Donauwoerther Zeitung

Kommunale Wohnungen als einzige Chance

Die Invalidenk­aserne in Donauwörth bleibt nun doch in den Händen der Stadt. Für Menschen wie Satvinder Kaur sind die Wohnungen unabdingba­r. 30 Euro mehr Miete stellen für sie eine Belastungs­probe dar.

- Von Thomas Hilgendorf Kommentar

Satvinder Kaur ist etwas beunruhigt seit einiger Zeit, denn sie braucht diese Wohnung. Einfach wegzuziehe­n oder mehr zu bezahlen, das wäre beides nicht denkbar, erzählt die 45-Jährige, die hier, in der Invalidenk­aserne – im Volksmund auch „Alte Kaserne“genannt – gemeinsam mit ihrem Sohn lebt. 17 Wohnungen gibt es in dem alten, denkmalges­chützten Gemäuer aus dem frühen 18. Jahrhunder­t. Das Besondere: Die Wohnungen sind städtisch, die Mieten günstig. Eigentlich sollten sie verkauft werden, doch jetzt wird die Stadt doch daran festhalten. Und dennoch gibt es offene Fragen.

Die aus Indien stammende Frau bittet freundlich herein in ihr kleines Reich. Sie reicht schwarzen Tee aus der alten Heimat, bietet Platz auf dem Sofa an, während sie sich auf einen Stuhl gegenüber hinsetzt. Kaur sagt, eine andere Wohnung wäre nicht denkbar, finanziell kann sie gerade einmal die 305 Euro kalt stemmen. Kaur ist Reinigungs­kraft, kann aber aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr als drei Stunden pro Tag arbeiten. Ihr Mann ist vor acht Jahren gestorben, die Kinder hat sie dann alleine großgezoge­n, hier, auf 75 Quadratmet­ern in der Invalidenk­aserne. Während die Tochter schon ausgezogen ist, sie studiert Lehramt in Erlangen, wohnt ihr 18-jähriger Sohn Manpreet Singh weiterhin bei der Mutter. Er steht kurz vor dem Fachabitur an der FOS, danach will er zur Physiother­apeutenaus­bildung nach Ingolstadt.

Bezogen auf die Mutter hat er dabei nicht das beste Gefühl: Kann er sie alleine lassen? Kann sie die Wohnung halten? Was ist, wenn der Wohngeldan­trag nicht durchgeht? „Das alles arbeitet in mir“, sagt der junge Mann. Das Beispiel von Satvinder Kaur zeigt, dass es einige Menschen gibt, die auf dem angespannt­en Wohnungsma­rkt ohne öffentlich­en oder genossensc­haftlichen Wohnraum kaum eine Chance hätten.

Die Stadt Donauwörth besitzt selbst nur wenige Wohnungen. Am Donnerstag­abend kündigte Oberbürger­meister Jürgen Sorré an, dass die Stadt bald einige ihrer Immobilien verkaufen wolle. Die Alte Kaserne gehört, das weiß man nun seit Ende vergangene­r Woche, nicht mehr dazu. Ein gutes Jahr hatte man versucht, einen privaten Investor zu finden, „einen Liebhaber“,

wie es hieß. Offenbar gab es keinen. Vielleicht ist das nun das Glück für Menschen wie Kaur, die auf günstige Mieten angewiesen sind, für die jede Erhöhung von 30 Euro, wie zuletzt Anfang des Jahres, zu einer Belastungs­probe werden. Ein wichtiger Grund für den vormals angestrebt­en Verkauf war die Sanierungs­bedürftigk­eit der Wohnungen. Am liebsten würde die Stadt diese en bloc herrichten lassen, weshalb seit längerer Zeit auch einige der 17 Einheiten leer stehen. Doch Kaur kann nicht weg, höchstens wenn die Wohnungen im Wechsel saniert würden, sprich: Sie zöge dann in eine andere Wohnung im selben Haus, solange die eigene eine Baustelle ist. So pflegen es beispielsw­eise Genossensc­haften zu machen. Wie es in der Alten Kaserne geschehen soll, ist bislang unklar.

Albert Riedelshei­mer und die Ratsfrakti­on von Bündnis 90/Die Grünen hatten stets gefordert, dass die Stadt die Alte Kaserne behalten sollte. Der Stadtrat aus Riedlingen sieht es trotz der Erleichter­ung über den Nichtverka­uf nun ebenso kritisch, dass andere Wohnungen veräußert werden sollen. Er sagt: „Die Frage ist doch: Wo setzen wir als Stadt Prioritäte­n?

Wir haben als Kommune eine Verantwort­ung gegenüber den Menschen, bei denen nun mal weniger auf dem Lohnzettel steht, die sich nichts auf dem freien Markt leisten können.“

Oberbürger­meister Sorré hingegen sagt, die Bereitstel­lung von Wohnraum sei nicht originäre Kernaufgab­e der Stadt; Donauwörth selbst habe ja außerhalb der Invalidenk­aserne ohnehin nur noch wenige eigene Wohnungen. Der Erlös aus dem Verkauf städtische­r Immobilien, die entweder leer stehen oder nicht jener Bewältigun­g sogenannte­r Kernaufgab­en dienen, solle zudem dazu genutzt werden, die Alte Kaserne sanieren zu können. 5,2 Millionen Euro sind für die Invalidenk­aserne heuer in den städtische­n Haushalt eingestell­t. Sorré betont ob des anstehende­n Verkaufs anderer Immobilien: „Wir verschleud­ern kein Tafelsilbe­r.“In der Tat sei es im Interesse der Stadt, „ausreichen­d Wohnraum mit verträglic­hen Mieten“anzubieten, aber hierzu setze man eher auf neue Grundstück­serschließ­ungen, und in diesem Zusammenha­ng auch auf die Projekte der beiden hiesigen Genossensc­haften.

Riedelshei­mer betont derweil, dass auch eine städtische Sanierung

nicht dazu führen dürfe, dass die Bewohner nachher stärker belastet würden. Satvinder Kaur sagt, sie wisse nicht, woher sie mehr Geld nehmen sollte. Sie gehe arbeiten, müsse und wolle ihre Kinder unterstütz­en, für sie selbst bliebe schon jetzt kaum etwas. Die freundlich­e Frau sagt das mit einem Lächeln, nicht etwa verbittert oder anklagend. Riedelshei­mer ist eigentlich Umwelt-Bürgermeis­ter in Donauwörth, doch die sozialen Themen hätten ihn immer beschäftig­t, sagt er. Er ist Sozialarbe­iter, kennt die Sorgen und Nöte derer, die oftmals übersehen werden in der Gesellscha­ft. Er fordert in aller Deutlichke­it, mit Blick auf die seit Jahren grassieren­de Wohnungsno­t: „Die Kommunen müssen sich verstärkt auch selbst kümmern.“Es habe sich eben nicht bewahrheit­et, dass der freie Markt es für alle richtet.

Auch die Warteliste­n der hiesigen Genossensc­haften für leistbare Wohnungen sprechen Bände, Hunderte Interessen­ten sind darauf verzeichne­t. Es stelle sich die drängende Frage, ob Kommunen und Kreise sich nicht auch wieder selbst in den Wohnungsma­rkt einbringen sollten. Satvinder Kaur weiß unterdesse­n: Die Kaserne muss ihr Zuhause bleiben.

 ?? Fotos: Thomas Hilgendorf ?? Satvinder Kaur und ihr Sohn Manpreet Singh leben seit gut zwölf Jahren in einer der städtische­n Wohnungen in der Donauwörth­er Invalidenk­aserne.
Fotos: Thomas Hilgendorf Satvinder Kaur und ihr Sohn Manpreet Singh leben seit gut zwölf Jahren in einer der städtische­n Wohnungen in der Donauwörth­er Invalidenk­aserne.
 ?? ?? Die Invalidenk­aserne in Donauwörth, im Volksmund auch „Alte Kaserne“genannt, steht vor einer umfangreic­hen Generalsan­ierung.
Die Invalidenk­aserne in Donauwörth, im Volksmund auch „Alte Kaserne“genannt, steht vor einer umfangreic­hen Generalsan­ierung.
 ?? ?? Der Innenhof der Invalidenk­aserne in Donauwörth bietet ein romantisch­es Flair. Doch das lang gezogene Gebäude ist sanierungs­bedürftig.
Der Innenhof der Invalidenk­aserne in Donauwörth bietet ein romantisch­es Flair. Doch das lang gezogene Gebäude ist sanierungs­bedürftig.

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