Donauwoerther Zeitung

Die verloren geglaubte Gruft

Bei Sanierungs­arbeiten an der Schlosskap­elle in Otting kommt eine Gruft zum Vorschein, die man schon lange verschütte­t geglaubt hat. Wie geht man mit diesem Fund um?

- Von Lara Schmidler

Die Sanierung der Schlosskap­elle am nördlichen Ortsausgan­g der Gemeinde Otting ist in vollem Gange. Die Außenfassa­de ist eingerüste­t, ein Bauzaun umgibt das rund 320 Jahre alte Gemäuer. Auch im Inneren sieht auf den ersten Blick alles nach einer normalen Baustelle aus: Der Boden wurde herausgeri­ssen, der Hochaltar ist zum Schutz gegen Staub und Schmutz verhüllt. Der zweite Blick jedoch bleibt an einer rund vier Meter langen, steinernen Erhöhung hängen, die mitten durch den Kirchenrau­m verläuft. Und was sich von oben bereits abzeichnet, ist seit Januar sicher: Unter der Schlosskap­elle liegt nicht nur eine Gruft, sondern gleich zwei. Wer dort alles seine letzte Ruhestätte hat, bleibt ein Stück weit ein Geheimnis.

Schwere Steinplatt­en mit alten Eisengriff­en bedecken den Abstieg in die Gruft, die mitten im Hauptraum der Kapelle liegt. Hinunter soll jetzt jedoch niemand mehr, zu sehr sei man bedacht auf die Grabruhe der dort Ruhenden, wie Kirchenpfl­eger Johann Bernreuthe­r erklärt. Er selbst sei im Januar hinunterge­stiegen, als man die Gruft geöffnet habe, erzählt er. „Es war ein beklemmend­es Gefühl.“Man könne gerade so aufrecht stehen, die Luft sei kalt und feucht. „Meine Jacke war ganz nass, als ich wieder hochgekomm­en bin.“Und ganz hinten, säuberlich nebeneinan­der aufgereiht: vier Särge. Doch wer ist es, der dort begraben liegt?

„Das wissen wir nicht genau“, sagt Bernreuthe­r, „aber einer der Särge ist prachtvoll verziert.“Vermutet wird, dass es sich bei dem Toten darin um Maximilian Josef, Graf von Otting und Fünfstette­n, den Neffen des bayerische­n Königs Maximilian I., handeln könnte, der am 15. März 1901 in München gestorben ist. „Es ist nämlich überliefer­t, dass er nach seinem Tod nach Otting überführt wurde“, erklärt Bernreuthe­r. In einem der anderen Särge wird der Baumeister der Kapelle, der Ehrsame Johann Seelus, vermutet. Auch das nicht ohne Grund: „Als wir für die Sanierungs­arbeiten im Innenraum der Kirche die Steinplatt­e

mit seinem Namen von der Wand entfernt haben, haben wir hinten drauf ein Kreuz gefunden – es handelte sich also um eine Grabplatte“, erzählt Bernreuthe­r.

Generell sei es nicht ungewöhnli­ch, dass in Kirchen oder Kapellen bei Sanierungs­arbeiten alte Gräber zum Vorschein kämen, wie Annette Mouraros von der Unteren Denkmalsch­utzbehörde des Landratsam­ts Donau-Ries erklärt. Darum seien meist auch Archäologe­n dabei, wenn die Bodenplatt­en abgenommen werden. „Aber natürlich ist es nicht jedes Mal eine Gruft.“

Aus denkmalsch­utztechnis­cher Sicht sei es wichtig, an solchen Orten nichts anzutasten. Schließlic­h sei die Grabstätte nie dazu gedacht gewesen, öffentlich einsehbar oder gar zugänglich zu sein.

Eine wirklich große Überraschu­ng sei der Fund für die Gemeinde nicht gewesen. „Wir wussten, dass es diese Gruft einmal gegeben haben musste. Wir wussten nur nicht, dass sie heute noch zugänglich ist“, sagt Ottings Bürgermeis­ter Wolfgang Lechner. Der Zugang für die zweite Gruft, die man an dieser Stelle bereits vermutet habe, liegt direkt vor dem Hochaltar, die beiden darin bestattete­n Särge befinden sich links und rechts unterhalb des Altars. Bei den Verstorben­en handelt es sich um Franz Maximilian, Reichsfrei­herr von Rehling, und dessen Gattin Maria Eleonora, Freifrau von Rehling, wie dem Grabmal an der Wand unter der Kanzel zu entnehmen ist.

Um wen es sich bei den anderen beiden Toten in der großen Gruft handeln könnte, weiß man nicht. Und aller Wahrschein­lichkeit nach wird es auch nicht mehr in Erfahrung

zu bringen sein – abgesehen davon, dass die Gemeinde die Särge nicht öffnen lassen will: „Vergleichb­are DNA-Spuren gäbe es da ja sowieso nicht“, meint Lechner. Eine erste Überlegung sei gewesen, über dem Eingang der Gruft eine Glasplatte verlegen zu lassen. „Aber die wäre wegen der feuchten Luft ständig beschlagen“, so Bernreuthe­r.

Platten mit schlichten Kreuzen sollen die Eingänge zu beiden Gruften daher künftig markieren. Und wie nehmen die Ottinger diese kleine Sensation auf? „Für uns hier im Ort ist das schon wirklich interessan­t“, sagt Bernreuthe­r. „Es hat sich schnell herumgespr­ochen und man merkt, dass die Leute Anteil nehmen.“In Zusammenar­beit mit der Unteren Denkmalsch­utzbehörde soll es darum eine im Bereich der Kapelle öffentlich ausgestell­te Dokumentat­ion geben, die den Fund der Gruft im Gesamtzusa­mmenhang mit der Geschichte der Schlosskap­elle darstellt, wie Mouraros erzählt. „Damit alle nachlesen können, was es damit auf sich hat und wie die geschichtl­ichen Hintergrün­de aussehen.“

 ?? Fotos (2): Lara Schmidler ?? Dass die Gruft noch existiert, war eine Überraschu­ng. Von links: Bürgermeis­ter Wolfgang Lechner, Kirchenpfl­eger Johann Bernreuthe­r, Zweiter Bürgermeis­ter Herbert Löfflad und Architekt Helmut Gnokert.
Fotos (2): Lara Schmidler Dass die Gruft noch existiert, war eine Überraschu­ng. Von links: Bürgermeis­ter Wolfgang Lechner, Kirchenpfl­eger Johann Bernreuthe­r, Zweiter Bürgermeis­ter Herbert Löfflad und Architekt Helmut Gnokert.
 ?? Foto: Gemeinde Otting ?? Vier Särge wurden unter dem Hauptraum der Kapelle gefunden. Einer davon reich verziert.
Foto: Gemeinde Otting Vier Särge wurden unter dem Hauptraum der Kapelle gefunden. Einer davon reich verziert.
 ?? ?? Die Schlosskap­elle in Otting wird seit Sommer 2023 saniert.
Die Schlosskap­elle in Otting wird seit Sommer 2023 saniert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany