Donauwoerther Zeitung

Emotionen ersetzen keine Argumente

Leitartike­l Politische Debatten werden immer öfter an der Sache vorbei geführt. Das ist bequem, liefert aber nicht das, was die Menschen erwarten dürfen.

- Von Michael Stifter

„Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanz­ler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden.“Mit diesem Satz will Olaf Scholz den Menschen die Angst nehmen, dass doch noch Deutsche auf Putins Schlachtfe­ld kämpfen müssen. Nur: Das stand ja gar nicht zur Debatte. Niemand hat das gefordert. Alle sind sich einig, dass die Bundesrepu­blik nicht zur Kriegspart­ei werden darf.

Warum also dieser Satz? Wo doch die eigentlich­e Frage eine ganz andere war. Nämlich, warum die Regierung der Ukraine keine Taurus-Marschflug­körper zur Verfügung stellt. Scholz hat darauf offenbar keine schlüssige Antwort. Oder keine, die er öffentlich sagen will. Also weicht er auf ein Mittel aus, das in der Politik zu oft genutzt wird: Emotionen ersetzen Argumente.

Es ist ja auch verlockend. Emotionen wirken direkt, mal als Aufputschm­ittel, mal als Beruhigung­spille, je nach Bedarf und Dosierung. Sachliche Argumentat­ion hingegen bedeutet harte Arbeit, provoziert Gegenargum­ente und anstrengen­de Auseinande­rsetzungen. Doch gerade diese offenen Debatten um die besten Antworten sind doch das Lebenselix­ier der Demokratie. Denn auch, wenn eine deftige Bierzeltre­de oder ein knallharte­s Interview für Szenenappl­aus gut sind, erwarten die Menschen von Politik in Wahrheit etwas anderes – und zwar Lösungen.

Wenn es um Parolen und Polemik geht, fällt oft der Name Hubert Aiwanger. Das hat sich der Freie-Wähler-Chef selbst zuzuschrei­ben. Mit seiner Dauerschle­ife von „denen da oben“, die vermeintli­ch keinen Schimmer von „normalen Leuten“haben, hat er Politik allein auf Emotionen herunter reduziert. Das nährt den Verdacht, dass da einer fehlende Substanz durch

Lautstärke zu kompensier­en versucht. Seit ein paar Wochen scheint Aiwanger gegen diesen Verdacht anzukämpfe­n. Am Beispiel der Windkraft lässt sich das gut ablesen. Lange hatte sich der Wirtschaft­sminister darauf beschränkt, alles, was grün ist oder grün klingt, als Ideologie abzutun. Nun, da mit dem Windpark Altötting ein bayerische­s Vorzeigepr­ojekt

weggefegt zu werden droht, steht er selbst in jenem Sturm, den er mit gesät hat. Aiwanger scheint das zu spüren. Zuletzt machte er weniger mit verbalen Raufereien von sich reden, dafür mehr mit Argumenten in der Sache. Es wäre gut für Bayern, würde sich der Wind dauerhaft drehen.

Dazu kann auch Aiwangers Chef beitragen. Markus Söder ist ein Meister der Emotionen. Der Ministerpr­äsident ist in der Lage, staatsmänn­isches Pathos, Humor, aber auch harte Polemik nach Belieben zu dosieren. Dass dies nicht immer reicht, zeigte sich gerade auf der Handwerksm­esse in München. Söder diskutiert­e dort mit Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck über Energiethe­men und erklärte, wie unvernünft­ig der Ausstieg aus der Kernkraft gewesen sei. Ein bewährter Klassiker des CSU-Chefs. In diesem Fall allerdings wurde er ausgekonte­rt.

Habeck verwies nicht nur auf die horrenden Kosten für die Sanierung alter und den Bau neuer Atomkraftw­erke in Frankreich, die Söder gerne als Vorbild nennt. Er erinnerte auch daran, dass elf von 14 deutschen Kernkraftw­erken unter einer Bundesregi­erung mit CSU-Beteiligun­g vom Netz gingen und Bayern zwar unbedingt an der Atomenergi­e festhalten, aber keinesfall­s für die Lagerung atomaren Mülls bereitsteh­en will.

Söder reagierte wortlos, machte stattdesse­n abfällige Geräusche. Emotionen statt Argumente.

Markus Söder ist ein Meister der Emotionen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany