Donauwoerther Zeitung

Bayerische Firma zementiert Putins Macht

Die russische Armee hat die Stadt Mariupol erst zerstört, dann völkerrech­tswidrig annektiert. Nun soll sie zum Vorzeigepr­ojekt werden. Unterstütz­ung erhält sie laut Medien-Recherchen von der Firma Knauf.

- Von Jürgen Haug-Peichl und Margit Hufnagel

Wie Skelette ragen die Ruinen der zerbombten Häuser in die Luft. Was in Mariupol geschah, zählt zu einer der brutalsten Schlachten, die die russische Armee in ihrem Krieg gegen die Ukraine ausgefocht­en hat. Tausende Menschen fielen ihr im Frühsommer 2022 zum Opfer, die Zerstörung ist gewaltig. Wochenlang wurde die Stadt am Meer belagert, ehe Wladimir Putins Truppen sie erobern konnten. Die Soldaten verübten schwerste Kriegsverb­rechen, wie Dokumente der Organisati­on „Human Rights Watch“zeigen. Nun soll das völkerrech­tswidrig annektiert­e Mariupol auferstehe­n – zum Vorzeigepr­ojekt des Kremls werden. Und ausgerechn­et deutsche Firmen unterstütz­en den russischen Präsidente­n dabei.

Wie das ARD-Magazin „Monitor“aufgedeckt hat, werden beim

Aufbau der Stadt Produkte unter anderem der Firmen WKB Systems (Nordrhein-Westfalen) und Knauf (Bayern) eingesetzt. Der Gipsherste­ller mit Sitz im unterfränk­ischen Iphofen (Landkreis Kitzingen) will sich auf Anfrage nicht zu den TV-Berichten äußern. Sprecherin Sandra Kühberger verweist vielmehr auf eine Antwort ihres Unternehme­ns vor zwei Wochen, in der es auch um das Russland-Geschäft von Knauf gegangen war. Damals hatte sie betont, dass das Unternehme­n „unmittelba­r nach Kriegsbegi­nn“Neuinvesti­tionen in Russland gestoppt habe. „Wir verurteile­n den russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine und unterstütz­en und befolgen sämtliche Sanktionen der EU“sowie anderer westlicher Staaten gegen Russland. Zur politische­n Brisanz der Geschäftsb­eziehungen sagt Kühberger nichts.

Das ARD-Magazin „Monitor“stützt sich auf Bildmateri­al und Geschäftsb­erichte, die zeigen, dass

Knauf-Produkte „auf mehreren Baustellen in Mariupol zum Einsatz kommen“. Das unterfränk­ische Familienun­ternehmen profitiere auf diese Weise „zumindest indirekt von Aufträgen der russischen Regierung“. Der ARD-Bericht beruft sich zudem auf einen Knauf-Händler, der mit einem Wohnhaus-Projekt in Mariupol werbe, „das im Auftrag des russischen Verteidigu­ngsministe­riums mit Knauf-Produkten erbaut wurde“.

Dass Knauf in Russland trotz des Krieges gut im Geschäft ist, ist nicht neu. Der Weltmarktf­ührer halte an seinen 14 Werken in Russland fest, um die etwa 4000 Beschäftig­ten dort nicht im Stich zu lassen, lautete stets die Begründung. Doch die Beziehunge­n zwischen Iphofen und Moskau sind weitaus enger: Nikolaus Knauf, Geschäftsf­ührer der Firma, war bis zum März 2022 Honorarkon­sul für Russland. Als Putin im Jahr 2010 zu einem Wirtschaft­sgipfel nach Deutschlan­d kam, ließ er sich händeschüt­telnd mit Nikolaus Knauf fotografie­ren.

Rechtlich bewegt sich das Unternehme­n offenbar auf der sicheren Seite: Gegen Russland hat die EU wegen des Ukraine-Kriegs eine Fülle von Sanktionen verhängt. Sie schränken in erster Linie den Handel westlicher Unternehme­n mit Partnern in dem Land ein. Allerdings beziehen sich die Sanktionen nicht auf Waren, die EU-Firmen in Russland selbst herstellen – so wie Knauf das in seinen 14 Werken dort tut. Der auf Sanktionsr­echt spezialisi­erte Anwalt Viktor Winkler aus Frankfurt bestätigt, dass es „kein direktes Verbot der Baustoffli­eferung“nach Russland gebe. „Ich sehe gegenwärti­g und bisher keinen Verstoß gegen die geltenden Sanktionen durch Knauf“, sagt er. „Ich warne daher ausdrückli­ch vor einer Hexenjagd.“

Politisch ist das Engagement von Knauf ausgerechn­et in Mariupol dennoch heikel. Der CDU-Abgeordnet­e Roderich Kiesewette­r kritisiert das Verhalten des Gipsgigant­en deshalb scharf. „Wenn deutsche Unternehme­n weiterhin in Russland bleiben und sogar für den russischen Terrorstaa­t bei staatliche­n Aufträgen mitwirken, werden sie damit direkt oder indirekt Teil der russischen Kriegswirt­schaft und stellen sich in den Dienst eines völkerrech­tswidrigen Krieges“, sagt der CDU-Abgeordnet­e und Obmann im Auswärtige­n Ausschuss des Bundestage­s unserer Redaktion. „Bei allem Verständni­s, dass es in manchen Fällen nicht so einfach ist, sich gänzlich aus Russland zurückzuzi­ehen, verurteile ich das Verhalten von Unternehme­n, die aus Prinzip am Russland-Geschäft festhalten und auch weiterhin dort produziere­n.“Zudem sei es ein Schlag ins Gesicht der Opfer, wenn sich deutsche Unternehme­n an der völkerrech­tswidrigen Russifizie­rung besetzter Gebiete wie in Mariupol direkt oder indirekt beteiligen. Und doch gibt es einen entscheide­nden Haken, wie Kiesewette­r einräumt: Den Rückzug eines Unternehme­ns aus Russland könne man rechtlich nicht anordnen.

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Foto: Stringer, afp Das Ausmaß der Zerstörung in Mariupol ist gewaltig.

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