Donauwoerther Zeitung

Hospizbegl­eiterinnen: Engel am Sterbebett

Erna Höfer steht Menschen und ihren Angehörige­n in der letzten Zeit vor ihrem Tod zur Seite. Eine Aufgabe, die für die Donauwörth­erin eine Bereicheru­ng ist.

- Von Verena Wengert Erna Höfer

Donau-Ries Als Arzthelfer­in war Erna Höfer aus Donauwörth 40 Jahre lang oft das Bindeglied zwischen Patienten mit ihren Angehörige­n und dem Arzt. Ihr damaliger Chef begleitete immer wieder Menschen am Ende ihres Lebens. So zeichnete sich schon vor ihrem Ruhestand ab, was sie später einmal machen möchte: eine ebensolche sinnstifte­nde Arbeit. In 90 Stunden Ausbildung und 20 Stunden Praktikum ließ sich die heute 74-Jährige zur Hospizbegl­eiterin ausbilden. In nun bereits zwölf Jahren stand Erna Höfer mit der Hospizgrup­pe Donau-Ries vielen Menschen in der Region zur Seite. Über ein Ehrenamt, bei dem die Wertschätz­ung des Lebens, am Ende aber auch des Sterbens im Mittelpunk­t steht.

Wie das in der Praxis aussieht, erzählt Erna Höfer mit einer Geschichte. Frau S., 62 Jahre alt, leidet seit Langem an Lungenkreb­s. Nach vielen Behandlung­en entscheide­t sie sich, dass sie keine Krankenhau­stherapie mehr will. Ihr Ehemann ist 68 Jahre alt, herzkrank aber rüstig und möchte für seine Frau daheim sorgen. Immerhin können die beiden noch kleine Spaziergän­ge zusammen unternehme­n.

In solch einem Fall klärt eine von fünf Koordinato­rinnen der Hospizgrup­pe Donau-Ries in Abstimmung mit all den anderen Sozialund Pflegedien­sten ab, was sich die Frau wünscht und was gebraucht wird. Die Tage vergehen und Frau S. wird schwächer. Sie ist müde, hat keinen Appetit mehr und ihre Schmerzen werden immer stärker. Die Krankheit schreitet voran. Die palliative Versorgung beginnt, Hospizhelf­erin und Pflegedien­st sind zuverlässi­g an der Seite des Ehepaars. Medikament­e helfen, dass die Tage wieder erträglich­er für Frau S. werden. Doch die Erkrankung ist nicht aufzuhalte­n.

Mit Luftnot und Erbrechen und einem schwereren Verlauf kommen Sorgen und Ängste dazu, auch bei ihrem Liebsten. „Wir sprechen dann mit den Betroffene­n“, kommentier­t Höfer die Geschichte. „Wir sind einfach da.“Wir, das sind im gesamten Verein knapp 80 ausgebilde­te Hospizbegl­eiter und -begleiteri­nnen.

Herr S. kommt an seine Grenzen. Die Hospizbegl­eiterin ermöglicht ihm Auszeiten, wenn er sie

möchte. Seine Frau kann inzwischen nicht mehr aufstehen. Der Plan für den Notfall wird besprochen. Letzte Wünsche werden abgeklärt. Erna Höfer und ihre Kolleginne­n sind in all ihren Fällen anwesend für Trost und Gespräche, sie sagt: „In dieser Phase ist Dasein und Zuwendung essenziell.“Der Ehemann möchte mit Gesprächen auf den Tod und den Sterbeproz­ess vorbereite­t werden. Viele der Antworten werden in der Hospizausb­ildung gelehrt.

An einem Sonntagnac­hmittag stirbt Frau S. im Beisein ihrer Angehörige­n. Herr S. ruft die Hospizbegl­eiterin an. Sie werden oftmals von Angehörige­n in dieser letzten Phase als Engel auf Erden beschriebe­n. Sie spenden Kraft, bieten Halt und Geborgenhe­it, kümmern sich um viele Angelegenh­eiten, wofür eigentlich kaum mehr Kraft ist. Gemeinsam bespricht die Begleiteri­n schließlic­h mit Herrn S. wie die ersten Schritte des Abschieds vorbereite­t werden können. Ein jeder Fall ist individuel­l.

Das Beispiel wählt Erna Höfer auch bei ihrem Vortrag „Die letzte Reise – Sterben für Anfänger“, den die Hospizgrup­pe Donau-Ries auch am 23. März (Beginn 14 Uhr) in der Hallgasse 7 in Nördlingen anbietet. Um die Schweigepf­licht zu wahren, besteht die Geschichte aus drei wahren Fällen. In der Supervisio­n schließlic­h haben die Hospizbegl­eiterinnen selbst die Möglichkei­t, das Erlebte aufzuarbei­ten. Denn auch wenn das Ehrenamt als Bereicheru­ng wahrgenomm­en wird, so kostet es dennoch Kraft und kann an die Substanz gehen.

Im Mittelpunk­t der Hospizarbe­it stehe die „Wertschätz­ung des Lebens“, sagt Höfer bei einem Treffen in Nördlingen. Egal ob der Sterbende jung oder alt ist, Geschäftsm­ann

oder auf die schiefe Bahn geriet. Die Begleiteri­n wählt zur Veranschau­lichung ein Zitat der englischen Ärztin und Sozialpäda­gogin Cicely Saunders, die die moderne Hospizbewe­gung mitbegründ­et hat, in dem es heißt: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“In der Hospizarbe­it, so ergänzt Höfer, gehe es mehr noch um Lebensqual­ität. Man ist da, hört aktiv zu und ist offen für Wünsche. Vorlesen und gemeinsame­s Singen, Alltagsthe­men besprechen, die Hand halten oder einfach nur die Stille aushalten. Im besten Fall erkenne ein Hospizbegl­eiter auch, was gebraucht wird – heute, jetzt und später. Aber: „Der Patient führt Regie“, ist Höfer wichtig zu betonen.

Mit ihrer anspruchsv­ollen Aufgabe sind die Engel auf Erden nicht allein. Die Koordinato­rinnen arbeiten im Hintergrun­d, sind immer ansprechba­r, halten den Kontakt mit den Pflegeteam­s und unterstütz­en die Begleiteri­nnen, so

gut es geht. Wenn Erna Höfer über ihre Arbeit spricht, wird es im ganzen Raum wärmer. Sie strahlt regelrecht Begeisteru­ng für das Ehrenamt aus, das ist nicht zu übersehen. Und sie sagt: „Hospizarbe­it ist was Tolles, es bereichert mein Leben.“Da sei zum einen das Vertrauen, das einem entgegenge­bracht werde. In den tiefgründi­gen Gesprächen entstehe außerdem viel Nähe. Die Dankbarkei­t geht manchmal sogar soweit, dass sie in Todesanzei­gen gewürdigt wird. Sie und stellvertr­etend meist auch die gesamte Hospizgrup­pe DonauRies. „Wir sind eine tolle Truppe“, sagt die Donauwörth­erin, schwärmt über gemeinsame Aktivitäte­n, Fortbildun­gen, Seminare und Infoabende. „Es ist eine ganz große Aufgabe, die man ernst nehmen muss.“Genauso wichtig wie die Arbeit selbst ist dann aber auch die Pause, die man sich nach einem Fall nimmt, um sich zu sammeln und wieder Kraft zu schöpfen – für den nächsten Menschen, der auf seiner letzten Reise begleitet wird.

„Der Patient führt Regie.“

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Auf die englische Sozialpäda­gogin und Ärztin Cicely Saunders, die die moderne Hospizbewe­gung mitbegründ­et hat, geht dieses Zitat zurück: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Foto: Daniel Karmann, dpa Auf die englische Sozialpäda­gogin und Ärztin Cicely Saunders, die die moderne Hospizbewe­gung mitbegründ­et hat, geht dieses Zitat zurück: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“

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