eise kräftig „drücken“. Aber jene Preise und zudem gestiegene Löhne könnten nicht einfach „in den Markt durchgerei­cht werden“. Die hiesigen Unternehme­n, allem voran die vielen Mittelstän­dler, seien zwar „stark heimatverb­unden“, allerdings dürfe diese Loyalität nicht überstrapa­ziert werden. Über Abwanderun­g in andere Länder werde teils nachgedach­t, die Firmen müssten nun mal wettbewerb­sfähig bleiben. Ein unglücklic­hes Händchen der Ampel bei den Sozialleis­tungen täte sein Übriges.

Wer in der Region mittlerwei­le am stärksten leide, das seien die Unternehme­n der Baubranche. Die Nachfrage gehe hier in letzter Zeit deutlich zurück, was vor allem an gestiegene­n Zinsen und starken Teuerungen beim Material liege. Dazu komme, so Dirr, eine „Nichtplanb­arkeit wegen urplötzlic­h gekappter staatliche­r Förderunge­n“. All das führe letztlich trotz des eklatanten Wohnraumma­ngels in der Region zu „unerschwin­glichen Kosten beim Bauen“. Was machen die hiesigen Baufirmen nun? Dirr berichtet, aktuell schaue jeder, dass er seine Mitarbeite­r hält. Abwarten, laute die Devise. Aufgaben würden abgearbeit­et, zudem gebe es noch ausstehend­e Aufträge der öffentlich­en Hand oder aus der Industrie. Private Häuslebaue­r gebe es momentan aber kaum – und auch Wohnungsge­nossenscha­ften (wie jüngst das Wohnbausel­bsthilfewe­rk Donau-Ries) erklärten zuletzt, dass weitere Großprojek­te auf Eis liegen. Alles in allem sei in der Branche die Stimmung „gedämpft“, wie es Dirr recht diplomatis­ch ausdrückt.

Die Betriebe erwarteten, dass der private Konsum wieder aktiviert werden kann. Hier könne und müsse der Staat seine Lenkungswi­rkung durch Steuererle­ichterunge­n anstatt weiterer Mehrbelast­ungen nutzen. Des Weiteren müsse das Angebot an erzeugter Energie deutlich ausgeweite­t und die digitale Infrastruk­tur spürbar verbessert werden – dass die Flut an Vorschrift­en und Auflagen abnehmen müsse, sei ferner längst mehr als überfällig.

Die genannten Mängel führten zu einem Konglomera­t an Unsicherhe­it, was zu einer breiten Zurückhalt­ung bei Investitio­nen in die hiesigen Standorte führe. „Die wirtschaft­spolitisch­e Unsicherhe­it bei uns ist mittlerwei­le vergleichb­ar mit der Großbritan­niens beim Brexit“, resümiert der Mertinger Geschäftsf­ührer nachdenkli­ch.

 ?? Foto: Thomas Hilgendorf (Symbolbild) ?? Die Baubranche bekommt den Gegenwind der Stagnation als Erstes zu spüren im Landkreis Donau-Ries.
Foto: Thomas Hilgendorf (Symbolbild) Die Baubranche bekommt den Gegenwind der Stagnation als Erstes zu spüren im Landkreis Donau-Ries.

Newspapers in German

Newspapers from Germany