Mehr Personal oder weniger Leistungen?
Der Rainer VG-Vorsitzende Jürgen Raab sieht die Verwaltung in einem Dilemma zwischen immer größeren Herausforderungen und personell knappen Möglichkeiten. Er spricht von „rechtlichen und organisatorischen Risiken“.
Ist unser Verwaltungsapparat zu aufgebläht? Wird Personal durch Bürokratie verschlissen? Kann ein derartiges Konstrukt wie eine kommunale Verwaltung entschlackt werden? Und kostet den Bürger die behördliche Administration schlichtweg zu viel? Mit der Diskussion um solche Fragen sieht sich Münsters Bürgermeister Jürgen Raab in seiner Funktion als Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Rain derzeit vermehrt konfrontiert.
Im Haushalt der VG (Gesamtvolumen 2,27 Millionen Euro), zu der nach dem Ausscheiden der Stadt Rain noch die Gemeinden Genderkingen, Holzheim, Münster und Niederschönenfeld gehören, sind der höchste Posten die Personalkosten mit 1,3 Millionen Euro. Sie sind seit dem Vorjahr um 50.000 Euro gestiegen. Doch eigentlich sollten sie noch höher sein, denn wie die vielfältigen Aufgaben der VG abbilden, sind eigentlich zu wenige Mitarbeiter an Bord. Vor allem aufgrund zunehmender Digitalisierung sind EDV-Fachleute gefragt. Eine Stelle in diesem Bereich wird demnächst ausgeschrieben. Doch reicht das aus?
„Wir beschäftigen aktuell 20 Kolleginnen und Kollegen sowie vier – demnächst fünf – Auszubildende in der VG Rain“, schildert Jürgen Raab. „Sie sind engagiert, von hoher fachlicher und sozialer Kompetenz und leisten viel. Aber wir stellen vermehrt fest, dass nicht alle Erwartungen der Bürger erfüllt werden können.“Raab spricht von der Notwendigkeit, dass Ansprüche zurückgestellt müssen. Oder aber es gebe Leistungseinschränkungen und „nicht beherrschbare rechtliche und organisatorische Risiken“.
Wohnsitzwechsel, neue Personalausweise und Pässe, verkehrsrechtliche Anordnungen, Gewerbe-Anund Ummeldungen, Genehmigung von Festen, Umzügen,
Ausschank, Feuerwehren, Katastrophenschutz, Informationsund Datensicherheit, Satzungsund Ortsrecht, Klärung von Rechtsfragen, Vorbereitung von Sitzungsbeschlüssen, Beschwerden, Vergabethemen, Gehaltsabrechnungen, Zeiterfassung, Fortbildungen, Arbeitsvertragsrecht, Tausende von Buchungen für sämtliche Körperschaften, Versicherungen, Kassenführung, Liegenschaftsverwaltung, Bauleitplanverfahren, städtebauliche Verträge und, und, und. Die Liste der Aufgaben einer Verwaltung ist unendlich lang und das allermeiste davon sieht der Bürger gar nicht. „Wir sind in Zeiten, da wir den Gürtel enger schnallen müssen, und oft ist die Rede von Bürokratieabbau und Sparen“, so Jürgen Raab. „Wir sollen Personal kürzen oder zumindest die Stellen nicht mehren. Aber die Herausforderungen werden immer größer.“Für den VG-Vorsitzenden ist das die Quadratur des Kreises. „Es gibt gesetzlich vorgegebene Themen, um die kommen wir nicht herum. Also bleiben nur die freiwilligen Leistungen, die wir kürzen können. Auf der Strecke bleiben dann sämtliche Wünsche und Begehrlichkeiten der Bürger, die über die Pflicht hinausgehen.“Im Haushalt 2024 hat die VG die von Raab so beschriebene Situation auf ihre Weise in den Griff bekommen: Neben der zusätzlich ausgeschriebenen EDV-Stelle sind dazu freilich auch die Umlage-Beiträge nach oben gegangen. Pro Einwohner zahlt jede der vier beteiligten Gemeinden heuer 300 Euro und damit 50 Euro mehr als im Vorjahr. Der Gesamtbeitrag von knapp 1,55 Millionen Euro setzt sich damit folgendermaßen zusammen: Genderkingen (375.896 Euro), Niederschönenfeld (422.188 Euro), Holzheim (356.959 Euro) und Münster (380.255 Euro). Die Investitionsumlage (insgesamt 100.000 Euro) beträgt für alle Mitglieds-Kommunen je 25.000 Euro. Um die Verwaltung langfristig zu entlasten, wünscht sich VG-Vorsitzender Raab nicht nur weniger Bürokratie und mehr Verständnis in der Bevölkerung, sondern auch eine stärkere Kooperation unter den Kommunen, wenn möglich Synergien zu schaffen. Ein Modell, das er beispielsweise befürworten würde: „Die Kommunen im Landkreis beginnen zu überlegen, wie wir zu einer festen IT-Zusammenarbeit finden könnten, eventuell zu einem gemeinsamen Zweckverband in Sachen Informations- und Kommunikationstechnologie. Das wird intensiv diskutiert, aber bis es so weit kommen kann, dauert es noch eine ganze Weile.“