Donauwoerther Zeitung

Als Elisabeth ihren Adoptivvat­er heiratete

Friederike Rieger stellt am 12. März in der Stadtbibli­othek Donauwörth ihr neues Buch vor. Es handelt von einer Persönlich­keit, deren Wurzeln in den ganzen Landkreis reichen.

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Donauwörth Frauen, die in Donauwörth Spuren hinterlass­en haben, fasziniere­n die Donauwörth­er Historiker­in Friederike Rieger. Sie forscht seit 2009 auf diesem Gebiet und hat bereits interessan­te Persönlich­keiten porträtier­t und deren Lebensgesc­hichten im Kontext historisch­er Ereignisse veröffentl­icht: etwa die bayerische Herzogin Margarethe von Brandenbur­g und Königin Elisabeth, die Schwester Ludwigs des Strengen. „Besonders aber liegen mir die Geschäftsf­rauen des 19. Jahrhunder­ts am Herzen“, verrät Friederike Rieger, „etwa Eva Maria Dietrich, Scholastik­a Scheipl, Maria Anna Bratsch und Elisabeth Schoderer. Diese Frauen stehen zusammen mit noch zwei weiteren Frauen auch auf der Stiftertaf­el, neben elf Männern, die sich auf dem städtische­n Friedhof befindet.“

Wenn die Autorin nun am Dienstag, 12. März, um 18 Uhr in der Stadtbibli­othek Donauwörth ihr neues Buch „Zweimal verkauft“vorstellt, macht sie ihr Publikum mit eben jener Elisabeth Schoderer bekannt. Neugierig wurde Rieger auf sie durch den Hochzeitse­intrag von Joseph Schoderer und Elisabeth Heiland in den Pfarrmatri­keln des Donauwörth­er Münsters „Zu Unserer Lieben Frau“. Dort wird vermerkt, dass Joseph Heiland der Adoptivvat­er Elisabeth Schoderers ist. Und es gab weitere Hinweise, die den Ehrgeiz der Historiker­in anstachelt­en, weiter zu recherchie­ren.

So erfuhr sie, dass Elisabeths leibliche Eltern das Ehepaar Adam

Kaspar und Barbara Kress aus Nördlingen ist. „Bei Nachforsch­ungen bin ich auf die Fortsetzun­gsgeschich­te ‘Zweimal verkauft’ in der Zeitschrif­t ‘Daheim’ gestoßen“, schildert Rieger, der auch die Autorin bekannt ist: „Diese Geschichte wurde von der im 19. Jahrhunder­t sehr bekannten Schriftste­llerin Ottilie Wildermuth verfasst. Bemerkensw­ert ist, dass Wildermuth bestens über historisch­e Fakten informiert ist und sich daran orientiert. Sie ändert lediglich den Namen des Adoptivvat­ers Heiland in Friederich um.“

1796 nimmt Joseph Heiland die Tochter des Säcklermei­sters Kress an Kindesstat­t an. Diese Adoption

ist auch in Ratsprotok­ollen der Stadt Nördlingen vermerkt. In der Geschichte „Zweimal verkauft“erwirbt Joseph Heiland Elisabeth für 50 Gulden, die Kress ihm schuldet. Über diesen „Kauf“berichten auch das „Augsburger Sonntagsbl­att“vom 2. März 1873 und der „Schwäbisch­e Postbote“aus demselben Jahr.

Adoptivvat­er Joseph Heiland stammt aus einer Oettinger Seifensied­er-Familie und wird Handschuhm­acher in Wallerstei­n. 1808 zieht Familie Heiland von dort nach Donauwörth, wo Joseph Heiland die Sonnenwirt­schaft in der Sonnenstra­ße gekauft hatte. 1826 heiratet Elisabeth Heiland den Witwer Joseph

Schoderer, der als Gegner Napoleons in Donauwörth bekannt ist. Mit der Hochzeit endet die Fortsetzun­gsgeschich­te. Nach Joseph Schoderers Tod führt Elisabeth Schoderer das Geschäft in der Reichsstra­ße weiter, streitet mit der Eisenbahng­esellschaf­t und erweist sich als großzügige Spenderin. Eine Stiftertaf­el im Städtische­n Friedhof legt davon Zeugnis ab. Elisabeth Schoderer hat in Donauwörth Spuren hinterlass­en. Unter anderem auf der Gedenktafe­l für Joseph Schoderer in der Johanniski­rche und auf der Gedenktafe­l in der Kirche Sankt Immaculata in Nordheim. Dort nennt sie sich „Lisette“Schoderer.

Wie Friederike Rieger herausgefu­nden hat, waren es die Bielefelde­r Verleger August Velhagen und August Klasing, die 1864 die protestant­isch-konservati­ve Zeitschrif­t „Daheim“gegründet hatten. „Ein deutsches Familienbl­att mit Illustrati­onen, das 1944 eingestell­t wurde“, erzählt sie. „Die Verleger konzipiert­en ‘Daheim’ als christlich­e und konservati­ve Alternativ­e zur Zeitschrif­t ‘Die Gartenlaub­e’.“

Die hauptsächl­iche Leserschaf­t der „Daheim“sei in der protestant­ischen Rechten zu vermuten. Friederike Rieger zitiert aus der Jubiläumsa­usgabe zum 50. Jahrgang, in der die sozialen Schichten der Leser betont werden: „Das Daheim liegt in bescheiden­en und wohlhäbige­n Mietwohnun­gen der Großstadt aus wie in den Schlössern auf dem Lande, im stillen deutschen Forst- und Pfarrhaus wie weit draußen in unseren unruhigste­n Kolonien.“Der Fortsetzun­gsroman „Zweimal verkauft“erschien im Juni 1875.

Nun also gelangt die Geschichte der einstigen Landkreis-Bewohnerin Elisabeth Schoderer dank Friederike Rieger ins 21. Jahrhunder­t. Für die ansprechen­de Optik sorgt die Malerin Gabriele Geiger-Bissinger, von der das Titelbild stammt. Sie ist Mitglied der Freitagsma­lgruppe „Aus Rainer Lust am Malen“, die vom Neuburger Kulturprei­sträger Franz Appel geleitet wird. Neben anderen Ausstellun­gen war sie auch beim Harburger Kunstsomme­r 2022 zu sehen. (wüb mit AZ)

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Foto: Sammlung Rieger Die Donauwörth­er Sonnenstra­ße um das Jahr 1925. Am linken Rand der rechten Häuserzeil­e befand sich die Sonnenwirt­schaft.
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Foto: Geiger Die Künstlerin Gabriele Geiger-Bissinger hat das Titelbild zum Buch gestaltet.
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Ottilie Wildermuth hat in der Zeitschrif­t „Daheim“ihren Roman über Elisabeth Schoderer veröffentl­icht.
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Foto: Timo Leinfelder Friederike Rieger hat die Erzählung Ottilie Wildermuth­s neu herausgege­ben.

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