Der Tod Maria von Brabants – Fake News aus dem Mittelalter?
Noch immer ranken sich ganz unterschiedliche Geschichten um Maria von Brabant, die von ihrem Ehemann des Ehebruchs bezichtigt und in Donauwörth hingerichtet wurde. Heike Lammers-Harlander will der Wahrheit auf die Spur kommen.
„Fakten oder Fake News im Hochmittelalter“? Handelt es sich beim Mord an Maria von Brabant im Jahre 1256 um politisches Kalkül oder doch um die Tat eines Ehemannes, der blind vor Eifersucht wütet? In ihrem Vortrag will Heike Lammers-Harlander dieses Geheimnis lüften. Die Geschichte, die sich um Maria von Brabant rankt, ist den Donauwörtherinnen und Donauwörthern zumeist bekannt. Maria, die Ehefrau des Herzogs von Bayern Ludwig II. – später der Strenge genannt -, wurde von ihrem Mann unter dem Verdacht des Ehebruchs gemeuchelt.
Dieser Verdacht wird in der klassischen Geschichte immer mit zwei Briefen begründet, die Maria an die Front sendete, um ihren Ehemann zur Rückkehr zu bewegen. Einer dieser Briefe ging an einen befreundeten Ritter. Als Ludwig beide Briefe in die Hände gespielt wurden, vermutete er die Untreue seiner Gemahlin und brach sofort nach Mangoldstein bei Donauwörth auf, wo er seine Frau unverzüglich enthaupten ließ. Soweit die Historie.
Zurück in der Gegenwart sucht Heike Lammers-Harlander genau den Ort des Geschehens aus, die Ruinen jener Burg an der Promenade, nahe dem heutigen VHS-Gebäude. Dorthin hat Heike LammersHarlander zur Untersuchung der Geschichte geladen. Es ist ein besonderer Ort, dessen Ausstrahlung geeignet ist, sich in diese Zeit zurückzuversetzen. Lammers-Harlander zeigt den Teilnehmern der Führung ein Lied des Minnesängers Meister Stolle. Er könnte damals – quasi wie ein hochmittelalterlicher Journalist – von den Ereignissen in Donauwörth berichtet haben.
Die besagten Strophen, die über das Schicksal der Maria von Brabant berichten, bringt LammersHarlander in altdeutschem Gesang zum Besten. Um herauszufinden, was 1256 über den Tod der Adeligen bekannt war, hat sie akribisch in Annalen und Nekrologien geforscht. In diesen historischen Quellen sind zum einen große historische Ereignisse eines Jahres und die jährlichen Todesfälle niedergeschrieben worden.
Ludwig gehörte zu der Familie der Wittelsbacher. Vermutlich lässt sich aus diesem Grund in den historischen Dokumenten, die in Regionen in Wittelsbacher Hand verfasst wurden, zumeist nur knappe Tatsachenfeststellung finden. In anderen territorialen Herrschaftsgebieten kennt man weitere Details ihres Todes. Nicht nur weiß man dort, dass es sich um Mord durch Ludwig handelt. Es ist tatsächlich schon von einem Verbrechen die Rede, das Maria fälschlich vorgeworfen wurde.
Sind wir hier schon den ersten „Fake News“auf der Spur? Von rund 20 Annalen beschreibt nur eine einzige ein weiteres Opfer – nämlich eine Hofdame Marias -, die hier jedoch namentlich nicht weiter benannt wird. In den Nekrologien wird man dann auch des Namens fündig, aber es bleibt trotzdem bei dem einen weiteren Opfer des Zorns des Ludwigs. Obwohl in den Geschichten, die sich um Maria von Brabant ranken, häufig von mehreren Opfern die Rede ist.
Doch wo sind die Briefe, die die so flammende Eifersucht des Ludwigs in der Geschichte immer erklärt hatten? Lange Zeit wurde angenommen, dass diese den Heilsbronner Annalen entstammen, da dies eine weitestgehend rezitierte Quelle war. Lammers-Harlander zeigt in ihrem Vortrag allerdings auf, dass dies gar nicht der Fall ist. Vielmehr ist ein erstes Auftauchen der Briefe erst in einer von den Wittelsbachern in einem späteren Jahrhundert beauftragten Chronik erwiesen.
Die Wittelsbacher wollten sich hier wohl mit ihrer eigenen Biografie auseinandersetzen. Die Geschichte der Briefe findet im 15. Jahrhundert große Popularität und ab hier fehlen auch weitere Quellen in die frühere Zeit und die Historie wird zur Legende. Um den tatsächlichen Hintergründen der Tat auf die Spur zu kommen, untersucht Lammers-Harlander die Genealogie des Herzogspaars und versucht anhand dieser Verbindungen aufzuzeigen, was wohl damals einen solchen Ausbruch inspiriert hätte.
War es nun vielleicht doch berechnendes Kalkül aus politischen Gründen? So genau lässt sich das heute wohl nicht mehr sagen. Fest steht: Auch Ludwig der Strenge hätte für seine Tat bestraft werden müssen, denn das Recht, dass die Tötung im Affekt bei Ehebruch keine Bestrafung nach sich zieht, entstammt erst dem 15. Jahrhundert. Dass Ludwig damals keine Strafe erhielt, ist wohl eher einem Zufall zu verdanken, da der König nur wenige Tage nach Ludwigs Tat verstarb.
Sicher lässt sich nur sagen, Maria von Brabant wurde hingerichtet durch die Hand oder den Auftrag ihres Ehemannes. Zum Abschluss ihres Vortrags lässt Lammers-Harlander die Anwesenden noch in ihre eigene Genealogie blicken. Wie sie erst vor Kurzem herausfand, könnten von ihr direkte verwandtschaftliche Verbindungen zu Maria von Brabant als auch zu Ludwig dem Strengen bestehen. Um dies genau herauszufinden, muss sie aber noch einmal in Archiven in Zürich stöbern, verrät sie. Das letzte Kapitel der Geschichte ist also noch offen.