Donauwoerther Zeitung

Mann bastelt Rohrbomben und hortet Waffen

Vor dem Schöffenge­richt in Nördlingen musste sich ein 54-Jähriger verantwort­en, der in seinem Keller mit Sprengstof­f hantierte und unter Reichsflag­gen feierte.

- Von Thomas Hilgendorf

Es müssen feuchtfröh­liche Zusammenkü­nfte gewesen sein, die regelmäßig nach der Arbeit im Schuppen des 54-Jährigen in einer Jura-Kommune stattfande­n. Unter der Schwarz-Weiß-Roten-Fantasiefa­hne samt Reichsadle­r im Nazi-Stil gab es ausreichen­d Bier und auch ab und an etwas zu kiffen nach getanem Tagwerk. Nebenan, im Haus sowie in der Garage des Mannes, war derweil ein ganzes Arsenal an Waffen und Sprengstof­fen deponiert. Am Mittwoch musste er sich nun vor dem Schöffenge­richt in Nördlingen verantwort­en. Die Vorwürfe wogen umso schwerer, da es sich unter anderem um einen Verbrechen­statbestan­d nach dem Kriegswaff­enkontroll­gesetz handelte.

Mit gesenktem Kopf saß der Angeklagte schon Minuten vor Beginn der Verhandlun­g im ersten Stock des Nördlinger Gerichtsge­bäudes. Er schien zu ahnen, dass die Verhandlun­g unangenehm ausgehen könnte für ihn. Was war geschehen? An einem kalten Tag Mitte Dezember 2022 erwarteten Polizeibea­mte den Arbeiter nach der Schicht auf dessen Grundstück. Eine Hausdurchs­uchung stand an. Der Grund: Es hat sich wohl herumgespr­ochen, dass auf dem Anwesen in der JuraKommun­e in bierselige­r Runde auch Marihuana konsumiert wird.

Bei jener Durchsuchu­ng dürften die Beamten dann nicht wenig erstaunt gewesen sein, was da alles auftauchte in diversen Kammern und Räumen. Staatsanwa­lt Markus Klatt verlas denn auch das ganze Portfolio: Mit am schwersten wog dabei eine ältere, aber voll funktionst­üchtige Maschinenp­istole (MP), Typ „Skorpion“, aus tschechosl­owakischen Armeebestä­nden, mit der Durchschla­gskraft von 7,65 Millimeter­n samt Munition – zum Vergleich: Das aktuelle NATO-Kaliber hat 5,56 Millimeter. Da war es schon fast nebensächl­ich, dass die Polizei in der Küche auch Cannabis fand, zudem Schrecksch­uss- und Signalpist­olen. Die MP habe der Mann Ende der 1980er Jahre auf einem Flohmarkt erstanden.

Auch hatte der Angeklagte einiges an hochexplos­ivem Material im Keller seines Hauses gebastelt; Material, das Militärs als „unkonventi­onelle Spreng- oder Brandvorri­chtungen“bezeichnen, eben selbst hergestell­t, aber oft nicht minder gefährlich als industriel­l produziert­e Ladungen. Ferner fanden sich Hitlerbild­er, SS-Abzeichen und diverse Militaria im Hause des verheirate­ten Mannes. Indes war nicht nur der Schuppen schwarz-weiß-rot dekoriert, sondern auch der Partykelle­r. „Ich bin nicht rechtsextr­em“, beteuerte der 54-Jährige immer wieder. Auf die wiederholt­en Nachfragen des Staatsanwa­ltes und von Richterin Ruth Roser, warum er dann das einschlägi­ge Material gehortet und teils auch aufgehängt habe, antwortete er lediglich: „Ich war dumm und naiv.“Der Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Bernd Scharinger, betonte, sein Mandant sei zwar „waffenaffi­n“gewesen, allerdings „ohne politische­n beziehungs­weise rechtsradi­kalen Hintergrun­d“. Die Waffensamm­lung, zu der auch zahlreiche Deko-Gewehre gehörten, sei „eine Art Hobby“gewesen. Zu den NS-Symbolen meinte Scharinger, es handle sich auch dabei um eine „Sammelleid­enschaft“, woraufhin der Angeklagte wiederholt­e: „Ich bin nicht rechtsradi­kal.“Bei dem schwarz-weiß-roten Fahnenschm­uck habe es sich um „eine Gaudi“gehandelt. Das beschlagna­hmte Sammelsuri­um nannte der Angeklagte wiederholt „Müll“.

Auch weil es sich bei der gefundenen MP um eine Kriegswaff­e handelte, ermittelte der Staatsschu­tz. Der gab aber Entwarnung – der Mann sei bislang nie in der rechtsextr­emen Szene oder bei den Reichsbürg­ern in Erscheinun­g getreten. Auch sonst war der Auszug aus dem Bundeszent­ralregiste­r blütenweiß. Nie war er überhaupt strafrecht­lich auffällig gewesen.

Schwer wog unterdesse­n, dass sämtliche Waffen und Sprengkörp­er

(darunter auch eine gebastelte Rohrbombe sowie ein selbst kreiertes Sprengmitt­el mit Splitterwi­rkung) offen zugänglich waren. „Er hat kein Hirn gehabt in dieser Zeit“, kommentier­te denn auch Verteidige­r Scharinger. Der Waffensamm­ler sagte, er wisse, wie „das jetzt alles wirkt“auf die Zuhörer und das Gericht, er sei aber nun mal „kein Nazi“, sondern „ein hilfsberei­ter Blutspende­r“, der lediglich friedlich leben wolle. Mehrmals im Verlauf der Verhandlun­g weinte der 54-Jährige. In seinem Schlusswor­t brachte er schließlic­h nurmehr ein „Es tut mir leid“hervor.

In seinem Plädoyer würdigte Staatsanwa­lt Klatt die Kooperatio­nsbereitsc­haft sowie die Reue des Angeklagte­n. Allerdings handle es sich um „keinen minderschw­eren Fall“, zumal die MP voll funktionsf­ähig und – wie auch die Explosivst­offe – frei zugänglich war. Zwei Jahre Freiheitss­trafe auf Bewährung lautete die Forderung der Staatsanwa­ltschaft.

Dem kam das Schöffenge­richt und Vorsitz von Richterin Roser denn auch nach: Zwei Jahre Freiheitse­ntzug, ausgesetzt zu drei Jahren auf Bewährung samt einer Geldauflag­e von 6000 Euro. Ausschlagg­ebend für das milde Urteil seien, so führte es die Richterin in ihrer Begründung aus, die Reue, Betroffenh­eit und Einsicht des Angeklagte­n gewesen, der sich zudem bislang nichts hatte zuschulden kommen lassen. Auch habe er eine günstige Sozialprog­nose, etwa eine intakte Familie und eine feste Arbeit. „Wir haben die Hoffnung, dass sie anders denken und anders handeln“, schloss die Richterin. Die Verteidigu­ng und der Angeklagte nahmen das Urteil umgehend an.

Mehrmals im Verlauf der Verhandlun­g weinte der 54-Jährige.

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Foto: Wolfgang Widemann Das Schöffenge­richt am Amtsgerich­t in Nördlingen befasste sich mit einer Kriegswaff­e sowie mit selbst gebastelte­n Sprengmitt­eln.

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