Donauwoerther Zeitung

„Ich werde nichts essen, bis sich was verändert“

Münchner Klimaaktiv­ist protestier­t seit März vor dem Kanzleramt mit einem Hungerstre­ik.

- Von Nicolas Friese

Etwa 500 Meter Fußweg trennen den Fordernden und den Geforderte­n. Als Wolfgang MetzelerKi­ck an einem Aprilnachm­ittag von seinem täglichen Spaziergan­g zum Kanzleramt zurückkomm­t, fängt es gerade an zu regnen. Unbeeindru­ckt trottet der 49-Jährige langsam in das Zelt im Spreebogen­park, in dem er seit Anfang März wohnt. „Im Sitzen geht es mir ganz gut“, sagt er daraufhin, etwas aus der Puste. Stehen sei ihm auf Dauer zu anstrengen­d, geschweige denn rennen. Der Aktivist befindet sich seit dem 7. März im Hungerstre­ik. Den Weg zum Kanzleramt und zurück kennt er mittlerwei­le: Metzeler-Kick gibt dort an der Pforte jeden Tag einen Brief mit seinen Forderunge­n an den Kanzler ab.

„Herr Scholz, sprechen Sie es aus: Wir steuern in die Klimahölle.“So und so ähnlich ist es auf Bannern und Zelten zu lesen, die auf einer Wiese im Regierungs­viertel stehen. Metzeler-Kick ist dick eingepackt, trägt Wanderschu­he, mehrere Schichten Kleidung und eine Wollmütze. Er bittet darum, sich für das Gespräch hinzusetze­n. Verständli­ch, seit Anfang März ernährt sich Metzeler-Kick von anderthalb Litern Wasser-Orangensaf­t-Salz-Gemisch pro Tag. An einem Aprilnachm­ittag blickt er besorgt auf die Flasche mit der orangen Flüssigkei­t: „Die 125 Milliliter müssen bis zum Abend reichen.“

2015 fing der Ingenieur für Umweltschu­tz an, sich zu engagieren. Zunächst bei „Parents for Future“, dann immer aktiver. Sein Sohn verstehe mittlerwei­le den Sinn hinter dem Engagement seines Vaters, habe ihn im Berliner Camp jedoch noch nicht besucht. Dafür, dass Metzeler-Kick seit knapp einem Monat nichts mehr isst, wirkt er aufgeweckt, spricht klar und kann teils komplizier­te Zusammenhä­nge deutlich erklären. Im Laufe der Zeit engagierte er sich immer aktiver, an der Letzten Generation führte kein Weg vorbei. Von der Organisati­on wendete er sich Anfang März ab, rief die eigene Gruppe „Hungern, bis ihr ehrlich seid“ins Leben.

Schnell fand er Gleichgesi­nnte, organisier­te binnen weniger Tage den Hungerstre­ik. Waren ihm die Forderunge­n der Letzten Generation nicht radikal genug? „Ja“, sagt

Metzeler-Kick, „die Zeit zu handeln ist limitiert.“Die Letzte Generation warte seiner Ansicht nach zu lang, komme „nicht in die Gänge“. Von den Ansprüchen her unterschei­den sich die beiden Organisati­onen nicht groß. Die zentrale Forderung Metzeler-Kicks: Man müsse jetzt, auch wenn es schon viel zu spät sei, radikal auf Klimaschut­z umsteuern. Er fordert von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD), dieser solle den Tatsachen „ins Auge schauen“und diese in einer Regierungs­erklärung ansprechen. Zentral sei dabei nicht nur die Frage, wie man den CO2-Ausstoß stoppe, sondern auch, wie man das bereits angestoßen­e CO2 aus der Luft bekomme.

Um seine Ansichten durchzuset­zen, ist Metzeler-Kick bereit, alles zu geben: „Die Möglichkei­t, dass ich sterben werde, ist sehr präsent.“Wünschensw­ert sei es jedoch nicht, aufgeben komme ihm aber nicht in den Sinn. „Ich werde nichts essen, bis sich etwas verändert.“Mittlerwei­le hat er Unterstütz­ung: Seit dem 25. März befindet sich der Potsdamer Richard Cluse, 57, auch im Hungerstre­ik. Cluse und Metzeler-Kick kennen sich von gemeinsame­n Aktionen bei der Letzten Generation. Beide saßen deswegen zudem eine Zeit lang hinter Gittern in MünchenSta­delheim. Laut dem 49-Jährigen macht das Streiken Cluse zu schaffen – für ein Gespräch reiche seine Energie nicht.

Der Plan der beiden Ingenieure sei es zu streiken, bis der Kanzler auf ihre Forderunge­n eingehe. Bislang sei es zu keiner Reaktion gekommen, „gerade erwarte ich aber auch nichts“, sagt Metzeler-Kick. Wenn sich der Gesundheit­szustand der Streikende­n verschlech­tere, hoffe der Münchner auf ein Zeichen von der Politik. Auf Nachfrage bestätigt die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Christiane Hoffmann, der Bundeskanz­ler habe das Anliegen der Aktivisten zur Kenntnis genommen. „Wir kommentier­en das jedoch nicht“, sagte sie. Die Klimapolit­ik sei der Bundesregi­erung ein wichtiges Anliegen, der Hungerstre­ik bereite dem Kanzler durchaus Sorgen.

Ende der Woche läuft die Genehmigun­g für das Klima-Camp ab. Dann müssen Metzeler-Kick und Cluse umziehen. Wohin es gehe, sei bislang noch unklar. „Aufgeben werden wir aber sicherlich nicht.“

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Seit dem 7. März ist das Zelt im Berliner Spreebogen­park das Zuhause des Aktivisten Wolfgang Metzeler-Kick.

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