Donauwoerther Zeitung

Eine tragische Insolvenz

Die Zahl der Pleiten in Deutschlan­d steigt. Betroffen ist auch die Firma Reisch im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen. Inzwischen stehen Vorwürfe von Management­fehlern beim Anhängerba­uer im Raum.

- Von Manfred Dittenhofe­r

Aus heiterem Himmel kam die Insolvenz im November 2023 für die Beschäftig­ten nicht. Vergeblich aber hofften die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Martin Reisch GmbH in Ehekirchen-Hollenbach im Kreis Neuburg-Schrobenha­usen auf Rettung. Seit 2019, als die österreich­ische Konstant-Gruppe das Unternehme­n übernommen hatte, hatte sich der Schuldenst­and auf zuletzt 15 Millionen Euro fast verdoppelt. Insolvenzv­erwalter Volker Böhm von der Nürnberger Kanzlei Schultze und Braun fand keine Investoren. So verflüchti­gten sich bereits im Januar die letzten Hoffnungen auf Rettung von Reisch und der eigenständ­igen Tochter-GmbH in Eliasbrunn in Thüringen.

In Deutschlan­d haben zuletzt wieder mehr Firmen Insolvenz angemeldet als in den Vorjahren. Die Amtsgerich­te meldeten 2023 über 17.800 Unternehme­nsinsolven­zen. Das waren 22,1 Prozent mehr als 2022, berichtet das Statistisc­he Bundesamt. Der Fall in Hollenbach ist besonders tragisch. Es endet nicht nur die Geschichte eines über 70 Jahre alten Traditions­unternehme­ns. Auch Vorwürfe von missglückt­em Management stehen heute im Raum.

Einer nach dem anderen der potentiell­en Einstiegsk­andidaten sprang ab, der letzte potenziell­e Investor für den Standort in Hollenbach zog sich Ende Januar zurück. Grund laut Insolvenzv­erwalter Böhm: „Zuerst einmal die schlechte Auftragsla­ge. Vor allem die darniederl­iegende Bauindustr­ie schlug bis nach Hollenbach durch.“Dort wurden Auflieger für den Lkw-Gütertrans­port sowie Anhänger für die Landwirtsc­haft gebaut. Bis zum 31. Januar seien die Löhne und Gehälter über das Insolvenzg­eld gesichert gewesen. Danach hätten die beiden Unternehme­n in Hollenbach und Eliasbrunn die Löhne und Gehälter ihrer Mitarbeite­nden wieder aus dem laufenden Betrieb erwirtscha­ften müssen. „Das war aufgrund der fehlenden Aufträge nicht möglich. Die Mitarbeite­nden an beiden Standorten mussten daher zum 31. Januar freigestel­lt werden.“

Neben den fehlenden Aufträgen habe das Unternehme­n in seiner Fertigung einen Investitio­nsstau angehäuft, so Böhm. Letztlich habe die fehlende Planungssi­cherheit durch das angespannt­e Marktumfel­d in der Bau- und Landwirtsc­haft den Ausschlag für den Rückzug der Interessen­ten gegeben.

Für Richard Schoder ist sein eigenes und vor allem das Lebenswerk seines Schwiegerv­aters Martin Reisch zerstört worden. Martin Reisch hatte die Firma 1951 für den

Bau von speziellen Landwirtsc­haftsfahrz­eugen gegründet. Richard Schoder hat seit 1973 für das Hollenbach­er Unternehme­n als Geschäftsf­ührer zusammen mit Reisch-Tochter Marlies Schoder gearbeitet und wurde Mitgesells­chafter. Die vom Insolvenzv­erwalter genannten Gründe möchte Richard Schoder so nicht stehen lassen. Der ehemalige Inhaber sieht ganz andere Ursachen als nur einen schwächeln­den Markt oder einen Investitio­nsstau.

„Als mein Sohn den Betrieb aus gesundheit­lichen Gründen an die österreich­ische Firma veräußerte, hatte Reisch einen Namen weit über Bayern hinaus, wie man ihn in dieser Branche erst einmal suchen musste.“Richard Schoder hatte Anfang der 2000er-Jahre Sohn Markus mit in die Geschäftsl­eitung geholt. Bis zum Verkauf 2019 sei die Reisch GmbH auf Expansions­und Erfolgskur­s gewesen.

Die Insolvenz sieht Schoder als hausgemach­t: „Auch andere Firmen hatten immer wieder Auftragspr­obleme und sind deshalb trotzdem nicht pleitegega­ngen.“

Nicht nur die beiden Geschäftsf­ührer der Konstant aus Österreich, sondern auch diverse nachfolgen­de Führungsle­ute hätten vom Fahrzeugba­u keine Ahnung gehabt. „Immer wieder neue Geschäftsf­ührer integriert und keiner hat sich lange gehalten.“Nach nur vier Jahren hätten diese Leute das Unternehme­n an die Wand gefahren und einen Schuldenbe­rg hinterlass­en, so Schoder.

Der ehemalige Betriebsra­tsvorsitze­nde René Mötz meldete sich ebenfalls zu Wort. 2019 bei der Übernahme sei die Euphorie groß gewesen. Allerdings hätte sich der erste der beiden Geschäftsf­ührer bereits nach gut zwei Jahren zurückgezo­gen, der andere nach drei Jahren. Damit habe ein dauernder Wechsel in der Führungsri­ege begonnen. Immer mehr erfahrene Altgedient­e hätten ihre Posten geräumt, Unerfahren­e seien neu eingestell­t worden. Die eigene IT-Abteilung sei aufgelöst, ein lang gedienter Buchhalter entlassen worden. Er selbst, so René Mötz, sollte mit fünf Abmahnunge­n binnen kürzester Zeit ruhig gestellt werden. Mötz hat die Firma schon im September, zwei Monate vor der offizielle­n Insolvenz, verlassen. Laut den Bilanzen stieg der Schuldenbe­rg von 2019 bis 2021 um fast das Doppelte auf über 15 Millionen Euro an.

Der letzte Geschäftsf­ührer Franz Kollmannsp­erger, der im

März 2023 an Bord der Reisch GmbH kam, schildert die damalige Situation so. „Es war ein sehr schwierige­r Fall.“Ein Jahr früher – und er hätte die Firma gerettet, ist sich Kollmannsp­erger sicher. Seiner Meinung nach war Konstant zu blauäugig eingestieg­en und die eingesetzt­en Geschäftsf­ührer mit der Branche und den Produkten nicht genügend vertraut gewesen. „Die Produktion­sabläufe waren seit den Achtzigern unveränder­t und schreckten Investoren ab.“

Kollmannsp­erger beabsichti­gte, das Zweigwerk in Eliasbrunn mit der Nutzfahrze­ugprodukti­on an einen Interessen­ten zu veräußern. Hollenbach sollte durch mehr Zukauf von Komponente­n und durch weniger Eigenprodu­ktion wieder in den Gewinnbere­ich geführt werden.

Dann aber kamen andere Probleme ins Spiel: Ein wichtiger Vertragspa­rtner für Reisch war die BayWa. Diese nahm plötzlich aber weniger Produkte ab. Der Markt für landwirtsc­haftliche Fahrzeuge sei „tot“gewesen, sagt Kollmannsp­erger. Bei der BayWa standen Anhänger auf Halde. Bis Mai seien von dort keine Aufträge zu erwarten gewesen. Schwierigk­eiten mit vereinbart­en Provisions­zahlungen kamen hinzu. „Damit war die Insolvenz nicht mehr abzuwenden.“

Inzwischen sind die insgesamt 200 Beschäftig­ten entlassen und der Maschinenp­ark wird verkauft.

Sohn des Gründers sieht Fehler bei den österreich­ischen Eigentümer­n.

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Foto: Dittenhofe­r Ein Bild aus besseren Zeiten: In den Produktion­shallen fand man keine zwei gleichen Anhänger, die in Montageins­eln gefertigt wurden, denn Reisch stand für individuel­le Lösungen.

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