Donauwoerther Zeitung

„Eine vollkommen sinnlose Tat“

„Es war eine vollkommen sinnlose Tat“, so fasst der Vorsitzend­e Richter die brutale Hammer-Attacke am Meitinger Bahnhof zusammen. Wie er den Beschluss des Gerichts begründet.

- Von Philipp Kinne

In den Gerichtssa­al wird Marek P. mit Handschell­en gebracht. Die sind an einer Art Gürtel befestigt, wodurch der Beschuldig­te seine Arme kaum bewegen kann. Eine Sicherheit­smaßnahme, die zeigt, wovon auch das Gericht überzeugt ist: Marek P. (Name geändert) ist gefährlich. Deshalb wird der Mann, der im vergangene­n Mai beinahe einen Menschen getötet hat, nun auf unbestimmt­e Zeit in einer Psychiatri­e untergebra­cht. Während der vergangene­n Verhandlun­gstage vor dem Augsburger Landgerich­t zeichneten Zeugen ein genaues Bild der brutalen Hammer-Attacke am Meitinger Bahnhof.

Der 34-Jährige war im vergangene­n Mai gerade erst ein paar Tage zuvor aus der Haft entlassen worden. Zuletzt saß der vielfach vorbestraf­te Mann wegen Körperverl­etzung im Knast. Schon als Jugendlich­er begann er seine kriminelle Karriere. Der Pole ist mehrfach wegen Schlägerei­en, Diebstahl

und Drogen verurteilt worden. Seinen Lebensunte­rhalt verdiente er eine Zeit lang als Binnenschi­ffer in Deutschlan­d und den Niederland­en. Als er wegen einer Krankheit nicht mehr auf dem Schiff arbeiten konnte, driftete Marek P. offenbar völlig ab – und lebte ein Leben voller Drogen und Gewalt.

Nach seiner Entlassung in Deutschlan­d verfiel Marek P. offenbar schnell in alte Muster. Einen der ersten Abende in erneuter Freiheit verbrachte er in München. Dort geriet der Drogensüch­tige am Abend vor der Tat in eine Polizeikon­trolle. Die Beamten fanden eine geringe Menge chemischer Drogen in seinem Rucksack. Ein Hammer war zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht in seiner Tasche. Was Marek P. die Nacht über in München getan hat, bleibt unklar. Fest steht, dass er am frühen Morgen am Münchener Hauptbahnh­of in den Regionalex­press nach Würzburg stieg. Der Zug war voll, einige Passagiere mussten stehen. Marek P. fand einen Sitzplatz gegenüber seines späteren Opfers. Die beiden kannten sich nicht, wechselten auch während der Zugfahrt kein Wort. Doch Marek P. hörte Stimmen. Ein Gutachter bescheinig­te dem Mann eine paranoide Schizophre­nie und Merkmale für eine dissoziale Persönlich­keitsstöru­ng.

Die Stimmen in seinem Kopf wurden nach Aussage des Beschuldig­ten immer lauter. Im Gespräch mit einem Psychiater gab er an, er habe sich verfolgt gefühlt. In seiner wirren Wahrnehmun­g hätten es rumänische Kriminelle auf ihn abgesehen. Als der Zug gegen 6.40 Uhr am Meitinger Bahnhof einfuhr, hätten die Stimmen ihm befohlen, das Opfer anzugreife­n. Marek P. folgte seinem Opfer aus dem Zug auf das Bahngleis. Als der Mann vor ihm sich beugte, um seinen Elektrorol­ler aufzubauen, zog Marek P. einen 710 Gramm schweren Zimmermann­shammer aus seiner Tasche. Mit voller Wucht schlug er damit auf den Hinterkopf des 34 Jahre alten Opfers. Der Mann sackte zu Boden und begann stark zu bluten. Sofort eilten Passagiere herbei, versorgten das Opfer und wählten den Notruf. All das wurde von Videokamer­as aufgezeich­net. Daran erinnern kann sich das Opfer heute kaum noch. Der 34-Jährige hatte Glück und überlebte die brutale Attacke. Marek P. ließ sich kurz nach der Tat widerstand­slos festnehmen.

„Es war eine vollkommen sinnlose Tat aus dem Nichts“, sagte der Vorsitzend­e Richter Michael Eberle. Das Gericht kam zu der Überzeugun­g, dass der Täter sich ein zufälliges Opfer gesucht habe, das er umbringen wollte. „Grund dafür waren die Wahnvorste­llungen des Beschuldig­ten“, erklärte Erberle. Der Angreifer leide unter „vollkommen­em Realitätsv­erlust“und sei aufgrund der psychische­n Ergänzung schuldunfä­hig. Weiterhin gehe von Marek P. große Gefahr aus, weshalb eine dauerhafte Unterbring­ung in einer geschlosse­nen Einrichtun­g die logische Konsequenz des Verfahrens sei, erklärte der Richter.

Das forderte zuvor auch Staatsanwa­lt Thomas Junggeburt­h in seinem Plädoyer. Ursprüngli­ch hatte die Staatsanwa­ltschaft dem Beschuldig­ten versuchten Mord vorgeworfe­n. Im Laufe der Verhandlun­g rückte Junggeburt­h davon ab. Weil Marek P. in seiner Wahnvorste­llung Stimmen gehört habe, die ihn nach seiner krankhafte­n Wahrnehmun­g zur Tat gedrängt haben sollen, war juristisch von Totschlag auszugehen. Marek P. soll sogar die bizarre Vorstellun­g gehabt haben, das Opfer habe ihm befohlen, ihn zu schlagen. Auch Verteidige­r Werner Ruisinger ging in seinem Plädoyer auf die Wahnvorste­llungen seines Mandanten ein. Die Krankheit des Polen habe in ihm die wirre Vorstellun­g ausgelöst, er müsse die Tat begehen. Letztlich sei klar: „Mein Mandant ist dringend auf medizinisc­he Hilfe angewiesen.“

Die soll Marek P. nun in der geschlosse­nen psychiatri­schen Einrichtun­g, in der er bereits seit einigen Monaten untergebra­cht ist, erhalten. Wann er diese wieder verlassen kann, ist unklar. Eine solche Unterbring­ung ist neben dem Ausspruch einer lebenslang­en Freiheitss­trafe und der Sicherungs­verwahrung die schärfste Waffe des Strafrecht­s. Sie ist zeitlich nicht befristet.

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Kinne (Archivbild) Foto: Philipp Mit einem Hammer schlug Marek P. am Meitinger Bahnhof auf sein Opfer ein. Nun ist der Prozess beendet.
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Foto: Marcus Merk (Archivbild) An dieser Stelle auf dem Bahnhof wurde der 34-Jährige von dem Angreifer brutal mit einem Hammer niedergesc­hlagen.

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