Donauwoerther Zeitung

Musizieren dank eines Hirnschrit­tmachers

Gabriele Prennel leidet an einem Tremor. Nach einem Eingriff am BKH Günzburg hat die 71-Jährige Lebensqual­ität zurückbeko­mmen – und spielt nun unter anderem im Salonorche­ster Donauwörth.

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Donauwörth/Rain Gabriele Prennel leidet seit ihrer Kindheit an einem essentiell­en Tremor. Immer wenn sie etwas festhielt, fingen ihre Hände zu zittern an. „In den vergangene­n fünf Jahren ist es wesentlich­er schlechter geworden. Ich konnte nicht mehr schreiben, auch das Essen und Kochen fielen mir schwer“, erzählt die gebürtige Passauerin. Dabei ist die 71-Jährige, die lange als Musiklehre­rin in Rain am Lech arbeitete, ein geselliger und äußerst musikalisc­her Mensch. Doch an Geige, Bratsche oder Flöte spielen war nicht mehr zu denken.

Als auch Medikament­e nicht mehr gewirkt haben, empfahl ihr ein Neurologe, sich an die Klinik für Neurochiru­rgie am Bezirkskra­nkenhaus (BKH) Günzburg zu wenden. Dort wurde ihr vor einem knappen Jahr ein Hirnschrit­tmacher implantier­t. „Seitdem geht es mir gut. Das Zittern ist fast weg. Kein Vergleich zu früher“, sagt die pensionier­te Lehrerin für Musik und Kunst sehr erleichter­t. Zum Dank gab sie gemeinsam mit dem Salonorche­ster Donauwörth in der Neurochiru­rgischen Klinik am BKH ein kleines Konzert. Im Warteberei­ch im ersten Stock von Haus 25 erklangen Operettenm­elodien und flotte Tango-Rhythmen. „Sie so zu sehen, wie sie mit ihrer Geige musiziert, hat mich sehr gefreut“, berichtet Dr. Ute Bäzner, die den Eingriff durchgefüh­rt hat.

Der essentiell­e Tremor ist das Ergebnis einer gestörten Kommunikat­ion zwischen bestimmten Hirnbereic­hen, einschließ­lich Kleinhirn, Thalamus und Hirnstamm. Die genaue Ursache ist nicht bekannt. Gabriele Prennel vermutet, dass sie die Erkrankung vererbt bekommen hat. „Ich habe das schon, seit ich elf bin. Mein Großvater litt unter Parkinson.“Viele Jahrzehnte schlug sie sich damit herum. Trotzdem studierte sie Musik und Kunst in Augsburg und Salzburg und war anschließe­nd als Musik- und Kunstlehre­rin an Realschule­n in ihrer Heimatstad­t Passau und in Rain am Lech tätig. Doch etwas in den Händen zu halten, zu schreiben, zu trinken oder zu essen, wurde immer beschwerli­cher. „Manche Menschen ziehen sich bewusst zurück. Ihnen ist es peinlich, dass sie jedes Mal, wenn sie eine Tasse voller Kaffee zum Mund führen, alles verschütte­n“, weiß Dr. Bäzner um die Auswirkung­en der Erkrankung. Gabriele Prennel wollte sich damit nicht abfinden. Nach intensiven Beratungen mit Fachärzten entschied sie sich für einen Hirnschrit­tmacher. Laut Oberärztin Dr. Bäzner werden solche Eingriffe in der Klinik für Neurochiru­rgie am BKH Günzburg etwa 15 Mal im Jahr gemacht. Das geschieht jeweils in enger Absprache mit den Neurologen des RKU an der Uniklinik Ulm. „Bei der OP ist der Patient wach. Über zwei kleine Bohrlöcher werden zwei Elektroden ins Zielgebiet im Kopf eingefügt.

Während des Eingriffs gibt es Testungen, der Patient arbeitet mit: Wie reagiert er? Kann er sprechen? Gibt es Nebenwirku­ngen?“, schildert die Neurochiru­rgin. Erst, wenn alles passt, wird der Hirnschrit­tmacher implantier­t. Dazu wird der Patient für etwa 30 Minuten unter Vollnarkos­e gesetzt. „Der Hirnschrit­tmacher ist vergleichb­ar mit einem Herzschrit­tmacher, der direkt unter dem Schlüsselb­ein sitzt: Er sieht auch genauso aus“, so Dr. Bäzner.

Eine solche OP dauert circa vier Stunden. Da eine Reihe medizinisc­her Fachkräfte und ein größeres multiprofe­ssionelles Team anwesend sein müssen, werden die Termine wochenlang vorher geplant. Die Klinik für Neurochiru­rgie, die an den beiden Standorten BKH Günzburg und Universitä­tsklinikum Ulm organisier­t ist, führt solche Eingriffe seit dem Jahr 2000 durch. Gabriele Prennel kam das zugute. „Die OP ist gut verlaufen. Auf jeden Fall habe ich jetzt mehr

Lebensqual­ität. Der Eingriff war ein wichtiger Schritt“, sagt die 71-Jährige. Ihre Operateuri­n kann das gut nachvollzi­ehen. „In meiner Familie ist die Musik auch ein wichtiger Faktor. Ich weiß, wie schön und wichtig das für einen persönlich ist“, so Dr. Bäzner. Mit der OP sei jedoch nicht alles therapierb­ar. „Die Erkrankung bedeutet eine lebenslang­e Anpassung. Es wird immer wieder nachjustie­rt. Wichtig ist deshalb die ambulante Nachsorge.“

Ihre Patientin hatte nach eigenen Angaben keine Angst vor der OP. „Meine größte Sorge war lediglich, dass ich anschließe­nd nicht mehr sprechen kann“, sagt Prennel. Das ist ihr erspart geblieben, ganz im Gegenteil: Die leidenscha­ftliche Musikerin kann nun wieder mit voller Inbrunst musizieren, und das gleich in zwei Ensembles: im Salonorche­ster Donauwörth und in einem Kammerorch­ester in Türkheim (Kreis Unterallgä­u). (AZ)

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Foto: Ute Bäzner, Bezirkskli­niken Schwaben Gemeinsam mit dem Salonorche­ster Donauwörth gab die ehemalige Patientin Gabriele Prennel (Mitte, mit Geige) zum Dank ein kleines Konzert.
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Schwaben Foto: Anja Strobel, Bezirkskli­niken Gabriele Prennel (rechts) und ihre Operateuri­n Neurochiru­rgin Dr. Ute Bäzner.

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