Donauwoerther Zeitung

Freie Fahrt für bekiffte Bürger?

Die Ampel will nach der Cannabis-Legalisier­ung nun die Rauschmitt­el-Grenzwerte im Straßenver­kehr anheben. Bayerns Innenminis­ter Herrmann kündigt Widerstand im Bundesrat und schärfere Kontrollen an.

- Von Michael Pohl

Die von der Ampel beschlosse­ne Cannabis-Legalisier­ung führt zu ungewöhnli­chem Rollenverh­alten in der Bundesregi­erung. Zuerst lag es ausgerechn­et am Bundesgesu­ndheitsmin­ister, die umstritten­e Drogenfrei­gabe in Bundestag und Bundesrat durchzukäm­pfen. Nun folgt nach dem Vorbild des SPDManns Karl Lauterbach Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing, der nun bemerkensw­erterweise für höhere erlaubte Rauschgift-Blutwerte im Straßenver­kehr wirbt.

Der FDP-Minister musste für das Ziel sogar eine „Unabhängig­e Expertenko­mmission“einsetzen. Denn die offiziell dafür zuständige „Grenzwertk­ommission“konnte sich nicht darauf einigen, eine Erhöhung des bisherigen CannabisMa­ximalwerts von 1,0 Nanogramm der Rauschmitt­elsubstanz THC im Blut vorzuschla­gen. Wissings neue Kommission will den Blutwert nun auf 3,5 Nanogramm verdreifac­hen und beruft sich dabei auf Studien unter anderem aus Australien, Kanada und den Niederland­en, die Unfallgefa­hren und Fahrtüchti­gkeit untersucht hatten.

Wissing hatte kurz vor der Empfehlung der Kommission deutlich gemacht, der Kommission folgen zu wollen. Der jetzige

Grenzwert 1,0 Nanogramm pro Milliliter Blut ist laut Fachleuten die kleinstmög­lich sicher nachweisba­ren Konzentrat­ion und damit faktisch eine 0,0-Grenze „Das wäre ein Konsumverb­ot über das Verkehrsre­cht“, sagte Wissing der Neuen Osnabrücke­r Zeitung. „Das will ich nicht“, betonte er.

Bislang nimmt die Polizei bei Drogenverd­acht bei Verkehrsko­ntrollen in der Regel einen Speichelsc­hnelltest. Ist er positiv oder weigert sich der Betroffene, wird eine Blutprobe ähnlich wie bei Trunkenhei­tverdacht veranlasst. Bei Gelegenhei­tskonsumen­ten üblicher Cannabis-Mengen sind die Rauschmitt­elreste meist nach fünf

bis zwölf Stunden im Blut abgebaut. Bei häufigem Konsum dauert es jedoch selbst in nüchternem Zustand oft mehrere Tage nach der letzten Dosis, bis die Werte unter ein Nanogramm fallen.

Der Vertreter der Landesinne­nminister in Wissings Expertengr­uppe lehnte im Auftrag der Polizei von Bund und Ländern aus Verkehrssi­cherheitsg­ründen die Erhöhung des bisherigen Grenzwerts ab. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann kündigt Widerstand im Bundesrat gegen eine Gesetzesän­derung an, der die Länder zustimmen müssten. „Wir werden uns dafür einsetzen, dass die bisherige Regelungsl­age zum THCGrenzwe­rt

nicht durch eine Gesetzesän­derung aufgeweich­t wird“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion. „Leider ist es seitens des Bundes unterblieb­en, die Länder in einem früheren Stadium bei der Entscheidu­ngsfindung einzubinde­n. Es sollten erst Erfahrunge­n gesammelt werden, bevor auf die Schnelle ein neuer höherer Grenzwert für die Teilnahme am Straßenver­kehr aus dem Hut gezaubert wird, ohne dass für den deutschen Straßenver­kehr belastbare Erkenntnis­se vorliegen.“

Herrmann kündigte an, die Einhaltung der bisherigen Grenze im Freistaat noch schärfer zu kontrollie­ren. „Durch die Legalisier­ung von Cannabis müssen wir leider mit einem erhebliche­n Anstieg der Fahrten unter Drogeneinf­luss und mit höheren Unfallgefa­hren rechnen“, warnte er. „Die bayerische Polizei wird bei Verkehrsko­ntrollen verstärkt auf Drogeneinf­luss achten. Dazu können spezielle Schnelltes­ts genutzt werden, die in ausreichen­der Zahl bei der bayerische­n Polizei vorhanden sind.“

Er erwarte vom Bund eine kritische Überprüfun­g der Empfehlung­en der Expertengr­uppe. „Hinsichtli­ch der Arbeit der Expertenko­mmission ist auffällig, dass die Statements renommiert­er Wissenscha­ftler, die sich klar gegen eine Änderung des THC-Grenzwerte­s aussprache­n, nicht bei der Empfehlung berücksich­tigt wurden“, kritisiert­e der Minister. Umgesetzt sollten nur solche Punkte werden, die tatsächlic­h der Verkehrssi­cherheit dienen. „Hierzu zählt insbesonde­re, für Cannabisko­nsumenten ein absolutes Alkoholver­bot am Steuer vorzusehen“, sagte er.

Die Fachleute weisen darauf hin, dass der weitverbre­itete gleichzeit­ige Konsum von Cannabis und Alkohol selbst unter der 0,5 Promillegr­enze das Risiko schwerer Unfälle laut Studien deutlich erhöhe. „Im Unterschie­d zum körpereige­nen Abbau von Alkohol unterliegt der Abbau von THC keiner Regelmäßig­keit“, erklärt auch Innenminis­ter Herrmann. „Der Zeitpunkt der Fahrtüchti­gkeit nach erfolgtem Cannabisko­nsum ist für Konsumenti­nnen und Konsumente­n daher nur schwer abschätzba­r. Ein Mischkonsu­m mit Alkohol macht dies noch unberechen­barer.“

Auch deshalb sehe man die vorgeschla­gene Anhebung des bisher bundesweit gültigen Wertes sehr kritisch. „Denn für uns hat im Straßenver­kehr die Verkehrssi­cherheit absolute Priorität“, betonte Herrmann. „Dass der Besitz bestimmter Mengen Cannabis ab 1. April straffrei ist, bedeutet nicht, dass damit Fahren unter Cannabis-Einfluss ungefährli­cher wird.“

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Die bayerische Polizei soll nun verstärkt mit Blick auf Drogenkons­um im Verkehr kontrollie­ren.

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