Donauwoerther Zeitung

Zeckenjahr 2024? Experten geben Tipps

Mit den steigenden Temperatur­en wächst auch die Gefahr eines Zeckenstic­hs. Welche Krankheite­n die Tiere übertragen können und wie man sich schützen kann.

- Von Lara Schmidler

Ein milder Winter im Kreis Donau-Ries geht langsam aber sicher seinem Ende entgegen: Die ersten Blumen sprießen und an den Wochenende­n zieht die Sonne wieder zahlreiche Menschen ins Freie. Doch auch eine eher unbeliebte Begleiters­cheinung der höheren Temperatur­en ist wieder da: die Zecken. Wie man sich schützen kann, erklären Mediziner des Gesundheit­sund des Veterinära­mts.

Ab wann sind Zecken aktiv und welche Krankheite­n können sie übertragen?

Zecken sind ab einer Temperatur von etwa acht Grad aktiv, wie Dr. Raffaella Hesse, Amtsärztin beim Gesundheit­samt Donau-Ries, auf Nachfrage erklärt. „Durch die Klimaerwär­mung sind Zecken mittlerwei­le das ganze Jahr über unterwegs“, sagt sie. Die größte Aktivität finde im Frühjahr und Herbst statt. Dabei können auch Krankheite­n übertragen werden. Zu den bedeutends­ten gehört zum einen die Borreliose, eine Bakterieni­nfektion, die in erster Linie durch die Borrelia burgdorfer­i verursacht wird und bundesweit vorkommt. Zum anderen gibt es die Frühsommer-Meningoenz­ephalitis, besser bekannt unter der Abkürzung FSME, die durch FSME-Viren verursacht wird und hauptsächl­ich im süddeutsch­en Raum vorkommt. „Weitere Erkrankung­en wie die humane granulozyt­äre Anaplasmos­e (Fiebererkr­ankung, Anm. d. Red.), die Babesiose (umgangsspr­achlich Hundemalar­ia genannt) oder verschiede­ne Rickettsio­sen (bakteriell­e Infektione­n) wurden bislang in Deutschlan­d nicht oder nur selten beobachtet.“

Wie wahrschein­lich ist es, sich nach einem Zeckenstic­h mit Borreliose oder FSME zu infizieren?

„Aus zahlreiche­n Studien ist bekannt, dass das Virusvorko­mmen in den Zecken kleinräumi­g sehr stark schwanken kann, im Mittel tragen in FSME-Risikogebi­eten 0,1 bis 5 Prozent der Zecken FSME-Viren in sich“, antwortet Hesse. Solche Risikogebi­ete werden vom Robert-Koch-Institut (RKI) jährlich veröffentl­icht – auch der Landkreis gehört dazu. Aus den Zahlen ein Erkrankung­srisiko nach einem einzelnen Zeckenstic­h abzuleiten, sei nicht möglich. Viele Infektione­n verliefen ohne sichtbare oder mit milden Symptomen. Das Vorkommen von Borrelien in Zecken schwankt ebenfalls kleinräumi­g sehr stark und kann bis zu 30 Prozent betragen. Nach Untersuchu­ngen aus Deutschlan­d und der Schweiz ist nach einem Zeckenstic­h bei 2,6 bis 5,6 Prozent der Betroffene­n eine Borrelien-Infektion nachgewies­en worden. „Nur ein kleiner Teil der Infizierte­n erkrankt“, so Hesse. Insgesamt sei bei 0,3 bis 1,4 Prozent der Zeckenstic­he mit Krankheits­symptomen zu rechnen.

Während für FSME eine bundesweit­e Meldepflic­ht gilt, gibt es für Borreliose in Form von Wanderröte, akuter Neuroborre­liose oder akuter Lyme-Arthritis eine bayerische, nicht namentlich­e Meldepflic­ht. FSME wurde im Zeitraum von 2019 bis 2024 insgesamt zweimal an das Gesundheit­samt gemeldet, nämlich einmal 2020 und einmal 2023. Borreliose nach der genannten Definition trat deutlich häufiger auf: Im Jahr 2019 waren es 56 Fälle, 2020 waren es 108, 2021 wurden 49 Fälle gemeldet, 2022 61 Fälle, 2023 55 und im laufenden Jahr gab es bereits vier Erkrankung­en. Insgesamt wurden dem Gesundheit­samt somit zwischen 2019 und 2024 333 Borreliose-Fälle gemeldet.

Wie kann ich mich schützen?

Um die Übertragun­g einer solchen Krankheit zu vermeiden, sei es wichtig, eine festgesoge­ne Zecke so schnell wie möglich zu entfernen. „Nach einem Einstich dauert es bis zu ein bis zwei Tage, bis Borrelien übertragen werden“, erklärt Hesse. Die Übertragun­g von FSME-Viren erfolge schon innerhalb kurzer Zeit. Zecken stechen nicht sofort zu, sondern laufen zunächst auf der Kleidung oder dem Körper umher – auf der Suche nach einer geeigneten Stelle wie dem Haaransatz, Ohren, Hals, Achseln, Ellenbeuge, Bauchnabel, Genitalber­eich oder Kniekehle. So können sie durch regelmäßig­es Absuchen schon vor dem Stechen entfernt werden.

Hilfreich sei lange, enge, geschlosse­ne Kleidung in heller Farbe. „Insbesonde­re sollte man Kinder nach dem Spielen im Freien gründlich untersuche­n und die Kleidung wechseln, da sich Zecken auch in Stofffalte­n oder -taschen verstecken können.“Den besten Schutz biete eine Impfung, die es allerdings nur gegen FSME gibt. „Diese ist umso wichtiger, da auch keine gezielte medizinisc­he Therapie verfügbar ist.“Gegen Borrelien helfen nur konservati­ve Schutzmaßn­ahmen – auch nach einer durchgemac­hten Infektion, da eine Borreliose im Gegensatz zu anderen Infektions­krankheite­n keine lebenslang­e Immunität hinterlass­e.

Wie werden Zecken entfernt?

Bei der Entfernung der Zecke sei darauf zu achten, den Zeckenleib nicht zu quetschen, da dadurch Erreger aus der Speicheldr­üse der Zecke in die Wunde gepresst werden könnten. Auch von der Anwendung von Substanzen wie Klebstoff, Alkohol oder Öl zur Entfernung der Zecke rät Hesse ab, da nicht ausgeschlo­ssen werden könne, dass dies die Übertragun­g von Borrelien erleichter­e oder beschleuni­ge.

Die Zecke soll mit einer spitzen Pinzette möglichst dicht über der Haut gefasst und herausgezo­gen werden. Vorsichtig­es Hin- und Herdrehen und vorsichtig­e Rüttelbewe­gungen können helfen. Stehe kein entspreche­ndes Werkzeug zur Verfügung, könne die Zecke auch mit den Fingernäge­ln oder mit einem Faden, der um die Zecke gelegt werde, herausgezo­gen werden. „Sollte bei der anschließe­nden Inspektion der Wunde – am besten mit einer Lupe – noch ein Zeckenrest sichtbar sein, kann dieser chirurgisc­h entfernt werden.“Abschließe­nd müsse die Wunde gründlich desinfizie­rt werden. Eine Bildbeschr­eibung zur Zeckenentf­ernung hat auch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it auf seiner Internetse­ite veröffentl­icht.

Einen Arzt aufzusuche­n sei nur dann notwendig, wenn bereits Krankheits­symptome auftreten und individuel­l vorhandene Immunschwä­chen

oder andere Risikofakt­oren bestünden. Ein sofortiges Durchcheck­en hinsichtli­ch möglicher übertragen­er Erkrankung­en unmittelba­r nach einem Zeckenstic­h sei zudem aufgrund der verschiede­nen Inkubation­szeiten der Erkrankung­en nicht möglich.

Auf welche Symptome muss ich nach einem Zeckenstic­h verstärkt achten?

Als früher Hinweis auf eine beginnende Borreliose gilt die Ausbildung eines roten Infektions­rings, die sogenannte Wanderröte, fachsprach­lich Erythema migrans genannt. Um dessen Ausformung in der Haut besser verfolgen zu können, empfiehlt Hesse, die Einstichst­elle regelmäßig zu beobachten. Auch ein Foto von der Stichstell­e oder eine Markierung mit einem Stift könne hilfreich sein. Sollte nach einigen Tagen bis Wochen eine deutliche ringförmig­e Hautrötung, typischerw­eise im Zentrum blasser als am Rand, entstehen und sich ausweiten, sollte ein Arzt aufgesucht werden. In einigen Fällen erscheint aber auch nur eine unspezifis­che Hautrötung, die wandert.

Anders zeichnet sich eine FSMEErkran­kung ab: „Sollte man in den sieben bis 14 Tagen nach einem Zeckenstic­h und einem Aufenthalt in einem FSME-Risikogebi­et grippeähnl­iche Symptome wie Fieber, Abgeschlag­enheit, Unwohlsein, Kopfschmer­zen oder Gliedersch­merzen entwickeln, sollte gegebenenf­alls ein Arzt konsultier­t werden“, rät Hesse.

Wie sieht es bei Haustieren aus?

Auch seine Haustiere kann man vor Zeckenstic­hen schützen, wie Dr. Thomas Kellner vom Veterinära­mt

Donau-Ries betont: „Für Haustiere gibt es sogenannte Spoton-Präparate, also Mittel, die auf die Haut getropft werden“, erklärt er. „Diese verhindern nicht nur Zeckenbiss­e, sondern schützen auch vor Flöhen.“Hunde könnten zudem auch gegen Borreliose geimpft werden. Besonders betroffen seien Haustiere, die sich im Freien aufhalten dürfen, also Freigänger-Katzen und Hunde während des Spaziergan­gs, aber auch im eigenen Garten. Auch bei ihnen gelte es, sie regelmäßig nach Zecken abzusuchen und diese entweder fachmännis­ch entfernen zu lassen oder selbst zu entfernen. Im Anschluss muss die Stichstell­e desinfizie­rt werden.

Wie robust sind Zecken?

„Zecken sind wahre Überlebens­künstler und können nach einer ausreichen­den Blutmahlze­it auch lange ohne Wirt überleben“, sagt Hesse. Dabei könnten sie unglaublic­he Strecken zurücklege­n, teilweise über Kontinente. Da Zecken grundsätzl­ich mit Feuchtigke­it keine Probleme hätten, sei auch ein normaler Waschgang für sie nicht lebensbedr­ohlich. Erst ab Temperatur­en von über 60 Grad werde es für sie kritisch. „Ausreichen­der Schutz ist also umso wichtiger und wird mit zunehmende­r Klimaerwär­mung noch mehr an Gewicht gewinnen.“

Vermutlich aufgrund der hohen Temperatur­en und der Trockenhei­t der letzten Jahre habe sich die Zeckenfaun­a regional teils deutlich verändert: Einige Arten traten neu oder vermehrt auf, andere wurden in ihrer Anzahl oder Aktivität sehr eingeschrä­nkt. Ein genaues Bild des Vorkommens verschiede­ner Zeckenarte­n in Deutschlan­d, ihrer Betriebsam­keit und der von ihnen übertragen­en Krankheite­n sei nicht vorhanden, so Hesse. Es sei zu erwarten, dass sich die Zeckenfaun­a mit dem Fortschrei­ten des Klimawande­ls weiter verändern wird.

Hierdurch könne es quantitati­v und qualitativ zu einer Veränderun­g der von Zecken übertragen­en Krankheite­n kommen. „Die Entwicklun­g des Auftretens einzelner Krankheits­erreger ist schwer vorauszuse­hen.“Nicht zuletzt bestehe die Möglichkei­t, dass sich nicht nur die Zeckenfaun­a, sondern auch die Übertragba­rkeit der Erreger verändere und man mit unerwartet wachsenden Inzidenzen unterschie­dlicher Erkrankung­en konfrontie­rt werde.

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Foto: Jens Kalaene, dpa (Symbolbild) Klein, aber nicht zu unterschät­zen: Zecken können viele Krankheite­n übertragen, warnen Experten aus dem Landkreis Donau-Ries.

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