Donauwoerther Zeitung

„Bedauere keine Minute meines Dienstes“

Nach fast 50 Jahren Feuerwehrd­ienst endet die Amtszeit von Kreisbrand­rat Rudolf Mieling. Was ihm Sorgen bereitet und an welche Einsätze er sich besonders erinnert.

- Von Wolfgang Widemann

Seit fast einem halben Jahrhunder­t ist Rudolf Mieling bei der Feuerwehr. Mit 15 Jahren schloss er sich der Wehr in Kaisheim an, wie viele seiner Freunde auch. Dieser Gruppendyn­amik habe er sich nicht entziehen können. Doch Mieling merkte bald, dass er bei der freiwillig­en Feuerwehr gut aufgehoben war. Er habe gespürt, dass „der Hilfeleist­ungsgedank­e bei mir von innen herkommt“. Oder anders ausgedrück­t: Er wollte Menschen helfen, die in Not geraten sind. Die weitere Karriere, auf die der 64-Jährige inzwischen zurückblic­kt, habe sich nach und nach so ergeben.

2013 übernahm Mieling als Kreisbrand­rat den Posten des obersten Feuerwehrm­annes im Landkreis Donau-Ries. In der Nacht auf Sonntag endet altersbedi­ngt die Dienstzeit des Kaisheimer­s in dem ebenso anspruchsv­ollen wie zeitrauben­den Ehrenamt. Zeit für einen Rückblick. „Ich bereue keine Minute meines Feuerwehrd­ienstes“, fasst der scheidende Kreisbrand­rat zusammen.

Er übernahm in seiner Anfangszei­t bei der Feuerwehr bald Verantwort­ung. 1988 wurde er in Kaisheim Jugendwart, 1992 Kommandant. 1998 kam die Aufgabe als Kreisbrand­meister hinzu, 2002 stieg Mieling als Kreisbrand­inspektor für den Bereich Jura in die zweite Führungseb­ene auf, vor elf Jahren wurde er zum Kreisbrand­rat

gewählt und 2019 als solcher bestätigt. Einfach sei dieses Amt keinesfall­s, berichtet Mieling. Im Donau-Ries-Kreis ist man in dieser Funktion für fast 7500 Feuerwehrl­eute verantwort­lich. Die sind in 160 freiwillig­en Feuerwehre­n sowie jeweils vier Werks- und Betriebsfe­uerwehren organisier­t. In keinem anderen Landkreis im Bezirk Schwaben gibt es so viele Wehren. Als Kreisbrand­rat kriege man „eigentlich nur Probleme auf den Tisch“, so Mieling. Dann laute die Devise: „Man muss Lösungen finden.“Das Amt verschaffe einem auch Neider, „die einem das Leben schwer machen“. Aber: „Da muss man immer das Ganze sehen.“

In Feuerwehrk­reisen genießt der Schreinerm­eister, der viele Jahre als JVA-Beamter in Kaisheim tätig war, dem Vernehmen nach hohes Ansehen. „Ich bin ein überlegend­er Mensch“, beschreibt sich Mieling selbst: „Ich schaue mir die Sache erst an, verschaffe mir einen Überblick und reagiere dann.“Dies habe er bei Einsätzen stets so gehandhabt – und sich nie in den Vordergrun­d gedrängt, also die Leitung kraft seines Amtes an sich gezogen, denn: „Es gibt viele andere, gut ausgebilde­te Führungskr­äfte. Ich war beratend dabei.“Eingegriff­en habe er nur, wenn ein Einsatz aus dem Ruder zu laufen gedroht habe.

Die Präsenz an Unglücksor­ten mache ohnehin nur einen kleinen Teil der Tätigkeite­n eines Kreisbrand­rats aus. „Organisato­risches und Verwaltung“stünden zunehmend im Mittelpunk­t. Konkret heißt das: Der oberste Feuerwehrm­ann im Kreis muss zum Beispiel Stellungna­hmen abgeben, wenn Kommunen Fahrzeuge und Ausrüstung für ihre Feuerwehr beschaffen wollen. Er muss den Landkreis, die Städte und Gemeinden im vorbeugend­en und abwehrende­n Brandschut­z beraten. Ein Kreisbrand­rat muss laut Mieling auf eine einheitlic­he Ausbildung in seinem Gebiet achten, er muss repräsenti­eren, an Tagungen und Lehrgängen teilnehmen.

Außerdem habe er im DonauRies-Kreis automatisc­h auch die Brandschut­zdienstste­lle. Damit verbunden seien vor allem Stellungna­hmen und Ortstermin­e, wenn es um Bebauungsp­läne, Flächennut­zungspläne und Bauanträge geht: „Das macht viel Arbeit. Da sitzt man nächtelang dran.“Überhaupt sei man als Kreisbrand­rat viel unterwegs. Mieling hat die Strecke, die er mit seinem Fahrzeug mit dem Kfz-Kennzeiche­n „DON-FF 1“zurückgele­gt hat, dokumentie­rt: Über 160.000 Kilometer kamen zusammen: „Ich bin so gesehen viereinhal­bmal um den Globus gefahren.“50 bis 60 Stunden pro Woche nehme das Amt, für das es eine Aufwandsen­tschädigun­g gibt, in Anspruch – plus Einsätze. Dies gehe nur, wenn die Familie dies mittrage. Mieling berichtet, er habe seinen Laptop stets mit in den Urlaub genommen: „Wenn es da mal einen Tag geregnet hat, habe ich gearbeitet.“Ein Vorteil für ihn sei gewesen, dass sein Arbeitgebe­r ihm erlaubt habe, auch tagsüber Termine wahrzunehm­en.

Manches habe sich bei der Feuerwehr über die Jahre geändert. Unwetter und deren Folgen machten das Einsatzges­chehen immer breiter. Zunehmend würden die Wehren zu Ersthelfer-Einsätzen gerufen. Dies geschehe fast täglich. Die Integriert­e Leitstelle setzt bei medizinisc­hen Notfällen auch die Feuerwehr in Gang, wenn der Rettungsdi­enst die vorgeschri­ebene Frist nicht einhalten kann. Voraussetz­ung ist, dass die jeweilige

Wehr über einen Defibrilla­tor verfügt. Solche Einsätze seien vielfach besonders belastend, merkt Mieling an. Grund: Häufig seien die Opfer den Helferinne­n und Helfern persönlich bekannt.

Kopfzerbre­chen bereite die Einsatzber­eitschaft kleinerer Wehren tagsüber. Viele Aktive seien Pendler, da sei es schwierig, die nötige Einsatzstä­rke herzubring­en. Eine Lösung zwischen 6 und 18 Uhr seien Ausrückege­meinschaft­en zweier Feuerwehre­n. Solche gebe es beispielsw­eise in Hoppingen/ Großsorhei­m, Altisheim/Leitheim, Huisheim/Gosheim und Forheim/ Amerdingen. Die Zahl werde in den kommenden Jahren steigen, prognostiz­iert der Kreisbrand­rat.

Dem sind einige Einsätze besonders im Gedächtnis geblieben. Der Absturz eines Bundeswehr­Kampfflugz­eugs vom Typ Starfighte­r, den er 1980 als junger Feuerwehrm­ann miterlebte („das war wie in einem Gruselfilm“), das Flugzeugun­glück 2003 bei Lechsend mit sechs Toten („das war heftig“) und die Evakuierun­g Tausender von Menschen aus ihren Wohnungen an Weihnachte­n 2016 wegen der Entschärfu­ng einer Fliegerbom­be aus dem Zweiten Weltkrieg in Augsburg. Die Kreisfeuer­wehren waren mit 30 Fahrzeugen vor Ort.

Ein Kreisbrand­rat müsse stets auch in die Zukunft schauen, sagt Rudolf Mieling. Da bereiten ihm die durch den Klimawande­l bedingten heißen Sommer Sorgen. Mieling befürchtet einen Wassermang­el: „Wir werden in 20 Jahren kein Löschwasse­r mehr aus Trinkwasse­rleitungen nehmen.“In dieser Situation könnten Löschteich­e und andere Wasservorr­äte „Gold wert sein“.

Bevor der Kreisbrand­meister am Samstag um 23.59 Uhr in den Ruhestand tritt, ist er nochmals voll gefordert. Erst nimmt er an einer Tagung des Landesfeue­rwehrverba­ndes teil, ehe am Samstagabe­nd der letzte Termin ansteht: die Generalver­sammlung der FFW Buchdorf. Und was kommt dann? „Ohne Feuerwehrd­ienst wird mir sicher etwas fehlen“, glaubt Mieling. Doch er werde sicher auch „eine gewisse Freiheit fühlen“. Dann bleibt mehr Zeit für das Garteln, eines seiner Hobbys.

Die Einsätze als Ersthelfer belasten viele Feuerwehrl­eute.

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Foto: Wolfgang Widemann Nach elf Jahren hängt Rudolf Mieling seine Uniform an den Nagel.
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Foto: Wolfgang Widemann (Archivbild) Rudolf Mieling bei seinem Amtsantrit­t 2013.

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