Mann bastelt Rohrbomben und hortet Waffen
Vor dem Schöffengericht in Nördlingen musste sich ein 54-Jähriger verantworten, der in seinem Keller mit Sprengstoff hantierte und unter Reichsflaggen feierte.
Es müssen feuchtfröhliche Zusammenkünfte gewesen sein, die regelmäßig nach der Arbeit im Schuppen des 54-Jährigen in einer Jura-Kommune stattfanden. Unter der Schwarz-Weiß-Roten-Fantasiefahne samt Reichsadler im Nazi-Stil gab es ausreichend Bier und auch ab und an etwas zu kiffen nach getanem Tagwerk. Nebenan, im Haus sowie in der Garage des Mannes, war derweil ein ganzes Arsenal an Waffen und Sprengstoffen deponiert. Am Mittwoch musste er sich nun vor dem Schöffengericht in Nördlingen verantworten. Die Vorwürfe wogen umso schwerer, da es sich unter anderem um einen Verbrechenstatbestand nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz handelte.
Mit gesenktem Kopf saß der Angeklagte schon Minuten vor Beginn der Verhandlung im ersten Stock des Nördlinger Gerichtsgebäudes. Er schien zu ahnen, dass die Verhandlung unangenehm ausgehen könnte für ihn. Was war geschehen? An einem kalten Tag Mitte Dezember 2022 erwarteten Polizeibeamte den Arbeiter nach der Schicht auf dessen Grundstück. Eine Hausdurchsuchung stand an. Der Grund: Es hat sich wohl herumgesprochen, dass auf dem Anwesen in der JuraKommune in bierseliger Runde auch Marihuana konsumiert wird.
Bei jener Durchsuchung dürften die Beamten dann nicht wenig erstaunt gewesen sein, was da alles auftauchte in diversen Kammern und Räumen. Staatsanwalt Markus Klatt verlas denn auch das ganze Portfolio: Mit am schwersten wog dabei eine ältere, aber voll funktionstüchtige Maschinenpistole (MP), Typ „Skorpion“, aus tschechoslowakischen Armeebeständen, mit der Durchschlagskraft von 7,65 Millimetern samt Munition – zum Vergleich: Das aktuelle NATO-Kaliber hat 5,56 Millimeter. Da war es schon fast nebensächlich, dass die Polizei in der Küche auch Cannabis fand, zudem Schreckschuss- und Signalpistolen. Die MP habe der Mann Ende der 1980er Jahre auf einem Flohmarkt erstanden.
Auch hatte der Angeklagte einiges an hochexplosivem Material im Keller seines Hauses gebastelt; Material, das Militärs als „unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen“bezeichnen, eben selbst hergestellt, aber oft nicht minder gefährlich als industriell produzierte Ladungen. Ferner fanden sich Hitlerbilder, SS-Abzeichen und diverse Militaria im Hause des verheirateten Mannes. Indes war nicht nur der Schuppen schwarz-weiß-rot dekoriert, sondern auch der Partykeller. „Ich bin nicht rechtsextrem“, beteuerte der 54-Jährige immer wieder. Auf die wiederholten Nachfragen des Staatsanwaltes und von Richterin Ruth Roser, warum er dann das einschlägige Material gehortet und teils auch aufgehängt habe, antwortete er lediglich: „Ich war dumm und naiv.“Der Verteidiger, Rechtsanwalt Bernd Scharinger, betonte, sein Mandant sei zwar „waffenaffin“gewesen, allerdings „ohne politischen beziehungsweise rechtsradikalen Hintergrund“. Die Waffensammlung, zu der auch zahlreiche Deko-Gewehre gehörten, sei „eine Art Hobby“gewesen. Zu den NS-Symbolen meinte Scharinger, es handle sich auch dabei um eine „Sammelleidenschaft“, woraufhin der Angeklagte wiederholte: „Ich bin nicht rechtsradikal.“Bei dem schwarz-weiß-roten Fahnenschmuck habe es sich um „eine Gaudi“gehandelt. Das beschlagnahmte Sammelsurium nannte der Angeklagte wiederholt „Müll“.
Auch weil es sich bei der gefundenen MP um eine Kriegswaffe handelte, ermittelte der Staatsschutz. Der gab aber Entwarnung – der Mann sei bislang nie in der rechtsextremen Szene oder bei den Reichsbürgern in Erscheinung getreten. Auch sonst war der Auszug aus dem Bundeszentralregister blütenweiß. Nie war er überhaupt strafrechtlich auffällig gewesen.
Schwer wog unterdessen, dass sämtliche Waffen und Sprengkörper
(darunter auch eine gebastelte Rohrbombe sowie ein selbst kreiertes Sprengmittel mit Splitterwirkung) offen zugänglich waren. „Er hat kein Hirn gehabt in dieser Zeit“, kommentierte denn auch Verteidiger Scharinger. Der Waffensammler sagte, er wisse, wie „das jetzt alles wirkt“auf die Zuhörer und das Gericht, er sei aber nun mal „kein Nazi“, sondern „ein hilfsbereiter Blutspender“, der lediglich friedlich leben wolle. Mehrmals im Verlauf der Verhandlung weinte der 54-Jährige. In seinem Schlusswort brachte er schließlich nurmehr ein „Es tut mir leid“hervor.
In seinem Plädoyer würdigte Staatsanwalt Klatt die Kooperationsbereitschaft sowie die Reue des Angeklagten. Allerdings handle es sich um „keinen minderschweren Fall“, zumal die MP voll funktionsfähig und – wie auch die Explosivstoffe – frei zugänglich war. Zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung lautete die Forderung der Staatsanwaltschaft.
Dem kam das Schöffengericht und Vorsitz von Richterin Roser denn auch nach: Zwei Jahre Freiheitsentzug, ausgesetzt zu drei Jahren auf Bewährung samt einer Geldauflage von 6000 Euro. Ausschlaggebend für das milde Urteil seien, so führte es die Richterin in ihrer Begründung aus, die Reue, Betroffenheit und Einsicht des Angeklagten gewesen, der sich zudem bislang nichts hatte zuschulden kommen lassen. Auch habe er eine günstige Sozialprognose, etwa eine intakte Familie und eine feste Arbeit. „Wir haben die Hoffnung, dass sie anders denken und anders handeln“, schloss die Richterin. Die Verteidigung und der Angeklagte nahmen das Urteil umgehend an.
Mehrmals im Verlauf der Verhandlung weinte der 54-Jährige.