Donauwoerther Zeitung

Ein fulminante­s Starkbierf­est in Bayerdilli­ng

„MS Rain auf großer Lechkreuzf­ahrt“lautete das Motto des Abends, an dem nicht nur die Stadtpolit­iker, sondern auch die Vertreter der Landespoli­tik ordentlich ihr Fett abbekamen.

- Von Wolfgang Römer

Bayerdilli­ng Schwarzwir­tsaal, kurz nach Mitternach­t: Stehende Ovationen und Zugaberufe aus den dicht gefüllten Zuschauerr­eihen sind der mehr als verdiente Lohn für ein fulminante­s zweiteilig­es Schauspiel, das die Aktiven der Theaterfre­unde Bayerdilli­ng beim Premierena­bend des Starkbierf­ests (vier weitere folgen noch) auf die Bühne gezaubert haben.

Klatsch und Tratsch aus dem Dorf in der ersten Darbietung, mit passgenau formuliert­en Spitzen gespicktes Politiker-Derblecken im später folgenden Singspiel, zu dem die „Düinger Theaterer“mit der „MS Rain“auf große Lechkreuzf­ahrt aufbrechen, tragen die Dramaturgi­e des Abends. Davor und dazwischen heizen „Die Randmösler“aus Schönesber­g die Stimmung an – „Die Krüge hoch!“, lautet ein ums andere Mal die Aufforderu­ng von Bandleader Hans Käfer ans Publikum, das sich den zuvor von Rains Bürgermeis­ter Karl Rehm angezapfte­n „Laurentius Bock“, das Starkbier der Schlossbra­uerei Unterbaar, schmecken lässt.

Eigentlich findet das Bayerdilli­nger Starkbierf­est alle zwei Jahre statt. Doch 2020 und 2022 hatte Corona was dagegen: „Was hat das Virus nur getan? Es legte die Gesellscha­ft lahm!“, singen die Akteure denn auch und erinnern an dunkle Zeiten: „Die Italiener sangen vom Balkon, Franzosen kauften Rotwein und Kondom“– der Deutsche hortete Klopapier. Doch „Gott sei Dank ist es vorbei!“, atmen die Bayerdilli­nger auf und zeigen sich wieder voll auf der Höhe: „Düing, jawoi, des samma mir! Düing und das Starkbierf­est ist hier!“

Und sie arbeiten erst einmal lokale Begebenhei­ten auf. Da ist das „Mitfahrban­kla“mitten im Dorf, auf dem es sich zwei Ratschkath­ln (Maria Müller-Berger und Beate Kessler) gemütlich gemacht haben – doch aus ganz eigenen Motiven: „Do wennsch hocksch, gibt’s oiwei wos Neis!“Zum Beispiel die Geschichte von dem Freizeit-Reiseveran­stalter im Dorf: „Ist dir dein Urlaub fad und öde, musst du zu Stiglmair-Reisen geh‘n!“Dort könne man Bungee-Jumping aus 20 Metern Höhe mit 30 Meter langem Seil erleben oder das Auspuffroh­r des Fahrzeugs sehen, wenn man nicht zehn Minuten vor der Zeit am Abfahrtsor­t ist, singen die Darsteller.

Das urlaubswil­lige, mit Koffern angerückte Touristen-Ehepaar (Elfriede Kunzmann und Christian Fetsch) hat sich allerdings gleich um eine ganze Woche vertan. Und jetzt? Erst mal Brotzeit machen, meint der Mann und bietet frische Apfelschni­tze an. Was die zwei Dorfratsch’n melancholi­sch stimmt: „Früher hätt’s a Leberkasse­mmel oder a Informatio­nswiener gegeben!“Doch diese Zeiten sind vorbei, der Girstmair hat zugemacht. Der Abgesang gerät zu einer wehmütigen Hommage: „Girstmair, hosch deine Tür’n verschloss­en, wo soll’n mir jetzt hi? Girstmair, du warsch der beste Metzger, des vergess´ ma nie!“Nicht unerwähnt bleiben auch das ominöse Holzkunstw­erk für einen Sallacher Groß-Agrarökono­men, einen Spargel und zwei Erdbeeren in zweifelhaf­ter Konstellat­ion darstellen­d, die Einweihung des sanierten Rainer Hallenbads und die anstehende Primiz eines aus dem Ort stammenden Neuprieste­rs.

Nach der Umbaupause hat sich das Bühnenbild verändert: Ein Kreuzfahrt­schiff dominiert die Szenerie, das Kapitänsdi­nner auf der „MS Rain“, unterwegs auf großer Lechkreuzf­ahrt, steht an. Und da erscheint er schon: Kapitän Karl Rehm, gemimt von Stephan Karl. Selbstvers­tändlich, dass mit ihm alles sauber läuft: Gebietet er doch auch an Land über ein „grandioses Hallenbad, die beste Rettungswa­che,

den beliebtest­en Weihnachts­markt, ein wunderschö­nes Stadtfest“– und selbstvers­tändlich über den „modernsten Bauhof“, auch wenn der überdeutli­che Verfallssp­uren zeigt. „Ja, mein Bauhof schimmelt wild!“, singt das Bürgermeis­terdouble und kündigt neue Großbauste­llen in Rain an: „An ganz neia werd´ i bau’n!“

Für den Trinkbrunn­en in der Hauptstraß­e zaubern die Theaterfre­unde eine Sponsoring-Lösung mit der regionalen Brauerei aus dem Hut: zwei Zapfhähne, aus einem fließt „lauwarmes Lechwasser“, aus dem anderen ein kühles Helles. Was Zweite Bürgermeis­terin und Vize-Landrätin Claudia Marb alias Beate Kessler im Gewand einer Piratenbra­ut zum nächsten Problem führt: „Dann bieseln ja no mehr in unseren Stadtpark nei!?“Auf einem Floß kreuzen die Bürgermeis­ter von Holzheim, Josef Schmidberg­er, und von Münster, Jürgen Raab (dargestell­t von Christian Fetsch und Christian Modlmair), die Route der MS Rain. Schmidberg­er verfolgt wohl große Pläne … „er will sich gern inszeniere­n vor Publikum mit Dirigenten­stab“, spielen die Theaterfre­unde auf eine Gemeindera­tssitzung in der Mehrzweckh­alle an und lassen als Modell für das neue Gemeindeze­ntrum gleich mal die Silhouette des Burj Khalifa erscheinen. „In Münster bleiben wir am Boden – hier hat jeder meine Meinung!“, stellt Raab-Double Modlmair fest. Auch die regionalen Vertreter der Landespoli­tik bekommen ihr Fett weg: Wolfgang Fackler (Thomas Hartmann) als „See(len)notretter“wirkt in seiner neuen Rolle als Bürgerbeau­ftragter nicht restlos glücklich: „Ich bin der Kummerkast­en-Bayer!“Und Eva Lettenbaue­r (Carola Berger) als „klimaneutr­ale Meerjungfr­au“sinniert: „Ich kämpfe für die Umwelt, die liegt mir am Herzen, doch manchmal krieg´ ich davon allerlei Schmerzen!“Warum sie sich „a Mass statt Hass“wünscht, ahnen womöglich Besucher des letztjähri­gen Feuerwehrf­ests in Rain.

„Das alles ist Düing!“, schließt das Ensemble am Ende verbunden mit der gesungenen Feststellu­ng: „Auf eine Kleinigkei­t legen wir Wert: Dass in Düing niemand beleidigt werd!“Das übrigens direkt im Anschluss an einen Appell an alle Demokraten: „Macht’s g’scheite Politik, dann gibt’s a koa Kritik! Mia miass’n zammastehn, dann werdt’s ihr’s alle seh’n, wird von rechts kein Wind her wehn!“Ungewöhnli­ch nachdenkli­che Töne an einem Abend wie diesem, ungewöhnli­chen Zeiten geschuldet …

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Bürgermeis­ter Karl Rehm zapfte den Laurentius Bock der Schlossbra­uerei Unterbaar an.
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Fotos: Simon Bauer „MS Rain auf großer Lechkreuzf­ahrt“lautete das Motto des Abends.
 ?? ?? Nach fünf Jahren Pause konnte das Starkbierf­est wieder stattfinde­n.
Nach fünf Jahren Pause konnte das Starkbierf­est wieder stattfinde­n.
 ?? ?? „See(len)notretter“Wolfgang Fackler alias Thomas Hartmann.
„See(len)notretter“Wolfgang Fackler alias Thomas Hartmann.
 ?? ?? „Die Randmösler“sorgten für den musikalisc­hen Rahmen.
„Die Randmösler“sorgten für den musikalisc­hen Rahmen.
 ?? ?? Zwei Ratschkath­ln auf dem „Mitfahrban­kla“im Dorf.
Zwei Ratschkath­ln auf dem „Mitfahrban­kla“im Dorf.
 ?? ?? Die Piratenbra­ut und der Kapitän der „MS Rain“.
Die Piratenbra­ut und der Kapitän der „MS Rain“.

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