„Sie haben der Erde den Mund zugeklebt“
Manfred Theisen stellte beim Nordschwäbischen Literaturfestival sein Buch „Wir sind die letzte Generation“vor. Alles andere als eine Romeo-und-Julia-Geschichte.
Eine Zeit lang waren sie in aller Munde, die Aktivisten der „Letzten Generation“alias „Klimakleber“, die wohl auch die Gesellschaft polarisierten und provozierten, zum einen, indem sie unsere konsumorientierte Lebensart infrage stellten, zum anderen, weil sie auf die irreversiblen Folgen für unser Klima aufmerksam machen wollten – allerdings mit ziemlich radikalen Mitteln. Vor diesem Hintergrund war es umso spannender, wie der Autor Manfred Theisen in seinem Buch „Wir sind die letzte Generation“mit diesem Thema umgeht, das er jetzt im Rahmen des Literaturfestivals Nordschwaben in Oberndorf vorstellte.
Theisen studierte Germanistik, Anglistik sowie Politologie und war ursprünglich als Journalist und Redaktionsleiter einer Kölner Zeitung tätig. Daneben recherchierte er in unterschiedlichen Ländern über gesellschaftskritische Themen. Aus persönlichen Gründen konzentrierte er sich dann ausschließlich aufs Schreiben. Eines seiner derzeit am meisten diskutierten Veröffentlichungen ist das (Jugend)Buch „Wir sind die letzte Generation“, das er zusammen mit seiner Tochter Emilia verfasst hat.
Da rückt zunächst sicherlich der Titel des Buches, das im Jahr 2020 veröffentlicht wurde, in den Fokus des Leserinteresses: Anders als vermutet, geht es eben nicht auf die Aktivistenbewegung der „Letzten Generation“zurück, sondern auf eine Rede des amerikanischen Präsidenten Barack Obama im Juni 2015, wo er meint, dass das Abschmelzen der Polkappen die größte Veränderung für die Menschheit seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei. In seinem “Clean Power Plan” sagt Obama wörtlich: We’re the first generation to feel the impact of climate change and the last generation that can do something about it”. Auf dieses Zitat bezogen wählte Manfred Theisen also den Titel seines Buches.
Lebhaft erzählte der Autor in seiner Lesung zunächst über die Gegebenheiten und das Milieu, in dem sein Buch spielt: Mithilfe von Fotos berichtete er über die Geschehnisse im Hambacher Forst, wo der Konzern RWE mit riesigen Baggern Braunkohle zutage fördert. Was übrig bleibt, ist eine Kraterlandschaft, mehrere Dörfer wurden schlichtweg „abgetragen“. Kein Wunder also, dass der Hambacher Forst als Symbol des Widerstands der Anti-Kohlekraft-Bewegung gegen Umweltzerstörung und Klimaschädigung durch die Kohlewirtschaft gilt.
Die Aktivisten bewohnen Baumhäuser in den Wipfeln des Waldes, die untereinander mit Seilen vernetzt sind. So soll verhindert werden, dass dort weiter gerodet wird. In diesem Milieu also lässt Theisen seine Protagonisten agieren: Johanna, alias Flocke, die auf einer ihrer Protestaktionen auf Ben trifft, der noch zu Hause in seinem wohlbehüteten Elternhaus lebt, sich aber in Johnna verliebt und zuletzt ihre Art zu leben übernimmt. – Eine Romeo und Julia-Geschichte also mit Happy End? – Mitnichten! Schonungslos werden dem Leser teils auch in sehr bildhafter Sprache „Der Wald hat Augen.“oder „Sie haben der Erde den Mund zugeklebt.“(durch die Zersiedelung) die Bedenken, Wünsche, aber auch Forderungen nicht zuletzt der jüngeren Generation deutlich vor Augen geführt. (AZ)