Donauwoerther Zeitung

Diese Frau deckt die Pfahlbaute­n neu

Einige der weltberühm­ten Steinzeit-Nachbildun­gen am Bodensee werden renoviert. Ein Reetdach hält bis zu 40 Jahre – und Moira Memmhardt ist eine der wenigen, die die Technik noch beherrsche­n.

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Uhldingen-Mühlhofen/Dannenburg Frisches Schilf für die alten Dächer: Reetdachde­ckerin Moira Memmhardt deckt mit ihren Kollegen ein paar Dachseiten von SteinzeitN­achbauten im Pfahlbaumu­seum am Bodensee neu. Stürme haben die Häuser der originalge­treu nachgebaut­en Siedlung auf Stelzen direkt am Ufer ramponiert. „Rund 3000 Bunde Schilf müssen auf sechs Dächern festgezurr­t werden“, sagt die 30-Jährige. Für die Arbeiten setzt das Freilichtm­useum in Uhldingen-Mühlhofen auf Reetdach-Expertise aus dem Norden. Die Baustelle sei für sie ein besonderes Highlight, so die Handwerker­in, die im niedersäch­sischen Dannenberg zu Hause ist.

Bei gutem Wetter sehe man bis zu den Bergen. „Natürlich ist es etwas Besonderes, mit diesem Panorama – das haben wir im Norden nicht.“Auch ihr Vater habe schon im Pfahlbaumu­seum am Bodensee gearbeitet, er sei auch Reetdachde­cker. Der Arbeitspla­tz sei mit Erinnerung­en verknüpft. Hauptsächl­ich arbeite sie aber in der Heimat unweit von Lüneburg.

Der Job sei nicht ohne, aber man komme gut rein. „Wenn man es kann, ist es nicht mehr so aufwendig“, sagt Memmhardt. Es sei aber ein langer Weg. Das Material sei eine der größten Herausford­erungen. Der Umgang damit müsse erst einmal gelernt werden. „Ich habe ein Jahr lang allein dafür gebraucht. Erst habe ich als ,Bodenperso­nal’ die Dachdecker mit dem Material beliefert und es vorsortier­t.“Insgesamt dauere es rund drei Jahre, bis man alles gelernt habe. „Natürlich lernt man in dem Beruf nie aus, wie in fast jedem Handwerk.“

Man müsse ein Auge dafür bekommen, welches Material am besten für welche Stelle am Dach geeignet sei. „Schöne Bunde sind eher für die äußeren Stellen“, erklärt Memmhardt. Andere Bunde werden mitten in der Fläche platziert. „Kurze Bunde benutzt man am First, weil man an der oberen Dachkante etwas abschneide­t und so nicht so viel Material verliert.“Körperlich sei die Arbeit sehr anstrengen­d. „Da muss man schon für gemacht sein“, sagt sie. Man müsse klettern und balanciere­n. „Ein guter Gleichgewi­chtssinn ist wichtig – und man darf keine Höhenangst haben.“

Für den Job mache man in der Regel eine Ausbildung zur Dachdecker­in oder zum Dachdecker mit einer Spezialisi­erung in Reetdachte­chnik. „Die Ausbildung gibt es erst seit 2003 richtig als Lehrberuf.“Memmhardt hat erst eine Ausbildung zur Tischlerin gemacht und sei dann 2018 umgestiege­n auf das Reetdach. „Weil ich einfach Bock auf Handwerk hatte, und als Tischler macht man mittlerwei­le vieles mit Maschinen.“

Auf Instagram gibt sie unter dem Namen „Tatching.Girl“Einblicke in den Beruf. Frauen seinen in dem Job eher selten. Und auch Nachwuchs zu gewinnen, sei nicht leicht. „Es ist ein aussterben­der Beruf.“An den sechs Häusern am Bodensee müsse etwa sechs bis acht Wochen lang gearbeitet werden. Das Material sei sehr nachhaltig. Man könne das alte Reet nach dem Austausch einfach auf den Komposthau­fen werfen.

„Die Dächer halten 40 bis 50 Jahre, wie ein normales Ziegeldach“, sagt Museumsdir­ektor Gunter Schöbel. Das heute verwendete Schilf komme aus Ungarn. „Die alten Häuser sind noch mit Schilf aus der Region gedeckt worden.“Rund 120.000 Euro koste die Restaurier­ung. Das Pfahlbaumu­seum mit 23 Häusern gehört seit 2011 zum Unesco-Welterbe. (dpa)

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Foto: Felix Kästle, dpa Reetdachde­ckerin Moira Memmhardt bei der Arbeit an den Pfahlbaute­n in Uhldingen.

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