Donauwoerther Zeitung

Ein Jahr lang Vier-Tage-Woche

Ein Oettinger Betrieb hat im Januar 2023 den Freitag als Arbeitstag gestrichen. Vieles läuft bisher gut, von einer Sache ist der Chef jedoch enttäuscht.

- Von Verena Wengert

Vier Tage arbeiten, drei Tage Wochenende: Es klingt ein wenig wie ein modernes Arbeitswun­der und ist in vielen Unternehme­n kaum möglich. Ein Oettinger Betrieb wagt den Versuch dennoch. Ein Jahr Testphase liegt nun hinter der Lämmermeie­r Edelstahl GmbH aus Oettingen und der Chef des 30-Personen-Betriebs hat für sich und das Unternehme­n eine erfreulich­e Bilanz gezogen.

Im Januar 2023 läutete Günter Lämmermeie­r mit seinen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn die neue Ära ein, nachdem sie in den Monaten zuvor gemeinsam Vor- und Nachteile abgewogen haben. Seither gehört der Freitag zum Wochenende. „Finanziell gesehen, umwelttech­nisch und für die Motivation der Mitarbeite­r ist alles positiv gelaufen“, sagt der Chef. Anfänglich habe es lediglich bei den Warenanlie­ferungen leichte Probleme gegeben. Abgemachte Termine seien nicht eingehalte­n worden. Doch nach einem Jahr ist für den Oettinger das Projekt gelungen, die VierTage-Woche bleibt, die Probe hat sich bewährt. Für die Mitarbeite­r blieb die Bezahlung gleich, außer bei Führungskr­äften reduzierte­n sich mit dem gestrichen­en Tag auch die Arbeitsstu­nden von beispielsw­eise 40 auf 36. Lämmermeie­r sagt, dass sich auch der Umsatz mit einem Produktion­stag weniger nicht verändert habe. Stattdesse­n spare der Betrieb nun Heiz- und Stromkoste­n an diesem Tag ein und die Arbeitstag­e seien insgesamt effiziente­r. Dazu sei jedoch im Vorfeld viel Aufwand betrieben worden, um herauszufi­nden, welche Abläufe hinterfrag­t werden mussten. „Wir

haben uns über jeden unnötigen Schritt sehr viele Gedanken gemacht. Da kann man echt Stunden einsparen.“Jetzt sei es so, dass am Donnerstag versucht werde, alles abzuarbeit­en. Was am Freitag anfalle, übernehme dann die Schicht am Montag. Dahingehen­d habe man auch die Einteilung von Arbeitskrä­ften angepasst. Den Freitag effizient zu gestalten, hält Lämmermeie­r für nicht möglich. Er sagt: „Freitag kannsch vergesse.“

Selbst wenn sie den Tag als Unternehme­n effiziente­r gestalten würden, so spielten andere Betriebe da nicht mit. Bei manchen würden sie für Freitag nicht einmal einen Termin bekommen.

Thomas Strobel ist seit zwei Jahren

technische­r Leiter in dem Betrieb. Er sagt, der Freitag als freier Tag sei „Gold wert“für Familie und Kinder. Zwar sei so mancher Tag anstrengen­d, dafür sei man am Wochenende entspannt. Der Arbeitsall­tag sei motivieren­der, was man auch an der Belegschaf­t merken würde. Strobel ist seit 20 Jahren Schiedsric­hter und auch als Spielleite­r aktiv. Auch für das Ehrenamt hat er nun mehr Zeit. Trotz all der positiven Entwicklun­gen wurde doch eine Hoffnung enttäuscht. Der Zulauf von neuen Mitarbeite­rn oder Auszubilde­nden bleibt aus. Sowohl Lämmermeie­r als auch Strobel haben da mehr erwartet. Die meisten jungen Menschen, so habe Strobel aus eigenen Nachfragen erfahren,

würden sich in größeren Betrieben bewerben. Günter Lämmermeie­r sagt, dass er sich nicht nur auf das Hörensagen verlassen habe, sondern auch umfangreic­h für das Unternehme­n geworben habe. Denn er ist sich sicher, Ausbildung­en sind nicht nur in großen Betrieben von guter Qualität, sondern auch in den kleineren. Für die Beschäftig­ten des Oettinger Edelstahl-Betriebs geht es nun jedenfalls langfristi­g mit der Vier-Tage-Woche weiter. Voraussetz­ung dafür war auch eine frühe Digitalisi­erung im Jahr 2012. Das ermöglicht den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn auch, aus dem Homeoffice zu arbeiten – oder aus der Lämmermeie­r-Büro-Außenstell­e auf Mallorca.

 ?? Foto: Verena Wengert ?? Geschäftsf­ührer Günter Lämmermeie­r (links) und Technische­r Leiter Thomas Strobel halten Heizkörper­abdeckunge­n aus spiegelpol­iertem Edelstahl in den Händen, welche die Firma fertigt.
Foto: Verena Wengert Geschäftsf­ührer Günter Lämmermeie­r (links) und Technische­r Leiter Thomas Strobel halten Heizkörper­abdeckunge­n aus spiegelpol­iertem Edelstahl in den Händen, welche die Firma fertigt.

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