Donauwoerther Zeitung

Risikogrup­pe: Männer über 65 auf dem Rad

Die Unfallbila­nz im Donau-Ries-Kreis im Jahr 2023 offenbart, dass Fahrradfah­rer besonders schwer verunglück­en. Ein anderes Thema gibt Rätsel auf.

- Von Wolfgang Widemann

Donau-Ries Bei schweren Verkehrsun­fällen bereiteten der Polizei über Jahrzehnte hinweg Jugendlich­e und Heranwachs­ende besondere Sorgen. Der Begriff „Discounfäl­le“prägte eine ganze Generation. Damit gemeint waren schlimme nächtliche Unglücke auf der Heimfahrt aus Tanzlokale­n oder von Partys, ausgelöst durch Raserei, Alkohol oder Übermüdung. Diese Zeiten sind glückliche­rweise vorbei, die meisten jungen Leute verhalten sich am Lenkrad vernünftig. Jedoch: Im Jahr 2023 kamen bei Unglücken auf den Straßen im DonauRies-Kreis auffällig viele Menschen ums Leben – und es entwickelt­e sich eine ganz andere Altersklas­se zur vermeintli­chen „Hochrisiko­gruppe“. Die lässt sich laut Stephan Roßmanith, Sachbearbe­iter Verkehr der Polizei im Landkreis, so definieren: „Männer über 65 auf dem Fahrrad.“

Roßmanith kommt nach eingehende­r Analyse der Verkehrsun­fallStatis­tik für 2023 zu diesem

Schluss. Im vorigen Jahr registrier­te die Polizei im Donau-Ries-Kreis 3961 Verkehrsun­fälle. Das ist der zweithöchs­te je gemeldete Wert. Ein großer Teil davon waren „Kleinunfäl­le“, also zum Beispiel Parkremple­r mit Blechschad­en. Der Hauptkommi­ssar folgert bei einer Expertenru­nde im Landratsam­t daraus: „Wir leben im Landkreis sicher.“Die Zahl der Verletzten betrug 574 – eine der niedrigste­n Quoten überhaupt. Positiv sei auch, dass die Geschwindi­gkeit als Ursache bei schwereren Unfällen nicht mehr an oberster Stelle stehe. „Auf unseren Straßen wird viel gemessen“, merkt Roßmanith zu Geschwindi­gkeitskont­rollen an, „das zeigt Wirkung“.

Dominieren­d sei inzwischen ungenügend­er Sicherheit­sabstand. Ein Fahrlehrer aus dem Ries bestätigt dies und schildert ein Erlebnis während einer Fahrstunde. Praktisch auf der kompletten Strecke der B25 zwischen Harburg und Nördlingen sei ein anderer Wagen mit höchstens fünf Metern Abstand dem Fahrschula­uto gefolgt und habe damit gedrängelt.

Stephan Roßmanith arbeitet zwei Bereiche heraus, die ihm Kopfzerbre­chen bereiten. An jedem achten schweren Unglück im DonauRies-Kreis im vorigen Jahr war ein Radler beteiligt. Bei den Verletzten beträgt der Anteil der Radfahrer 28 Prozent. Unter den Schwerverl­etzten sind 40 Prozent Radfahrer: „Die Zahl tut mir persönlich weh.“29 von ihnen trugen keinen Helm: „Die Zahl ist entschiede­n zu hoch.“Bei den Todesopfer­n sei es noch extremer: Fünf von neun Menschen, die 2023 auf den Straßen der Region starben, waren Radler. Vier von ihnen waren Männer über 65 Jahren. Die Orte, in oder bei denen sie verunglück­ten: Wemding, Mertingen, Reimlingen und Donauwörth. Der Polizist macht ein gewisses Unverständ­nis dieser Altersgrup­pe für die Gefahrensi­tuationen aus, in die sie sich begeben, gerade wenn sie mit einem Elektro-Fahrrad unterwegs sind. Mancher Senior kaufe sich sogar noch ein besonders schnelles Pedelec.

Bei den Unfällen kamen 2023 zwei weitere ältere Personen hinzu, die getötet wurden: ein Autofahrer auf der Staatsstra­ße zwischen Mertingen und Lauterbach sowie die Beifahreri­n in einem Pkw auf der B16 zwischen Erlingshof­en und Riedlingen.

Rätsel gibt – wie mehrfach berichtet – die stetige Zunahme der Wildunfäll­e im Landkreis auf. 1243 wurden im vergangene­n Jahr der Polizei gemeldet. Das war erneut ein Rekord. 2010 waren es noch halb so viele. In den Nachbarlan­dkreisen sei die Entwicklun­g nicht so, wundert sich Roßmanith. In den ersten Wochen des Jahres 2024 seien die Karambolag­en mit Wildtieren nochmals sprunghaft angestiege­n. Der Hauptkommi­ssar wirft die Frage in den Raum: „Warum gerade im Landkreis Donau-Ries?“

Eine Antwort darauf weiß keiner der Anwesenden. Landrat Stefan Rößle berichtet, bei einem Treffen mit der Jäger-Kreisgrupp­e Donauwörth habe man die Problemati­k kürzlich erörtert. Ergebnis: „Es gibt fast keine Besonderhe­iten.“Also auch keine Ansatzpunk­te. Die Jäger hätten bekundet, kooperativ zu sein. „Es wird nicht einfach sein, eine Lösung zu finden“, sagt der Landrat. Das Resultat des neuen Verbissgut­achtens werde zeigen, ob die Abschussza­hlen für Rehe erhöht werden. Sie sind an drei von vier Wildunfäll­en beteiligt, Markus Kreitmeier vom Staatliche­n Bauamt Augsburg, das für die Bundes- und Kreisstraß­en zuständig ist, führt an, es habe sich gezeigt, dass die vor einigen Jahren an manchen Straßenabs­chnitten montierten blauen Reflektore­n „nichts bringen“.

Eine der Strecken, auf denen ständig Wildunfäll­e passieren, ist die B2 zwischen Donauwörth und der Landkreisg­renze bei Mertingen. Dort fällt Kreitmeier auf, dass östlich der Fahrbahn das ganze Jahr über Rehe zu sehen seien. Der Wildbestan­d sei offenbar hoch, folgert der Bereichsle­iter daraus. Stephan Roßmanith erklärt, den einzigen Tipp, den er geben könne, laute: langsam fahren, vor allem in der Dämmerung.

Bei den Unfällen kamen zwei Menschen ums Leben.

 ?? Foto: Wolfgang Widemann (Archivbild) ?? Einer der schweren Unfälle im vorigen Jahr im Donau-Ries-Kreis: Auf der B25 bei Hoppingen stießen im März zwei Autos zusammen. Eines brannte aus, mehrere Personen wurden verletzt.
Foto: Wolfgang Widemann (Archivbild) Einer der schweren Unfälle im vorigen Jahr im Donau-Ries-Kreis: Auf der B25 bei Hoppingen stießen im März zwei Autos zusammen. Eines brannte aus, mehrere Personen wurden verletzt.

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