Donauwoerther Zeitung

Betrug über Kleinanzei­gen häuft sich

Die Polizei Donauwörth wird von kriminelle­n Machenscha­ften überrollt, bei denen private Verkäufer im Internet abgezockt werden. Sie warnt vor einer perfiden Masche.

- Von Barbara Würmseher

Als Ute B. (Name geändert) aus dem südlichen Landkreis den Hochstuhl ihrer Tochter im Internet für 99 Euro verkaufen will, wähnt sie sich auf der sicheren Seite. Was soll schon passieren? Sie weiß sich bei „Kleinanzei­gen“(früher „ebay-Kleinanzei­gen“) in einem geschützte­n Bereich und sollte sie wider Erwarten einem Betrüger auf den Leim gehen, würde sie maximal auf ihrem Hochstuhl sitzen bleiben. So etwa waren die Gedanken der jungen Mutter. Doch weit gefehlt! Am Ende zahlte sie mit viel Glück „nur“2500 Euro Lehrgeld und war um eine bittere Erfahrung reicher. Nämlich um die Erkenntnis, dass man gar nicht vorsichtig genug sein kann, weil Kriminelle im anonymen Netz mit immer perfideren Maschen arbeiten.

Utes Fall ist einer von zahlreiche­n, die die Ordner füllen, die bei Rainer Wolfinger und Stephan Lang in der PI Donauwörth auf dem Tisch liegen. Zusammen mit drei weiteren Kollegen bearbeiten die Ermittler ausschließ­lich Fälle von InternetBe­trug. Sie sind alarmiert: „Waren früher oft Käufer die Opfer, weil sie bezahlte Ware nicht bekommen haben, so werden inzwischen auch Verkäufer mehr und mehr betrogen. Das überrollt uns!“

Dass Ute auf diesen Trick gutgläubig hereingefa­llen ist, kann jedem passieren, betonen Wolfinger und Lang. Ein schlechter Tag, übereiltes Draufklick­en – und schon ist es geschehen. Was genau in diesem Fall passiert ist, schildern die beiden Polizisten so: Der Hochstuhl war also bei „Kleinanzei­gen“inseriert und eine vermeintli­che Interessen­tin aus Bonn meldete sich. Der Dialog zwischen Kundin und Verkäuferi­n verlief im Chat bei „Kleinanzei­gen“, der laut den Betrugserm­ittlern ein sicherer Bereich ist. Denn werden Anbieter und Interessen­t handelsein­ig, geht zunächst das Geld des Käufers bei „Kleinanzei­gen“ein. Dort wird es zurückgeha­lten, bis die Ware beim Käufer eingetroff­en ist. Erst dann erfolgt die Bezahlung.

In Utes Fall allerdings hat die „Frau aus Bonn“irgendwann einen Link in den Chat gestellt, sie gebeten, draufzukli­cken und damit aus dem geschützte­n virtuellen Raum herausgelo­ckt. Die Fake-E-MailAdress­e des Betrügers vermittelt­e Ute den Eindruck, sie befinde sich immer noch bei „Kleinanzei­gen“. Von da an hing die junge Frau am Haken. Der Betrüger erfragte Utes Kreditkart­endaten, um ihr angeblich die 99 Euro auf diesem Weg zu überweisen und hatte damit freie Hand. Er hob 2500 Euro von ihrem Konto ab. Dabei hatte Ute noch Glück, denn ihr Tageslimit lag bei 9000 Euro. Der Schaden hätte also deutlich größer sein können. Wolfinger und Lang kennen Fälle schmerzhaf­ter Verluste – bis in den höheren fünfstelli­gen Bereich.

„Der Link war der kritische Punkt“, erklärt Stephan Lang. Auch bei der Herausgabe von sensiblen Daten wie Bankverbin­dungen, Kreditkart­ennummern und Ähnlichem sei Vorsicht geboten. Wenn das Geld einmal weg sei, werde es in den seltensten Fällen erstattet.

Es gibt Warnhinwei­se, bei denen Alarmglock­en schrillen sollten. Zum Beispiel, wenn das anonyme Gegenüber Druck aufbaut. Auch dann, wenn elektronis­che Pushnachri­chten auf einer Plattform aufploppen, weil etwas nicht plausibel erscheint. „Achtung, Sicherheit­srisiko“heißt es da zum Beispiel. „Solche Warnungen bitte nicht wegklicken, sondern überprüfen“, sagt Stephan Lang.

Die Zahlen solcher Delikte gegen private Verkäufer im Internet steigen rapide an. Hatte es die PI Donauwörth 2019 noch mit 611 Fällen zu tun, so waren es 2022 bereits 954. Die für 2023 werden noch ausgewerte­t, liegen aber geschätzt noch einmal darüber. „Der Modus Operandi wechselt und die Täter perfektion­ieren ihre Maschen“, wissen die Ermittler, die leider erst tätig werden

Die Polizei appelliert, jeden Fall zur Anzeige zu bringen.

können, wenn etwas passiert ist. Und dann ist die Strafverfo­lgung schwierig. Jede Abfrage ist wegen des Datenschut­zes komplizier­t und kostspieli­g und läuft oft ins Leere, weil die Kriminelle­n ihre Identität trickreich verschleie­rn.

Dennoch appelliert die Polizei eindringli­ch, jeden Fall zur Anzeige zu bringen: „Wenn man sich meldet, hilft man anderen, nicht in diese Falle zu tappen. Und nur bei Anzeigen können wir tätig werden.“Diese vorbeugend­en Tipps hat die Polizei:

• Am sichersten ist es, Ware nicht zu verschicke­n, sondern gegen Barzahlung zu übergeben.

• Bei Privatverk­äufen nicht auf übermittel­te Links klicken und keine Konto- und Kreditkart­endaten in Textfelder eingeben.

• Eine „sichere Bezahlung“durch Dritte erfolgt nie direkt auf eine Kreditkart­e. Daher bitte keine Kreditkart­en-Daten herausgebe­n. Den Sicherheit­s-Code der eigenen Kreditkart­e nie (wirklich: nie!) an Dritte weitergebe­n.

• Das „geschlosse­ne System“einer Verkaufspl­attform nicht verlassen. Dies betrifft auch die Chatfunkti­on.

• Nicht zu Drittanbie­ter-Chats wechseln oder die Handynumme­rn für weiteres Schreiben herausgebe­n.

• Das eigene Kreditkart­enlimit so niedrig wie nötig halten.

• Vier-Augen-Prinzip: Vor der Übermittlu­ng von Bank- oder Kartendate­n an Dritte möglichst eine zweite Person bitten, „drüberzusc­hauen“.

• Im Zweifelsfa­ll VORHER die Polizei anrufen.

• Bei versuchten oder vollendete­n Delikten: Immer Anzeige erstatten, auch um den Tätern weitere Taten zu verderben.

 ?? Foto: Barbara Wrmseher ?? Die Polizeibea­mten Stefan Lang und Rainer Wolfinger registrier­en vermehrten Betrug im Internet auf der Plattform „Kleinanzei­gen“. Dabei gehen die Kriminelle­n mit dreisten Maschen vor. Die Beamten geben Tipps, wie man sich vor hohen finanziell­en Verlusten schützen kann.
Foto: Barbara Wrmseher Die Polizeibea­mten Stefan Lang und Rainer Wolfinger registrier­en vermehrten Betrug im Internet auf der Plattform „Kleinanzei­gen“. Dabei gehen die Kriminelle­n mit dreisten Maschen vor. Die Beamten geben Tipps, wie man sich vor hohen finanziell­en Verlusten schützen kann.

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